Shanghai-Dialekt 上海话 – Shànghǎihuà | ||
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Gesprochen in |
Volksrepublik China | |
Sprecher | 12 bis 14 Millionen | |
Linguistische Klassifikation |
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Offizieller Status | ||
Amtssprache in | — |
Der Shanghai-Dialekt, auch Shanghaiisch oder Shanghainesisch (chinesisch 上海話 / 上海话, Pinyin shànghǎihuà, Shanghainesisch: 上海閒話/上海闲话, Wugniu Romanisierung: zaon-he ghe-gho) genannt, gehört zur Wu-Dialektgruppe des Chinesischen.
Status
Der Shanghai-Dialekt hat keinen offiziellen Status. Verwaltungs- und Bildungssprache in Shanghai ist Hochchinesisch. Trotz seines ursprünglich relativ hohen Prestiges vor Ort scheint der Shanghai-Dialekt an Terrain zu verlieren. Es gibt zwar eine traditionelle Opernform im Shanghai-Dialekt (hùjù 沪剧), jedoch beispielsweise keine moderne Popmusik. Seit den 90er-Jahren wird der Shanghai-Dialekt sporadisch im Rundfunk verwendet. 1995 gab es einen Fernsehfilm über die Kulturrevolution im Shanghai-Dialekt, der landesweit ausgestrahlt wurde. Durch den Zuzug von Menschen aus anderen Teilen Chinas und durch den Einfluss des Hochchinesischen verändern sich Wortschatz und Syntax des Shanghai-Dialekts rasch. Viele Sprachwissenschaftler betrachten ihn als schwer analysierbaren Mischmasch und betrachten in der Regel die Dialekte von Suzhou und Wenzhou als repräsentative Beispiele für die Wu-Dialekte, obwohl diese Dialekte viel weniger Sprecher haben. Für viele jüngere Menschen in Shanghai ist Ende des 20. Jahrhunderts Hochchinesisch zur Erstsprache geworden.
Typische Fehler im Hochchinesischen, wie sie von Shanghai-Dialektsprechern gemacht werden, sind die fehlende Unterscheidung zwischen [n] und [ŋ] am Silbenende sowie zwischen [ʦ ʦʰ s] und [tʂ tʂʰ ʂ] am Silbenanfang und die Ersetzung von Diphthongen durch Monophthonge ([ɛ] und [ɔ] statt [ai] und [au]).
Phonetik und Phonologie
Im Shanghai-Dialekt ist die historische Dreiteilung der Plosive und Affrikaten (einfach–aspiriert–stimmhaft) sowie die historische Zweiteilung der Frikative (stimmlos–stimmhaft) als Silbenanlautkonsonanten erhalten.
Die Stimmhaftigkeit wird im Wortanlaut als hauchige Phonation (breathy voice) des folgenden Vokals, im Wortinneren als Stimmhaftigkeit des Konsonanten selbst realisiert.
Konsonanten
Der Shanghai-Dialekt hat die zwölf Plosive p pʰ b t tʰ d k kʰ ɡ kʷ kʷʰ ɡʷ, den Glottisverschluss ʔ, die vier Nasale m n ɲ ŋ, die neun Frikative f v s z ɕ ʑ h ɦ hʷ, die fünf Affrikaten ʦ ʦʰ ʨ ʨʰ ʥ, die zwei Approximanten w j und die Liquida l.
Vokale
Der Shanghai-Dialekt hat die Vokale i ɪ y ʏ ɛ ə ø a ɔ ɤ o u ʊ, wobei [ɪ ʏ ə ʊ] jeweils Allophone von /i y ɛ u/ sind (/i y ɛ/ → [ɪ ʏ ə]/_[ŋ ʔ], /u/ → [ʊ]/_[ŋ]). Bei Sprechern unter Mitte Vierzig fallen die Silbenauslaute [-aŋ] und [-ɔŋ] zu [-ãŋ] zusammen.
Silbenbildende Konsonanten
Im Shanghai-Dialekt kommen die drei silbenbildenden Konsonanten m ŋ ɹ vor, wobei [ɹ] ein Allophon von /i/ ist und nur nach den apiko-alveolaren Anlauten ʦ ʦʰ s z auftritt.
Diphthonge
Es gibt im Shanghai-Dialekt folgende „eigentliche“ Diphthonge: /ja jɔ jɤ ej/, daneben treten die Kombinationen [jɛ jʊ] auf, da nach den palatalen Anlauten ɕ ʑ ʨ ʨʰ ʥ ein j eingeschoben wird ( → j/[+koronal –vorne]_v, wenn v≠[ɪ i y ʏ]); die „eigentlichen“ Diphthonge kommen sowohl nach palatalen als auch nach nicht-palatalen Anlauten vor.
Silbenstruktur
Der Shanghai-Dialekt weist drei verschiedene Silbenstrukturen auf: (K)V, (K)VS und (K)VN, wobei K für einen Konsonanten steht, V für einen Vokal, silbenbildenden Konsonant oder Diphthong, S für den Glottisverschluss ʔ und N für den velaren Nasal ŋ.
Tonsystem
Der Shanghai-Dialekt ist wie alle chinesischen Dialekte eine Tonsprache. In populären Darstellungen heißt es manchmal, der Shanghai-Dialekt habe nur zwei Töne, und tatsächlich ist der Unterschied zwischen einem hohen und einem tiefen Register besonders ausgeprägt. Wissenschaftliche Darstellungen beschreiben für einsilbige Wörter jedoch in der Regel fünf bis sieben phonologisch distinktive Töne. Einige der historischen Tonkategorien sind zusammengefallen; die Tonverläufe des Shanghai-Dialekts werden hier mit Ziffern dargestellt (1–tief, 5–hoch): yīnpíng 阴平 51; yīnshǎng 阴上 34; yīnqù 阴去, yángpíng 阴平, yángshǎng 阳上 und yángqù 阳去 13; yīnrù 阴入 5 und yángrù 阳入 12, wobei Silben, welche einen der beiden rù-Töne – rùshēng – 入声 tragen, auf einen Glottisverschluss enden.
Silben mit stimmhaften Obstruenten im Anlaut tragen Töne, die tief beginnen (Tonverlauf 12 mit Glottisverschluss am Silbenende und Tonverlauf 13); Silben mit stimmlosen Obstruenten im Anlaut hingegen tragen Töne, die nicht tief beginnen (Tonverlauf 5 mit Glottisverschluss, sowie Tonverläufe 51 und 34). Diese Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Anlauten gilt nicht für die Sonoranten (m n ɲ ŋ w j l), die mit jedem Tonverlauf kombiniert auftreten.
Beim Aufeinanderfolgen der Silben treten komplizierte Tonveränderungen (Sandhi) auf; bei mehrsilbigen Wörtern kann man vier verschiedene Tonmuster bzw. -verläufe beobachten:
Tonmuster | Beispiel | lexikalischer Ton der ersten Silbe | einsilbig | zweisilbig | dreisilbig | viersilbig | fünfsilbig |
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I | tʰi51 天 „Himmel“ | HM / 51 | 51 | 5-1 | 5-3-1 | 5-3↑-3↓-1 | 5-4-3-2-1 |
II | tʰi34 体 „Körper“ | MH / 351 | 34 | 3-4 | 3-5-1 | 3-5-3-1 | 3-5-3↑-3↓-1 |
III | di13 地 „Erde“ | TH / 151 | 13 | 1-3 | 1-5-1 | 1-5-3-1 | 1-5-3↑-3↓-1 |
IV | tʰiʔ5 铁 „Eisen“ | H / 451 | 5 | 4-5 | 4-5-1 | 4-5-3-1 | 4-5-3↑-3↓-1 |
V | diʔ1 敌 „Feind“ | TH / 12 | 12 | 1-12 (1-3) | 1-1-12 (1-5-1) | 1-1-1-12 (1-5-3-1) | 1-1-1-1-12 (1-5-3↑-3↓-1) |
Bei dieser Beschreibung der Toneme steht H für hohes, M für mittleres und T für tiefes Register. Die Pfeile bedeuten eine Steigerung bzw. Senkung der Tonhöhe. Nach dieser Analyse ist bei mehrsilbigen Wörtern nur der lexikalische Ton der ersten Silbe maßgeblich; er bestimmt den Tonverlauf für das ganze Wort oder sogar eine ganze Phrase.
Grammatik
Die Grammatik des Shanghai-Dialekts ähnelt der Grammatik anderer chinesischer Dialekte. Die Satzstellung ist in der Regel Subjekt–Verb–Objekt, bei zwei Objekten steht jedoch das direkte Objekt – im Gegensatz zum Hochchinesischen – normalerweise vor dem indirekten Objekt.
Hörbeispiele
Das Projekt zur Sammlung von Hörbeispielen Tatoeba enthält auf seiner Webseite auch eine Auswahl an Sätzen im Shanghai-Dialekt zum Anhören.
Literatur
- Eric Zee, Liejiong Xu: Shanghai. In: Graham Thurgood, Randy J. LaPolla (Hg.): The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London / New York 2003.
- Mantaro J. Hashimoto [橋本 萬太郎]: A Guide to the Shanghai Dialect. Princeton University 1971.
- Shunde Jin: Shanghai Morphotonemics. Indiana University Linguistics Club, Bloomington 1986.
- Jin Shunde: Toward a Systematic Account of Shanghai Tonal Phonology. In: Wang Jialing, Norval Smith (Hg.): Studies in Chinese phonology. Mouton de Gruyter, 1997.
Siehe auch
Webseite
- Tatoeba – Website mit Hörbeispiele auf Shanghaiisch
Fußnoten
- 1 2 3 4 5 Zee/Xu 2003, S. 131.
- ↑ Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003, S. 88.
- ↑ Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003, S. 102, 143.
- ↑ Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 249;
Ping Chen: China. In: Andrew Simpson (Hg.): Language and National Identity in Asia. Oxford University Press 2007; hier S. 158f.;
S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press 1987, S. 90;
Jos Gamble: Shanghai in Transition. Changing perspectives and social contours of a Chinese Metropolis. RoutledgeCurzon, London / New York 2003 S. 82–84, 97;
Hanchao Lu: Beyond the Neon Lights. Everyday Shanghai in the Early Twentieth Century. University of California Press 2004, S. 53–55. - ↑ Ping Chen: Modern Chinese. History and Sociolinguistics. Cambridge University Press 1999, S. 42.
- ↑ Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 200.
- ↑ Zee/Xu 2003, S. 133.
- ↑ vgl. Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 201.
- 1 2 3 Zee/Xu 2003, S. 134.
- ↑ Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 201;
Jerry Norman: The Chinese Dialects: Phonology. In: Graham Thurgood, Randy J. LaPolla (Hg.): The Sino-Tibetan Languages. Routledge, London / New York 2003; hier S. 78. - ↑ Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 202.
- 1 2 3 Zee/Xu 2003, S. 136.
- ↑ Hashimoto 1971, S. 11.
- ↑ Andere Darstellungen: yīnpíng 53; yīnshǎng 55; yīnqù 44, yángpíng 12, yángshǎng und yángqù 15; yīnrù 5 und yángrù [unleserlich]. In: Hashimoto 1971, S. 11; oder: yīnpíng 42; yángpíng, yángshǎng und yángqù 24; yīnshǎng und yīnqù 35; yīnrù 55 und yángrù 23. In: Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 202.
- ↑ Zee/Xu 2003, S. 131f.
- ↑ Hashimoto 1971, S. 11f.
- ↑ San Duanmu: Wordhood in Chinese. In: Jerome Lee Packward (Hg.): New Approaches to Chinese Word Formation. Morphology, Phonology and the Lexicon in Modern and Ancient Chinese. Mouton de Gruyter, Berlin / New York 1998; hier S. 168; Jin 1997, S. 125.
- ↑ Zee/Xu 2003, S. 138ff.;
S. Robert Ramsey: The Languages of China. Princeton University Press 1987, S. 93f.;
Jerry Norman: Chinese. Cambridge University Press 1988, S. 162;
Yuen Ren Chao: Contrasting Aspects of the Wu Dialects (1967). In: Anwar S. Dil (Hg.): Aspects of Chinese Sociolinguistics. Essays by Yuen Ren Chao. Stanford University Press 1976, S. 42.