Im Boudicca-Aufstand erhoben sich in den Jahren 60 n. Chr. und 61 n. Chr. die insel-keltischen Volksstämme der Icener und Trinovanten gegen die römischen Besatzer. Unter Führung der britannischen Königin Boudicca wurden bei den Auseinandersetzungen unter anderem die römischen Städte Camulodunum (das heutige Colchester), Londinium (das heutige London) und Verulamium (das heutige St Albans) verwüstet und gebrandschatzt. Verteidiger und Bewohner, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, fanden durch Boudiccas Streitmacht den Tod. Eine zahlenmäßig unterlegene römische Armee unter Gaius Suetonius Paulinus bezwang schließlich in den Midlands entlang der Watling Street die Aufständischen.
Die mit Abstand wichtigsten schriftlichen Quellen für die Ereignisse sind die Annales des römischen Geschichtsschreibers Tacitus und die Römische Geschichte des Geschichtsschreibers Cassius Dio. Seit dem 20. Jahrhundert spielt die Archäologie für die Rekonstruktion der Ereignisse eine wichtige Rolle, insbesondere Ausgrabungen in den Städten Colchester, London und St Albans sowie Funde in East Anglia, dem Siedlungsgebiet der Icener und Trinovanten.
Der Boudicca-Aufstand ist ein in Großbritannien sehr bekanntes Ereignis der britischen Geschichte und wird häufig mit Rebellionen in anderen Teilen des römischen Imperiums verglichen, etwa der Varusschlacht unter Arminius in Germanien oder dem Aufstand des Vercingetorix in Gallien.
Quellenlage
Da die keltischen Stämme Britanniens selbst keine schriftlichen Zeugnisse hinterließen, ist die Sicht auf den Boudicca-Aufstand durch die römische Geschichtsschreibung geprägt, ergänzt um Erkenntnisse aus archäologischen Ausgrabungen.
Die schriftlichen Quellen für den Boudicca-Aufstand sind die Annalen des römischen Historikers Tacitus und das Geschichtswerk des Cassius Dio. Beide berichten ausführlich über den Aufstand, weichen in Details jedoch zum Teil voneinander ab. Wesentlich kürzer erwähnt Tacitus den Aufstand noch in der Biografie seines Schwiegervaters Agricola. Sowohl Tacitus als auch Cassius Dio waren keine Augenzeugen der Ereignisse in Britannien, auch schrieben sie mit einem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen. Tacitus gilt bei vielen Historikern als zuverlässiger, weil er zeitlich näher am Ereignis lebte und vermutlich Detailkenntnisse über den Boudicca-Aufstand durch seinen Schwiegervater Agricola erhielt, der zu der Zeit in Britannien war. Die von den beiden Schriftstellern überlieferten Reden, die die Heerführer Boudicca und Suetonius vor der Entscheidungsschlacht gehalten haben sollen, sind aller Wahrscheinlichkeit nicht authentisch. Klassische Autoren legten üblicherweise fiktive Reden in die Münder ihrer Hauptpersonen, auch um ihr eigenes Verständnis der Ereignisse ans Publikum zu transportieren.
Ursachen des Aufstandes
Tacitus und Cassius Dio nennen unterschiedliche Gründe, warum britannische Stämme sich unter der Führung Boudiccas gegen die Römer erhoben. Auf der Basis der antiken Quellen haben Historiker weitere Ursachen für den Aufstand erschlossen.
Demütigung der Icener
In Tacitus’ Annales wird die Demütigung des Stammes der Icener und der königlichen Familie als Auslöser für den Aufstand in den Vordergrund gestellt: Die von Tacitus erwähnten Icener lebten im Norden des heutigen East Anglia, wie man aus Münzfunden heute weiß. Historiker gehen davon aus, dass Prasutagus um 43 n. Chr. als Klientelkönig der Icener von den Römern eingesetzt wurde und bis zu seinem Tod 60 n. Chr. im Einvernehmen mit den Römern regierte. Tacitus zufolge hinterließ Prasutagus ein Testament, in dem er festlegte, dass sein Königreich zu gleichen Teilen seinen beiden Töchtern und dem römischen Kaiser Nero vererbt werden sollte. Laut Tacitus hoffte Prasutagus, dadurch den Fortbestand seines Reiches sicherzustellen und seine Familie vor Übergriffen der Römer schützen zu können. Die Römer unter der Führung des Prokurators Catus Decianus zogen jedoch in das Land der Icener ein und behandelten das Reich des bisherigen Klientelkönigs von nun an als einen Teil der römischen Provinz. Wie Tacitus berichtet, wurden Teile der adeligen Schicht der Icener ihrer Ländereien beraubt. Außerdem peitschten sie Prasutagus’ Witwe Boudicca aus und vergewaltigten ihre zwei Töchter.
Die Archäologin Miranda Aldhouse-Green betont, dass die Römer unter dem befehlshabenden Prokurator Decianus Catus durchaus das Recht hatten, nach dem Tod eines Klientelkönigs dessen Ländereien einzuziehen und in das römische Reich einzugliedern. Was jedoch nicht legal gewesen sei, war die brutale Behandlung der Icener sowie die Konfiszierung privaten Eigentums. Auch nach römischen Standards sei die Misshandlung Boudiccas und die Vergewaltigung ihrer Töchter ein Kriegsverbrechen. Hingley und Unwin vermuten, dass diese Behandlung einer Rom treuen aristokratischen Familie für Tacitus’ Leserschaft in Rom besonders schockierend gewesen sein dürfte.
Vertreibung und Provokation der Trinovanten
Zu den weiteren von Tacitus in den Annales genannten Ursachen für den Aufstand zählen die Vertreibung der Trinovanten aus ihrer Hauptstadt Camulodunum, dem heutigen Colchester, um dort im Auftrag des römischen Kaisers Claudius eine Veteranenkolonie für ehemalige Legionäre zu errichten. Diese sollte dem Erhalt des römischen Einflusses in der Stadt dienen, nachdem die ursprünglich dort stationierte Legio XX zur Bekämpfung der Silurer nach Westen verlegt worden war. Tacitus beschreibt das konfiszierte Land als agri captivi (deutsch „erobertes Land“). So war es den Römern erlaubt, Land der Trinovanten um Camulodunum für Veteranen einzuziehen.
Der Archäologe Paul Sealey weist in diesem Zusammenhang auf Ausgrabungen im Graben der römischen Festung in Colchester hin. Dort wurden sechs Schädel gefunden, die schwere, vermutlich durch Waffen verursachte Verletzungen aufweisen, was auf eine rohe Behandlung der einheimischen Bevölkerung durch die Römer hindeute.
Eine zusätzliche Provokation für die Trinovanten war der Baubeginn eines Tempels in Camulodunum zu Ehren des 54 n. Chr. verstorbenen und vom römischen Senat konsekrierten Claudius. Die Trinovanten warfen den Priestern des Tempels vor, das Vermögen des Landes zu vergeuden. Tacitus schreibt, dass die Trinovanten den Tempel als „Hauptsitz ewiger Tyrannei“ (lateinisch arx aeternae dominationis) ansahen.
Rückforderung von Krediten
Cassius Dio erwähnt weder die Misshandlung der königlichen Familie der Icener noch die Provokation der Trinovanten. Stattdessen nennt er als einen Auslöser für den Aufstand eine plötzliche Rückforderung hoher Kredite durch römische Gläubiger, zu denen auch der Philosoph Seneca gehörte. Dio zufolge habe dieser bei seinem Kredit eine Verzinsung von 40 Millionen Sesterzen erwartet. Dies entspricht dem Gegenwert von fast drei Tonnen Gold. Gleichzeitig habe der Prokurator Catus Decianus das Geld zurückgefordert, das Kaiser Claudius nach der Eroberung Britanniens der britannischen Oberschicht zur Verfügung gestellt hatte. Cassius Dio zufolge habe Decianus behauptet, dieses Geld sei nur ein Darlehen gewesen und müsse zurückgezahlt werden – ob dies den Tatsachen entsprach, erklärt Dio nicht.
Die Rückforderung von Krediten durch Seneca und durch den kaiserlichen Prokurator könnte die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den Einheimischen und der noch relativ jungen römischen Provinzialverwaltung verschärft und damit ebenfalls zur Eskalation des Konfliktes beigetragen haben. Die finanziellen Forderungen des Catus Decianus an die britannische Oberschicht könnten auf die gestiegenen Staatsausgaben unter Kaiser Nero zurückzuführen sein – ob sie nun berechtigt waren oder nicht. Um die Berichte von Tacitus und Dio über die Auslöser des Boudicca-Aufstands in Einklang zu bringen, erwägt Christoph M. Bulst, dass Decianus' rücksichtslose Methoden, die geforderten Gelder wieder zurückzuerhalten, zu der Vertreibung der reichen Icener von ihren Gütern geführt hätten, die Tacitus erwähnt. Dieser habe die berechtigten römischen Geldforderungen nicht erwähnt, sondern nur das brutale Vorgehen bei der Eintreibung, weil es ihm im Rahmen seiner Darstellung speziell darum ging, die moralischen Verfehlungen auf römischer Seite zu benennen.
Einfluss der Druiden
Einige Historiker halten es für keinen Zufall, dass kurz vor dem Boudicca-Aufstand das Heiligtum auf der Insel Mona (heute Anglesey), ein wichtiger Rückzugsort für britannische Aufständische und zentraler Ort der druidischen Religion, von den Römern angegriffen und zerstört wurde. Auch wenn die Quellen dazu nichts Konkretes aussagen, könnten die antirömisch eingestellten Druiden ihren politischen Einfluss unter den Britanniern ausgenutzt haben, um die Angehörigen anderer Stämme zur Teilnahme an Boudiccas Aufstand zu bewegen. Zumindest dürften, so weitere Forscher, Protestbewegungen wie der Boudicca-Aufstand ermutigt worden sein, weil sie sich vom druidischen Klerus unterstützt fühlten.
Andere Historiker weisen jedoch darauf hin, dass der Einfluss der Druiden auf die britannische Gesellschaft ungeklärt ist. Die Druiden hatten im 1. Jahrhundert bereits einigen Einfluss verloren und waren möglicherweise gar nicht mehr in der Lage, die Britannier zu einem größeren Aufstand zu vereinen. Umgekehrt könnte das römische Vorgehen gegen die Druiden in Tacitus’ Bericht nämlich auch schlicht besonders hervorgehoben worden sein, weil es das römische Vorgehen gegen den Aberglauben und die wilden Gebräuche der Briten veranschaulichen konnte und somit die Schilderung des Boudicca-Aufstandes ergänzt. In diesem Fall ließe sich die breite Schilderung der Ereignisse auf Mona in Tacitus’ Annalen durch die literarische Komposition des Geschichtswerkes erklären und müsste nicht zwangsläufig auf eine tatsächliche enge Verbindung der beiden Kampfhandlungen hindeuten.
Antirömische Einstellungen
Laut Tacitus hinterließ Prasutagus ein Testament, in dem er seine beiden Töchter und den damaligen römischen Kaiser Nero zu gleichen Teilen zu seinen Erben machte. Einige Forscher wie Christoph Meinhard Bulst und Miranda Aldhouse-Green weisen auf die auffällige Tatsache hin, dass Boudicca in diesem Testament nicht als Nachfolgerin erwähnt wird. Sie vermuten daher, dass Prasutagus und Boudicca unterschiedliche Einstellungen der römischen Besatzung gegenüber hatten: Bei Prasutagus scheine eine prorömische Einstellung vorgeherrscht zu haben, während Boudicca möglicherweise bereits eher antirömisch gesinnt gewesen sei. Eine Parallele zu dieser Konstellation bietet ein anderes keltisches Königspaar in Britannien, das ebenfalls mit seiner Einstellung zur römischen Besatzungsmacht geteilter Meinung war: Cartimandua, die Königin des Stammes der Briganten, war wohl eine Rom freundlich gesonnene Klientelkönigin, während ihr Ehemann Venutius und Teile des Stammes antirömisch eingestellt waren, so Tacitus in seinen Historiae.
Zeit und Umfang des Aufstands
Zeitliche Einordnung
Obwohl Tacitus ausschließlich über das Jahr 61 schreibt, denken die meisten Historiker heute, dass Boudicca die Stämme im Spätjahr 60 zum Aufstand aufrief und dieser bis ins folgende Jahr 61 andauerte. Die Datierung des Aufstandbeginns auf das Jahr 60 wurde erstmals von J. Asbach 1878 vorgebracht und auch vom Historiker Sir Ronald Syme in seinem Werk Tacitus von 1958 vertreten. Symes Hauptargument war, dass die Ereignisse vom Ausbruch des Aufstands bis zur Ablösung Suetonius Paulinus zu lange dauerten, um in ein Jahr zu passen. Spätere Historiker akzeptierten die frühe Datierung als plausibel.
Für die frühere Datierung spricht auch, dass die Demütigung Boudiccas und ihres Stammes nach dem Tod ihres Ehemannes wohl ein starker Auslöser für einen spontanen Aufstand gewesen sein muss. Der Moment war für die Icener und Trinovanten auch günstig: Das römische Lager in Saham Toney, das eigens zur Kontrolle der Icener erbaut worden war, hatten die Römer bereits zwei Jahre zuvor wieder verlassen, und der Großteil der römischen Armee befand sich weit entfernt im Kampf gegen die Druiden in Wales auf Mona (dem heutigen Anglesey).
Umfang des Aufstands
Die schriftlichen Quellen sind zum Umfang des Aufstands nicht eindeutig. Tacitus schreibt in den Annalen, dass sich Boudicas Aufstand die Icener, die benachbarten Trinovanten und kleine Teile anderer, nicht genannter Stämme anschlossen. In Agricola dagegen sagt er, dass sich die „gesamte Insel“ gegen die Römer erhob. Auch Cassius Dio nennt keine spezifischen britannischen Stämme wie die Icener oder Trinovanten, sondern erwähnt „ganz Britannien“. Die meisten historischen Darstellungen des Boudicca-Aufstands folgen Tacitus’ Darstellung in den Annalen und gehen von einem Aufstand der Icener und Trinovanten aus.
Der Archäologe Paul Sealey schreibt außerdem, dass die Icener vermutlich in größeren Massen auszogen, weil sie entschlossen waren, nach neuen Siedlungsgründen zu suchen, in welchen sie von den Römern unabhängig leben konnten. Dies erkläre auch, so Sealey, warum sie laut Tacitus vor der Revolte keine Saat mehr ausbrachten und ihre Frauen und Kinder mitnahmen.
Ablauf des Aufstands
Ablauf des Aufstands nach Tacitus’ Agricola
Tacitus’ Bericht in der Agricola fällt recht knapp aus: Tacitus schreibt lediglich, dass die Britannier die Abwesenheit des größeren Teils der römischen Truppen ausnutzten, die sich im Kampf auf der Insel Mona im heutigen Wales befanden. Unter der Führung von Boudicca erhoben sich die Britannier gegen die Römer, jagten die auf verschiedene Posten zerstreuten römischen Truppen, stürmten römische Forts und griffen die Veteranenkolonie in Camulodunum an. Der Aufstand hätte beinahe dazu geführt, so Tacitus, dass Britannien als Teil des römischen Imperiums verloren gegangen wäre, wäre nicht Suetonius Paulinus schnellstens von Mona zurückgekehrt und hätte mit einer einzigen Aktion die alte Ordnung wieder hergestellt.
Ablauf des Aufstands nach Tacitus’ Annalen
Die Beschreibung des Boudicca-Aufstands in Tacitus’ Annalen ist weit umfangreicher als sein Bericht in der Agricola, weshalb dieser Ablauf in vielen Geschichtsbüchern und literarischen und filmischen Verarbeitungen als maßgeblich verwendet wird. In den Annalen widerspricht Tacitus zum Teil seinem Bericht in der Agricola, so spricht er zum Beispiel hier davon, dass von Zivilisten bewohnte Siedlungen angegriffen wurden, während laut Agricola vor allem römische Truppen und ihre Forts attackiert wurden.
Die Zerstörung von Camulodunum, Londinium und Verulamium
Laut Tacitus zogen die Aufständischen zunächst in Richtung der Veteranenkolonie Camulodunum, dem damaligen Hauptsitz der römischen Besatzungsmacht. Diese Kolonie hatte keinen Verteidigungswall und nur eine kleine Garnison zur Verteidigung und bat daher den Prokurator Catus Decianus um Unterstützung. Dieser schickte jedoch nur 200 schlecht bewaffnete Soldaten, die von den Aufständischen schnell besiegt wurden. Die Einwohner von Camulodunum unterschätzten die Gefahr und trafen keine Schutzmaßnahmen, so hatte die Kolonie keinen Schutzwall, auch wurden Frauen und Alte nicht fortgeschickt. Die Kolonie wurde von den Truppen der Britannier eingeschlossen und dann mit Ausnahme des Tempels komplett gestürmt, geplündert oder in Brand gesteckt. Im Tempel hatten die römischen Soldaten Schutz gesucht, aber dieser wurde nach zwei Tagen ebenfalls eingenommen, so Tacitus in den Annalen.
Der Legat Quintus Petillius Cerialis stellte sich den Britanniern mit der Legio VIIII Hispana bei Camulodunum entgegen, konnte die Übermacht der Britannier aber ebenfalls nicht aufhalten. Seine Fußtruppen wurden aufgerieben, mit der Reiterei musste Cerialis sich in ein befestigtes Lager zurückziehen. Nach dieser Katastrophe floh der Prokurator Decianus entsetzt nach Gallien.
Nach der Zerstörung Camulodunums zogen die Britannier weiter Richtung Londinium, dem heutigen London, damals eine aufstrebende Siedlung aus Römern und romanisierten Briten, die vor allem von Handel und Handwerk lebte. Tacitus schreibt in seinen Annalen, dass der römische Feldherr und Statthalter Britanniens, Gaius Suetonius Paulinus, daraufhin seinen in Mona stationierten Legionen befahl, nach Londinium zu marschieren, während er selbst ihnen vorauseilte. In Londinium jedoch erkannte er, dass eine Verteidigung der Stadt mit den verfügbaren Mitteln nicht möglich war und zog wieder ab. Die Einwohner Londiniums durften mit den Truppen des Paulinus mitziehen; Bewohner, die die Siedlung nicht verlassen konnten oder wollten, blieben zurück. Die Aufständischen nahmen so Londinium ebenfalls ein, töteten die zurückgebliebenen Einwohner und brandschatzten die Stadt.
Boudiccas Truppe zog danach entlang der Watling Street weiter bis nach Verulamium, das von dem mit Rom verbündeten Stamm der Catuvellaunen bewohnt wurde. Auch Verulamium wurde geplündert und gebrandschatzt. Insgesamt wurden laut Tacitus ungefähr 70.000 römische Bürger und mit Rom verbündete Britannier durch Boudiccas Armee getötet.
Die Schlacht an der Watling Street
gegen die Römer
Schematische Darstellung der Schlacht
Datum | 61 n. Chr. |
---|---|
Ort | unbekannt (eventuell Manduessedum an der Watling Street) |
Ausgang | Sieg der Römer |
Konfliktparteien | |
---|---|
Britannier |
Römisches Reich |
Befehlshaber | |
Boudicca |
Suetonius Paulinus |
Truppenstärke | |
angeblich über 80.000 |
10.000 |
Verluste | |
angeblich 80.000 |
400 Getötete, 400 Verletzte |
Die Schlacht zwischen Suetonius Paulinus und Boudiccas Armee der Aufständischen wird ausführlich in Tacitus’ Annalen beschrieben. Der genaue Ort der damaligen Schlacht wurde bisher noch nicht lokalisiert; Tacitus macht dazu keine genauen Angaben. Einer der am häufigsten vorgebrachten Vorschläge lautet, dass die beiden Streitmächte auf der Watling Street, die London mit dem Nordwesten verbindet, entlang zogen und in der Nähe des heutigen Atherstone oder Mancetter (damals Manduessedum) aufeinander trafen.
Suetonius Paulinus standen etwa 10.000 Mann – bestehend aus der Legio XIIII Gemina, Vexillationen der Legio XX Valeria Victrix sowie Auxiliartruppen – zur Verfügung. Von der Legio II Augusta in Exeter unter dem Praefectus castrorum Poenius Postumus hatte Suetonius keine Unterstützung erhalten, da dieser sich weigerte, sich mit Suetonius’ Streitkräften zu verbinden. Suetonius Paulinus wählte laut Tacitus als Kampfplatz eine durch eine Schlucht begrenzte Ebene mit Wald im Hintergrund, so dass er die Feinde auf einer offenen Ebene vor sich hatte und keinen Hinterhalt befürchten musste. Die Legionssoldaten wurden in dichten Reihen aufgestellt, auf beiden Seiten die Hilfstruppen und auf den äußersten Flügeln die Reiterei. Tacitus schreibt, dass die Britannier in ungeordneten Haufen umherliefen. Außerdem, so behauptet Tacitus, hätten sie voller Siegeszuversicht ihre Frauen mitgebracht, die auf Wagen am äußersten Rand der Ebene saßen.
Nach den Reden, die die beiden Heerführer Boudicca und Suetonius laut Tacitus an ihre Heere gehalten hatten, begann die Schlacht. Die Legion blieb zu Beginn unbeweglich in der Deckung der Schlucht stehen und ließ den Gegner in Reichweite für ihre Wurfspieße kommen. Nachdem sie dann auf die ungeordnet anrückenden Britannier ihre Wurfspieße verschossen hatte, rückte sie in der Form eines Keils in Richtung der Britannier vor. Auch die Hilfstruppen und die Reiterei gingen nun vor und die Britannier konnten nicht mehr standhalten. Sie wandten sich zur Flucht, doch war ein Entkommen schwierig, da die Fluchtwege von den umherstehenden eigenen Wagen versperrt wurden. So wurden die Fliehenden samt ihren Frauen von den Römern niedergemetzelt. Tacitus berichtet von Verlusten in Höhe von 80.000 Personen auf britannischer Seite, gegenüber 400 Toten und ebenso wenig Verletzten auf römischer Seite. Historiker halten die Zahlenangaben für übertrieben, nehmen aber an, dass die Römer tatsächlich trotz einer zahlenmäßigen Unterlegenheit Boudiccas Streitkräfte besiegten. Ergebnisse aus der experimentellen Archäologie deuten auch darauf hin, dass die Britannier mit ihren Streitwagen der gut ausgebildeten und erfahrenen Kavallerie der Römer nicht gewachsen waren.
Tacitus berichtet, dass Boudicca sich daraufhin durch Gift das Leben nahm.
Ablauf des Aufstands nach Cassius Dio
Die Zerstörung römischer Siedlungen
Cassius Dio berichtet wie Tacitus auch von mehreren römischen Siedlungen, die von den Britanniern angegriffen wurden, und von einer Schlacht mit Suetonius Paulinus, in der die Britannier schließlich geschlagen und der Aufstand beendet wurde. In Details weicht Cassius Dios Bericht jedoch von dem von Tacitus ab.
Cassius Dio verweist wie Tacitus darauf, dass die Britannier für ihren Aufstand die Tatsache nutzten, dass Suetonius Paulinus mit seinen Truppen auf Mona war. Laut Cassius Dio erhob sich die gesamte Insel unter der Führung von Boudicca, die zu Beginn des Aufstands eine Armee von 120.000 Menschen hinter sich versammelte. Während des Aufstands, so Cassius Dio, wurden zwei römische Städte gebrandschatzt und ihre Einwohner ermordet. Cassius Dio nennt im Gegensatz zu Tacitus nur zwei nicht näher bezeichnete Orte, nicht drei, wie bei Tacitus in den Annalen. Es ist möglich, dass Cassius Dio Londinium, das damals nur eine kleine Ansiedlung ohne seine spätere Bedeutung als große Handels- und Hauptstadt Englands war, nicht als römische „Stadt“ (πολεισ, ‚poleis‘) betrachtete.
Kennzeichnend für Cassius Dios Bericht ist die ausführliche Schilderung der Brutalität, mit der die Britannier vorgegangen sein sollen: So sollen sie unter anderem die vornehmsten unter den römischen Frauen nackt aufgehängt haben, ihre Brüste abgeschnitten und in ihre Münder genäht haben, so dass es aussah, als ob die Opfer ihre Brüste äßen. Anschließend sollen die Opfer auf scharfen Spießen aufgespießt worden sein. Diese Grausamkeiten wurden begleitet, so Cassius Dio, durch Festmähler und Opfergaben, unter anderem im Hain der Göttin Andate. Es ist nicht feststellbar, wie wahrheitsgetreu die Schilderung der Vorgänge an dieser Stelle ist, auf jeden Fall verwendet Cassius Dio hier das Standardklischee der barbarischen Britannier.
Suetonius Paulinus zögerte laut Cassius Dio zunächst, einen Konflikt mit den Britanniern zu riskieren, und wollte eine offene Auseinandersetzung auf eine bessere Jahreszeit verschieben. Als seinen Truppen jedoch die Lebensmittel ausgingen und die Britannier ihn immer weiter unter Druck setzten, trat er doch zu einer Schlacht an.
Die Schlacht zwischen römischer und britannischer Armee
In der Schlacht standen Suetonius Paulinus und seine römischen Truppen laut Cassius Dio einer britannischen Streitkraft von inzwischen 230.000 Männern gegenüber. Die römischen Truppen waren zahlenmäßig so unterlegen, dass es für Suetonius Paulinus nicht möglich war, seine Linien ganz weit auseinanderzuziehen, weil selbst dann die Truppenstärke nicht ausgereicht hätte, um den Britannien gegenüberzutreten. Auch wollte er den Britanniern nicht als eine kompakt aufgestellte Truppe begegnen, weil er fürchtete, dann umzingelt zu werden. Also teilte er seine Armee in drei Unterabteilungen, um an verschiedenen Stellen gleichzeitig kämpfen zu können.
Wie in Tacitus’ Annalen gibt auch Cassius Dio die (vermutlich fiktiven) Reden von Suetonius Paulinus und Boudicca an ihre Armeen wieder. Nach den Reden begann die Schlacht. Zunächst näherten die beiden Armeen sich langsam einander, aber dann stürzten die Römer nach einem Signal mit voller Geschwindigkeit nach vorne. Als die Armeen aufeinander trafen, konnten die Römer die Ränge der Britannier aufbrechen, aber sie waren danach schnell umzingelt und mussten überall weiterkämpfen. Cassius Dio beschreibt, wie Britannier und Römer im Zweikampf und in Gruppen gegeneinander kämpften, so zum Beispiel leicht und schwer bewaffnete Truppen oder die Reiterei gegeneinander. Britannier in Streitwagen überfuhren römische Soldaten, während sie umgekehrt insbesondere von den Bogenschützen der Römer zurückgedrängt wurden, denn die Fahrer der Streitwagen waren ohne Brustplatten ausgestattet. Im Kampf gewann schließlich die römische Armee die Oberhand, und sie konnten viele Britannier im Kampf töten oder gefangen nehmen.
Nicht wenigen der Britannier gelang die Flucht, und sie bereiteten einen weiteren Kampf vor. In der Zwischenzeit war jedoch Boudicca erkrankt und starb. Nachdem die Britannier sie begraben hatten, hatten sie nun den Eindruck, dass sie wirklich besiegt seien, und zerstreuten sich.
Folgen des Aufstandes
Das Ende des Aufstands hat Tacitus in der Agricola so zusammengefasst: „Der glückliche Ausgang einer einzigen Schlacht brachte die Provinz in ihre alte Unterwürfigkeit.“ Unklar ist, wie groß die Chancen Boudiccas und ihrer Truppen tatsächlich waren, die Römer entscheidend zu schlagen und damit die Geschichte der Eroberung Britanniens in völlig neue Bahnen zu lenken. Der Archäologe Graham Webster schreibt, dass der gescheiterte Boudicca-Aufstand wohl ein Wendepunkt für viele Britannier war, denn bis dahin gab es noch die reale Möglichkeit, dass die Römer von der vollständigen Eroberung Britanniens Abstand nehmen. Diese Hoffnung war mit dem Sieg über Boudiccas Armee zunichtegemacht.
Im Anschluss an den Aufstand wurde das Heer der Römer zusammengezogen und durch zusätzliche Truppen verstärkt. Feindlich gesinnte britannische Stämme und Stämme, die während des Aufstands keine eindeutige prorömische Partei ergriffen hatten, wurden von den Römern mit militärischer Gewalt und Brandschatzung verfolgt. Außerdem litten die britannischen Stämme unter einer großen Hungersnot, denn durch den Aufstand war niemand zurückgeblieben, um sich um die Getreideaussaat zu kümmern.
Poenius Postumus, der sich geweigert hatte, Suetonius Paulinus mit der Legio II zu unterstützen, stürzte sich nach dessen Sieg in sein eigenes Schwert, um so seine Ehre wiederzugewinnen. Suetonius galt nun unter den Römern zwar als Held, wurde aber für seine Vergeltungsaktionen gegen die Icener und Trinovanten auch stark kritisiert. Seine extrem harten Strafaktionen drohten die britische Insel in ein Chaos zu stürzen. Nero beauftragte deshalb seinen Freigelassenen Polyclitus mit der Untersuchung der Vorwürfe, worauf Suetonius Paulinus noch im selben Jahr durch Publius Petronius Turpilianus ersetzt wurde. Letzterer unternahm keine weiteren militärischen Aktionen gegen die Icener und die anderen aufständischen Stämme. Der Aufstand hatte derartig starke negative Auswirkungen auf die Moral und die Kampfstärke der römischen Truppen, dass für die nächsten zehn Jahre keine weiteren Eroberungsversuche in Britannien unternommen wurden. Der Biograf Sueton berichtet, dass die Ereignisse des Boudicca-Aufstandes Nero sogar zu der Überlegung veranlasst hätten, sich ganz aus Britannien zurückzuziehen.
Die Icener wurden nach dieser Auseinandersetzung mittels einer strengen militärischen Herrschaft kontrolliert, erhielten jedoch auf Veranlassung der Römer in den 80er Jahren des 1. Jahrhunderts erneut eine autonome Regierung. Die zurückhaltende Politik der Römer (vor allem unter Marcus Trebellius Maximus, 63–69) dauerte bis 71 an, als Quintus Petilius Cerialis – der selber beinahe sein Leben im Boudicca-Aufstand verloren hatte – zum neuen Statthalter von Britannien ernannt wurde und die Eroberungsfeldzüge in den Westen und Norden Britanniens wieder aufnahm.
Archäologische Funde und Forschungsgeschichte
Anfang des 20. Jahrhunderts begann eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Boudiccas Aufstand. Durch archäologische Ausgrabungen in Colchester, London und St. Albans konnten die Aussagen der schriftlichen Quellen durch archäologische Funde ergänzt werden. Insbesondere in archäologischen Forschungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden archäologische Funde häufig vorschnell dem Boudicca-Aufstand zugeordnet. Diese Zuordnung ist in Teilen später revidiert worden.
Archäologische Indizien für Brände in Colchester, London und St Albans
Einer der wesentlichen archäologischen Funde, der die Aussagen zum Boudicca-Aufstand in den schriftlichen Quellen untermauert, ist der sogenannte Boudican destruction horizon (dt. ‚Zerstörungshorizont Boudiccas‘): Ausgrabungen im heutigen Colchester förderten eine Schicht verbrannten Materials hervor, dessen Dicke zwischen wenigen Zentimetern bis (selten) zu einem Meter schwankt. Ein großer Teil des Zerstörungshorizonts besteht aus verbrannten Flechtwerkwänden mit Lehmputz, der normalerweise wieder zu weichem Lehm wird, aber hier als feste Substanz, vergleichbar mit Töpferware, überdauerte. Dies und geschmolzenes Glas deuten auf höhere Temperaturen hin, wie sie während eines Brandinfernos entstehen. Der Zerstörungshorizont ist für Archäologen ein Indiz, dass die damaligen römischen Siedlungen tatsächlich wie in den antiken Quellen beschrieben niedergebrannt wurden.
Einige Ausgrabungen in Colchester (in den Ausgrabungsstätten St Mary’s und Head Street) liefern darüber hinaus Indizien, dass systematisch Feuer gelegt wurde. In Colchester wurden im Zerstörungshorizont ferner Keramikscherben von römischem Tafelgeschirr (Terra Sigillata) aus Südgallien und einige römische Münzen aus der Zeit Aggrippas und Claudius’ gefunden, die eine Datierung des Zerstörungshorizonts auf die Jahre 60/61 plausibel machen.
Auch für die Zerstörung von Londinium und Verulamium liegen inzwischen Indizien in Form von archäologischen Funden vor. So wurde ein mit Colchester vergleichbarer Zerstörungshorizont in Ausgrabungsstätten in London gefunden, der zwischen 30 und 60 cm dick ist, unter anderem bei St Within’s House westlich vom Walbrook und in Aldgate. In London wurden ferner eine Reihe von Fundstellen mit schwarz gebrannter Terra Sigillata identifiziert. In einer Ausgrabung in der Nähe der Lloyd’s Bank wurde außerdem ein Hort mit 17 von Feuer beschädigten Münzen aus der Zeit des Kaisers Claudius gefunden. Insgesamt konzentrieren sich die Funde auf Stellen nahe der Themse bei der heutigen London Bridge sowie auf einen Hügel östlich vom damaligen Fluss Walbrook. Die Ausgrabungen zeigen, dass von der damaligen Siedlung Londinium vermutlich nur wenige Gebäude die Brandschatzung überstanden haben.
Die Ausgrabungen in St Albans liefern weniger eindeutige Ergebnisse zum Schicksal von Verulamium, denn bisher wurden wenig Hinweise für einen umfangreichen Brand in der Siedlung für die relevante Zeit um 60/61 gefunden. Die mangelnden Nachweise für einen flächendeckenden Brand könnten damit erklärt werden, dass Verulamium entweder eine wesentlich kleinere Siedlung war als Camulodunum und Londinium oder die Zerstörung in Verulamium war weniger umfassend als in den beiden anderen Siedlungen.
Vor allem die Zerstörungshorizonte in Colchester und London liefern neben einem Nachweis für die Historizität des Boudicca-Aufstands, wie er bei Tacitus und Cassius Dio beschrieben wurde, auch detaillierte Einblicke in das tägliche Leben und den Handel im römischen Britannien des späten ersten Jahrhunderts. So hat man im Zerstörungshorizont von Colchester unter anderem die verkohlten Überreste von Datteln, Linsen und nicht-einheimischem Getreide, dem Einkorn, sowie eine einzelne Pflaume gefunden. Bemerkenswert sind auch die Überreste von mehreren Textilmatratzen, die in Colchester ausgegraben wurden, alles organisches Material, das ohne ein Feuer nicht erhalten geblieben wäre. Funde feiner Keramik und Amphoren für Olivenöl und Wein im Zerstörungshorizont in London sind ferner Indizien, dass im 1. Jahrhundert in Londinium erheblicher Handel mit dem europäischen Kontinent betrieben wurde.
Die Ausgrabungsgeschichte zum römischen Britannien durchlief seit Beginn des 20. Jahrhunderts einen Wandel: Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Indizien für Brände aus der Römerzeit häufig vorschnell dem Boudicca-Aufstand zugeordnet wurden, betrachtet die Forschung solche Indizien inzwischen differenzierter und hat auch Belege für Feuer aus der Römerzeit gefunden, die früher oder später als der Boudicca-Aufstand datiert werden müssen. Inzwischen ist es Standard, dass es für eine Zuordnung eines archäologischen Fundes zum Boudicca-Aufstand nicht ausreicht, einige wenige Brandstellen zu finden, sondern Indizien für Brände müssen sich über größere Flächen erstrecken und der zugehörige Zerstörungshorizont muss datierbare Keramik und Münzen enthalten.
Auch im 21. Jahrhundert werden weiterhin Ausgrabungen durchgeführt und bemerkenswerte Funde gemacht. Ein besonders kostbarer Fund ist der Fenwick-Hort: Gold- und Silberschmuck, der in der High Street in Colchester unterhalb eines Geschäftshauses ausgegraben wurde. Der Hort wurde in einem kleinen Grube unterhalb der Reste eines Hauses gefunden, das bis auf die Grundmauern abgebrannt wurde; eine Zuordnung zum Boudicca-Aufstand erscheint den beteiligten Archäologen wahrscheinlich.
Grabsteine in Colchester
Bei Ausgrabungen in Colchester wurden zwei Grabsteine auf dem Friedhof entlang der Südseite der Straße in Richtung in London gefunden, die lange als Belege für den Boudicca-Aufstand gewertet wurden: der Grabstein des Offiziers Longinus aus dem ersten thrakischen Kavallerieregiment, Ala I Thracum, und das Grabmal des Centurio Marcus Favonius Facilis aus der Legio XX Valeria Victrix. Beide Grabsteine waren umgestürzt, in mehrere Teile zerbrochen und lagen mit der Schauseite auf dem Boden. Ihr relativ guter Erhaltungszustand auf der Schauseite spricht dafür, so die Forschung, dass sie schon kurz nach ihrer Errichtung umgestürzt und damit vor Verwitterung geschützt waren. Der Grabstein des Offiziers Longinus stellt einen berittenen Soldaten dar, unterhalb des Pferdes kriecht ein besiegter und nackter Britannier auf seinem Schild.
Der Grabstein des Longinus, der 1928 bereits in Colchester ausgegraben wurde, erreichte eine gewissen Berühmtheit in der Archäologie, denn ihm fehlten bei seiner Entdeckung durch Bauarbeiter das Gesicht des Reiters und die Nase des Pferdes. Damalige Archäologen haben den Fund des Grabsteins so interpretiert, dass die britannischen Aufständischen von der Darstellung römischer Macht auf dem Grabstein so erzürnt waren, dass sie Gesicht des Longinus und die Nase des Pferdes zuerst beschädigt und dann den Grabstein umgestürzt haben. Diese Interpretation musste inzwischen teilweise revidiert werden, denn bei erneuten archäologischen Arbeiten 1996 wurden weitere Steinsplitter vom Grabstein gefunden, darunter auch das fehlende Gesicht des Longinus. Es ist damit wahrscheinlich, dass die Oberfläche des Grabsteins nicht von den aufständischen Britanniern beschädigt wurde, sondern 1928 versehentlich von den Arbeitern, die den Stein zuerst entdeckt haben und bergen wollten. Es bleibt noch die Möglichkeit, dass die britannischen Aufständischen die beiden Grabsteine zumindest umgestürzt haben, aber die beiden Grabsteine könnten auch völlig ohne Bezug zum Boudicca-Aufstand sein.
Bronzekopf des Kaisers Claudius
Einer der spektakulärsten Funde im Zusammenhang mit dem Boudicca-Aufstand sind ein lebensgroßer Bronzekopf und ein Teil eines Pferdebeins, beides möglicherweise Teile einer Reiterstatue des römischen Kaisers Claudius. Der Kopf wurde 1907 im Fluss Alde bei Rendham in der Nähe von Saxmundham in Suffolk gefunden. Metallurgische Untersuchungen ergaben, dass Kopf und Pferdebein sehr wahrscheinlich Teil derselben Statue waren. Außerdem wurde die leichte Neigung des Kopfes des Claudius nach hinten als Beleg dafür gewertet, dass der Kopf von einer Reiterstatue stammen müsste. Die ungleichmäßigen Ränder am Hals deuten auf eine gewaltsame Abtrennung des Kopfes vom Rest der Statue.
Der Archäologe George MacDonald argumentierte 1926 in einem einflussreichen Aufsatz im Journal of Roman Studies, dass diese Fundstücke mit dem Boudicca-Aufstand in Zusammenhang stehen müssten. Aufgrund dieser These wurden die Funde lange so interpretiert, dass eine Reiterstatue des Claudius im Tempel von Camulodunum von den Aufständischen in Teile zerschlagen und Teile wie der Kopf als Trophäen mitgenommen wurden. Später, als die römische Armee sich für den Boudicca-Aufstand rächte, wurde dieser Kopf in Panik im Fluss entsorgt, so die Theorie. Dass der Kopf tatsächlich aus dem Tempel in Camulodunum stammt, wird auch heute noch von vielen Archäologen akzeptiert, wurde jedoch auch in Frage gestellt: Dagegen spräche, so einige Forscher, dass eine solche Statue überlebensgroß gewesen sein müsse und eine bessere handwerkliche Qualität haben müsste als die gefundenen Überreste. Andere Forscher haben sogar hinterfragt, ob der Kopf tatsächlich Claudius und nicht vielmehr Nero darstellen könnte und ob diese Statue tatsächlich im Tempel in Camulodunum aufgestellt war. Trotz dieser offenen Fragen halten auch diese Forscher es für wahrscheinlich, dass die zugehörige Statue während des Boudicca-Aufstands umgestürzt und geköpft worden sei.
Metall- und Münzhorte
In East Anglia, dem Siedlungsgebiet der Icener und Trinovanten, wurden eine Reihe von Schatzfunden gemacht, die sich auf das erste Jahrhundert datieren lassen und die Forscher in Zusammenhang mit dem Boudicca-Aufstand gebracht haben. Besonders bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der sogenannte Hockwold-Hort, der 1962 in der Nähe von Hockwold Fen bei einer alten Straße geborgen wurde und aus fünf silbernen, kunstvoll gearbeiteten Trinkgefäßen besteht. Der Hockwold-Hort kann auf ein Herstellungsdatum zwischen 100 vor und 50 unsere Zeitrechnung datiert werden. Auch wenn der Hort zu einem früheren Zeitpunkt vergraben worden mag, halten Archäologen den Boudicca-Aufstand für einen denkbaren Anlass, zu dem der Silberschatz zunächst erbeutet und schließlich vergraben wurde.
In Norfolk, dem Siedlungsgebiet der Icener, wurden außerdem eine Vielzahl von Münzhorten gefunden. Zumindest einige dieser Horte, so die archäologische Forschung, könnte von Icenern vergraben worden sein, als sie auf der Flucht vor römischen Rachefeldzügen waren. Auffällig ist der Unterschied zu Suffolk und Essex, wo eine entsprechende Zahl von Funden fehlt. Hier wird vermutet, dass die Trinovanten, deren Siedlungsgebiet Suffolk ist, möglicherweise weniger in den Aufstand gegen die Römer involviert waren als die Icener.
Der Zusammenhang zwischen dem Boudicca-Aufstand und Metall- und Münzhorten wird in der Archäologie kontrovers diskutiert. Im Gegensatz zu Holz, das sich mit dendrochronologischen Methoden genau datieren lässt, gibt es keine Methoden, um das Alter eines Metallfundes auf ein Jahr genau festzulegen, was es prinzipiell schwierig macht, Metallfunde historisch exakt einzuordnen. Während einige Archäologen die Funde mit dem Boudicca-Aufstand in Verbindung bringen, argumentieren andere Archäologen, dass Münzen und wertvolle Metallgegenstände auch aus religiösen Gründen hätten vergraben werden können.
Weitere Funde
Auch für den Einsatz der Legio VIIII Hispana gibt es möglicherweise archäologische Belege: Der Archäologe Sheppard Frere vermutet, dass es sich bei einer bei Longthorpe ausgegrabenen Befestigung um ihr Lager handeln könne.
Rezeption
Boudicca und der Boudicca-Aufstand sind seit der Wiederentdeckung der antiken Quellen in der Renaissance beliebte Motive in Literatur und Kunst, ab dem 20. Jahrhundert auch in Film und Fernsehen. Ein Beispiel für eine literarische Verarbeitung des Boudicca-Aufstands ist die Ode des englischen Dichters William Cowper von 1782, Boadicea: An Ode. Besonders bekannt ist die künstlerische Darstellung der Boudicca als Teil der Statuengruppe von Thomas Thornycroft aus dem Jahr 1902, die auf dem Thames Embankment in London aufgestellt ist.
Auch in Filmen und Fernsehsendungen ist Boudiccas Aufstand verarbeitet, so im Film Boudica von 2003 mit Alex Kingston in der Hauptrolle. Auch in TV-Dokumentationen wie in der BBC-Fernsehserie In Search of the Dark Ages aus den Jahren 1978–1981 und in der Serie Terra X im deutschen Fernsehen wird der Boudicca-Aufstand ausführlich thematisiert.
Im Jahr 2023 produzierte der WDR eine Hörspiel-Serie mit acht Folgen, in denen die Vorgeschichte des Boudicca-Aufstandes und die finale Schlacht erzählt werden.
In der Forschung wurden ferner Vergleiche zwischen dem Boudicca-Aufstand und anderen Revolten der Bevölkerung aus dieser Zeit gegen die römische Besatzung gezogen, zum Beispiel die Varusschlacht unter Arminius in Germanien sowie die Aufstände gegen die Römer durch Vercingetorix in Gallien, Caratacus in Britannien und Viriathus in Iberien.
Siehe auch
Quellen
- Cassius Dio: Römische Geschichte. Übersetzt von Otto Veh, Band 3 (= Bücher 44–50), 4 (= Bücher 51–60), 5 (= Bücher 61–80), Artemis-Verlag, Zürich 1986–1987, ISBN 3-7608-3672-0, ISBN 3-7608-3673-9 und ISBN 3-7608-3675-5. (englische Übersetzung online, relevant für Boudicca ist Buch 62,1–12)
- Tacitus: Annalen. Lateinisch/deutsch herausgegeben von Erich Heller, 5. Auflage. Artemis & Winkler, München/Zürich 2005, ISBN 3-7608-1645-2. (lateinischer Text online, für Boudicca relevant ist Buch 14,29–39)
- Tacitus: Agricola. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort hg. von Robert Feger (RUB 836). Reclam, Stuttgart 1973 (englische Übersetzung online, relevant für Boudicca sind die Kapitel 14 bis 16).
Literatur
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- Donald R. Dudley, Graham Webster: The Rebellion of Boudica. Routledge & Kegan Paul, London 1962.
- Stephen L. Dyson: Native Revolts in the Roman Empire. In: Historia. Band 20, Heft 2/3, 1971, S. 239–274.
- Caitlin C. Gillespie: Boudica. Warrior Woman of Roman Britain. Oxford University Press, Oxford/New York 2018, ISBN 978-0-19-060907-8.
- Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9.
- Erich Koestermann (Komm.): Cornelius Tacitus, Annalen. 4. Band. Winter, Heidelberg 1968.
- Paul R. Sealey: The Boudican Revolt against Rome (Shire Archaeology; Bd. 74). Shire Books, Prines Risborough 2004, ISBN 0-7478-0618-7.
- Graham Webster: Boudica: The British Revolt Against Rome AD 60. Revised Edition/Reprint. Routledge, Abingdon 1999, ISBN 0-415-22606-6.
Weblinks
- James Grout: Boudica, Teil der „Encyclopædia Romana“ (englisch)
Anmerkungen
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- ↑ Tacitus, Annales 14,31,1.
- ↑ Miranda Aldhouse-Green: Boudica Britannia. Taylor & Francis, London 2006, ISBN 978-1-4058-1100-2, S. 177–178.
- ↑ Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9, S. 47.
- ↑ Tacitus, Annales 14,31.
- ↑ Paul R. Sealey: The Boudican Revolt against Rome (Shire Archaeology; Bd. 74). Shire Books, Prines Risborough 2004, ISBN 0-7478-0618-7, S. 19.
- ↑ Tacitus, Annales 14,31.
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- ↑ Kai Brodersen: Das römische Britannien. Primus-Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-080-8, S. 99.
- ↑ Stephen L. Dyson: Native Revolts in the Roman Empire. In: Historia. Band 20, Heft 2/3, 1971, S. 239–274, hier S. 259; Mary F. Gyles: Effects of Roman Capital Investment in Britain under Nero. In: Dieselbe, Eugene Wood Davis (Hrsg.): Laudatores temporis acti. Studies in memory of Wallace Everett Caldwell (= The James Sprunt Studies in history and political science. Band 46). University of North Carolina Press, Chapel Hill 1964, S. 99–109.
- ↑ Christoph M. Bulst: The Revolt of Queen Boudicca in A.D. 60. In: Historia. Band 10, Heft 4, 1961, S. 496–509, hier S. 497.
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- ↑ Miranda Aldhouse-Green: Boudica Britannia. Taylor & Francis, London 2006, ISBN 978-1-4058-1100-2, S. 144–167.
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- ↑ Michael Roberts: The Revolt of Boudicca (Tacitus, Annals 14.29–39) and the Assertion of Libertas in Neronian Rome. In: American Journal of Philology. Band 109, Nummer 1, 1988, S. 118–132, hier S. 122.
- ↑ Christoph M. Bulst: The Revolt of Queen Boudicca in A.D. 60. In: Historia. Band 10, Heft 4, 1961, S. 496–509, hier S. 498; Miranda Aldhouse-Green: Boudica Britannia. Taylor & Francis, London 2006, ISBN 978-1-4058-1100-2, S. 87–88 und S. 126.
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- ↑ Tacitus, Agricola 16.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 62,7.
- ↑ Paul R. Sealey: The Boudican Revolt against Rome (Shire Archaeology; Bd. 74). Shire Books, Prines Risborough 2004, ISBN 0-7478-0618-7, S. 13.
- 1 2 Donald R. Dudley, Graham Webster: The Rebellion of Boudica. Routledge & Kegan Paul, London 1962, S. 44–46; Tacitus, Agricola 16.
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- ↑ Tacitus, Annales 14,43,3.
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- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 62,7. Cassius Dio nennt die Göttin an anderer Stelle (Kapitel 62,6,1) Andraste, vermutlich ein späterer Kopierfehler im Manuskript, siehe auch dazu: Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9, S. 229, Anmerkung 58.
- ↑ Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9, S. 56.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 62,8,1.
- ↑ Cassius Dio, Römische Geschichte 62,8.
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- ↑ Tacitus, Annales 14,38.
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- ↑ In der englischen Literatur wird Terra Sigillata in der Regel als Samian ware bezeichnet.
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- ↑ Graham Webster: Boudica: The British Revolt Against Rome AD 60, Revised Edition/Reprint. Routledge, Abingdon 1999, ISBN 0-415-22606-6, S. 74, Abbildung 14 (Datteln); Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9, S. 88; Paul R. Sealey: The Boudican Revolt against Rome (Shire Archaeology; Bd. 74). Shire Books, Prines Risborough 2004, ISBN 0-7478-0618-7, S. 23–24.
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- ↑ Boudicca. Die Keltenkriegerin - Infos und Hintergründe. 6. Oktober 2023, abgerufen am 6. Oktober 2023.
- ↑ Richard Hingley, Christina Unwin: Boudica. Iron Age Warrior Queen. Hambledon Continuum, London 2005, ISBN 1-85285-516-9, S. XVI.