Die Überschussreserve ist im Bankwesen dasjenige Zentralbankgeld, um welches das Zentralbankgeldguthaben einer Geschäftsbank ihre sich aus der Mindestreserveverpflichtung ergebende und bei der Zentralbank gehaltene Mindestreserve (Reserve-Soll) übersteigt.

Allgemeines

Geschäftsbanken müssen bei ihrer Zentralbank Mindestreserven unterhalten. Das sind gesetzliche Pflichtguthaben, deren Höhe sich aus den bei Geschäftsbanken angelegten Sicht-, Termin-, Spareinlagen und bestimmten Sparbriefen errechnet. Unterhält eine Geschäftsbank bei der Zentralbank ein über die Mindestreserve hinausgehendes Guthaben, so heißt der Unterschiedsbetrag Überschussreserve. Es handelt sich um frei verfügbares Zentralbankgeld der Geschäftsbanken bei ihrer Zentralbank, das über die nicht frei verfügbare Mindestreserve hinausgeht.

Liquiditätstheorie

Primärliquidität, Sekundärliquidität, Liquiditätssaldo

Als Primärliquidität werden in der Bankbetriebswirtschaftslehre liquide Mittel auf der Aktivseite der Bilanz bezeichnet. Als Sekundärliquidität werden Vermögenspositionen (ebenso auf der Aktivseite der Bankbilanz) bezeichnet, die im Bedarfsfalle jederzeit bei der jeweiligen Zentralbank gegen Zentralbankgeld getauscht werden können. Diese Positionen in der jeweiligen Bankbilanz gelten dann als refinanzierungs- bzw. notenbankfähig.

Die Festsetzung der Kriterien der Refinanzierungsfähigkeit von (unterschiedlichen) Geldmarktpapieren obliegt der jeweiligen Zentralbank und stellt insofern expansives/kontraktives Instrument innerhalb der Geldpolitik dar.

Die Summe aus Überschussreserve und Sekundärliquidität bildet die freie Liquiditätsreserve (Lf) der jeweiligen Geschäftsbank und diese stellt nach Claus Köhler den maximalen Kreditschöpfungsspielraum für ein einzelnes Kreditinstitut dar (unter Voraussetzung der Erfüllung der Eigenkapitalanforderungen nach dzt. Basel III für die Kreditinstitute des kontinentaleuropäischen Raums).

Eine Kreditvergabe mit beispielsweise geringem Ausfallsrisiko (sofern als exzellente Bonität von Ratingagenturen mit AAA bewertet, so etwa auch Staatsanleihen innerhalb des EU-Raumes) gelten als sekundärliquide Mittel (bzw. potenzielles Zentralbankgeld) der haltenden Geschäftsbank.

Der Liquiditätsgrad einer einzelnen Geschäftsbank, also die Höhe der freien Liquitätsreserve (Aktiva) in Relation zu ihren Verbindlichkeiten (Passivseite) wird durch die Liquiditätsquote ausgedrückt.

Dreierlei Liquiditätstheorie

  • Durch das Konzept der subjektiv erlebten Liquidität einer einzelnen Geschäftsbank(-Leitung), durch die finanzielle Bewegungsfreiheit (Günter Schmölders) beeinflusst die Zentralbank die Politik der einzelnen Geschäftsbank.
  • Das Kreditverfügbarkeitskonzept geht davon aus, dass bei geringeren Gewinnmargen durch Kreditvergaben, die Geschäftsbanken stärker in „andere“ Wertpapiere investieren, wodurch der Preis für Kredite zu steigen beginnt.
  • Wird der Liquiditätssaldo der Geschäftsbanken dadurch eingeschränkt, dass die Zentralbank die Notenbankfähigkeit mancher Wertpapiere (Aktivseite der Bankbilanz) reduziert bzw. den Preis für Refinanzierungen (gegenüber der Geschäftsbank) erhöht, steigt der Preis für Kredite.

Jene drei Liquiditätstheorien gehen auf Günter Schmölders, Wolfgang Stützel und Claus Köhler zurück.

Liquiditätspolitik

Die Liquiditätspolitik der jeweiligen Zentralbank möchte auf die Liquidität des Finanzsektors einwirken. Maßnahmen umfassen quantitative sowie qualitative Einschränkungen/Gewährungen von Zentralbank(-Refinanzierungs)krediten sowie Volumenkontingentierungen von Pensionsgeschäften, Festsetzung der Kriterien zur Liquidisierung von Wertpapieren (Notenbankfähigkeit bzw. Kriterien zur Einstufung von sekundärliquiden Mitteln, von potenziellem Zentralbankgeld – siehe auch: Shiftability-Theorie durch Knies 1879, Moulton 1918).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2015, S. 36
  2. Dirk Piekenbrock, Gabler Kompakt-Lexikon Volkswirtschaftslehre, 2009, S. 442
  3. „Der Mangel des traditionellen Kreditschöpfungsmodells, von einer Überschußreserve an Zentralbankgeld auszugehen, wird in dem Liquiditätssaldokonzept dadurch aufgehoben, daß neben dem aktuellen Zentralbankgeld auch potentielles Zentralbankgeld als Bestimmungsfaktor für das Geldangebot der Banken einbezogen wird, da für die Liquiditätssituation der Banken nicht der Stand ihres aktuellen Zentralbankgeldes (praktisch = Mindestreserve) entscheidend ist, sondern die Fähigkeit, durch Auflösung freier Liquiditätsreserven (= potentielles Zentralbankgeld) Verluste an Zentralbankgeld auszugleichen, also insbesondere Zentralbankgeldabflüsse wieder aufzufüllen, die im Zuge einer Kreditexpansion eintreten. Die hier bedeutsame Größe ist der ‚Liquiditätssaldo‘ (LS).“ (Hans E. Büschgen: Bankbetriebslehre, Bankgeschäfte und Bankmanagement, Wiesbaden 1993, S. 251).
  4. Alois Oberhauser: Die Steuerung der Bankenliquidität als geldpolitische Aufgabe. In: Probleme der Geldmengensteuerung. Berlin 1978, S. 130.
  5. Dietrich Dickertmann: Die Finanzierung von Eventualhaushalten durch Notenbankkkredit. Berlin 1972, S. 142.
  6. Claus Köhler: Geldwirtschaft. Band 1. Geldversorgung und Kreditpolitik. Berlin 1977, S. 98.
  7. Claus Köhler: Geldwirtschaft. Band 1. Geldversorgung und Kreditpolitik. Berlin 1977, S. 125.
  8. Rüdiger Pohl: Geldbasis versus Liquiditätssaldo. In: Geldpolitik Kontrovers. Köln 1973, S. 94 ff.
  9. Wolfgang Filc, Lothar Hübl, Rüdiger Pohl (Hrsg.): Herausforderungen der Wirtschaftspolitik. Festschrift für Claus Köhler. Berlin 1988, (Vorwort von Karl Otto Pöhl), S. 9.
  10. Vgl. Leonhard Gleske: Die Liquidität in der Kreditwirtschaft. Frankfurt 1954. S. 41: „Der Bankkreditbegriff hat in diesem Zusammenhang einen weiteren Inhalt. Er umfaßt nicht allein kurzfristige Wechsel- und Kontokorrentkredite, sondern auch die langfristigen Ausleihungen und Anlagen jeder Art in den Bankbilanzen, soweit ihnen Depositen und nicht aus der Emission von Wertpapieren entstandene Verpflichtungen der Banken gegenüberstehen. In diesem Sinne zählen also zu den Bankkrediten auch die auf der Aktivseite der Bankbilanz aufgeführten Hypotheken und Wertpapiere, im besonderen Pfandbriefe, Industrie- und Kommunalobligationen, Staatsanleihen und Aktien. Es ist zwar nicht üblich Wertpapiere in das Bankkreditvolumen mit einzuordnen, aber sofern sie sich im Besitz des Banksystems befinden, läßt ihr wirtschaftlicher Charakter eine solche Interpretation zu.“
  11. Bei AAA-gerateten Wertpapieren entfallen die Mindesteigenkapitalanforderungen bzw. betragen 0%.
  12. „... denn Bundesanleihen sind wie alle anderen Staatsanleihen notenbankfähig“ (Falk Illing: Die Eurokrise, Analyse der europäischen Strukturkrise, Wiesbaden 2017, S. 219), vgl. Alexander Thiele: Das Mandat der EZB und die Krise des Euro, Tübingen 2013, S. 81: „Anleihen aus Spanien, Portugal und anderer Eurostaaten sind weiterhin notenbankfähig ...“.
  13. „Zu den als notenbankfähig eingestuften Sicherheiten im Euroraum zählen Staatsanleihen, Bankschuldverschreibungen, verbriefte Kredite (Asset Backed Securities) und Kreditforderungen. Diese müssen die strengen Qualitätsanforderungen des Eurosystems erfüllen. Als Sicherheiten dienen z. B. Staatsanleihen nur dann, wenn sie von einer Ratingagentur mindestens eine A-Note erhalten haben.“ (Karl-Heinz Moritz: Geldtheorie und Geldpolitik, München 2013, S. 315).
  14. Manfred Borchert: Geld und Kredit. Einführung in die Geldtheorie und Geldpolitik. München 2003, S. 89.
  15. Manfred Borchert: Geld und Kredit. Einführung in die Geldtheorie und Geldpolitik. München 2003, S. 91.
  16. Gabler Banklexikon: Liquiditätspolitik von Zentralbanken.
  17. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon: Liquiditätspolitik
  18. Gabler Banklexikon: Shiftability-Theorie
  19. Harold G. Moulton: Commercial Banking and Capital Formation, in: Journal of Political Economy, Chikago 1918, S. 484–508, DOI: 10.1086/253104.
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