Shen Zhiqiang (chinesisch 沈志强 / 沈志强, Pinyin Shěn Zhìqiáng), * März 1965 in Shanghai, ist ein chinesischer Astrophysiker und Kommunalpolitiker der Kommunistischen Partei Chinas. Seit dem 1. Januar 2018 ist er der Direktor des Astronomischen Observatoriums Shanghai.

Wissenschaftliche Arbeit

Geboren im März 1965 in Shanghai, studierte Shen Zhiqiang zunächst am Fachbereich Astronomie der Universität Nanjing, wo er 1986 den Titel eines Bakkalaureus (学士) erlangte. Dann wechselte er an die Universität Peking, wo er 1989 in der Fachrichtung Astrophysik des damaligen Fachbereichs Geophysik (地球物理系天体物理专业, seit dem 26. Oktober 2001 „Institut für Geo- und Weltraumwissenschaften“/地球与空间科学学院) seinen Magister machte.

Anschließend kehrte Shen Zhiqiang in seine Heimatstadt zurück und begann am Astronomischen Observatorium Shanghai, einem Institut der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, ein postgraduales Studium. Während dieser Zeit arbeitete er auch, mit einer Smithsonian Predoctoral Fellowship, am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (Massachusetts). Schon damals wirkte er, nicht zuletzt aufgrund seiner Sprachkenntnisse, bei internationalen Langbasisinterferometrie-Projekten mit, wegen der englischen Bezeichnung Very Long Baseline Interferometry auch im Chinesischen „VLBI“ abgekürzt. So war er zum Beispiel im November 1992 und im Mai 1993 im Rahmen des Southern Hemisphere VLBI Experiment Programms, kurz SHEVE, maßgeblich an der Aufnahme von extragalaktischen Radioquellen beteiligt, wo neben vier Radioobservatorien in Australien und einem in Südafrika auch das zum Astronomischen Observatorium Shanghai gehörende 25-m-Teleskop in Sheshan die Beobachtungsdaten lieferte.

Den Doktortitel (理学博士, also Dr. rer. nat.) erlangte Shen Zhiqiang schließlich 1996 am Astronomischen Observatorium Shanghai. Im Juli 1998 ging er dann nach Japan, wo er zuerst am Staatlichen Observatorium, dann bis September 2002 am damaligen Forschungsinstitut für Weltraumwissenschaften des Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie als Ausländischer Gastwissenschaftler tätig war. Anschließend arbeitete Shen Zhiqiang noch ein Jahr als Gastwissenschaftler am Institut für Astronomie und Astrophysik der Academia Sinica in Taipeh, bis er im September 2003 im Rahmen des Rückholprogramms für im Ausland tätige Genies (引进国外杰出人才, Pinyin Yǐnjìn Guówài Jiéchū Réncái) der festlandschinesischen Akademie der Wissenschaften nach Shanghai zurückkehrte und am dortigen Observatorium eine Stelle als Wissenschaftsrat (研究员) im Rang eines Professors antrat.

Das Rückholprogramm der Akademie richtete sich nicht an begabte Studenten, die noch ihren Platz finden mussten, sondern an etablierte Wissenschaftler, die nicht nur fachliche Qualifikation, sondern auch die Fähigkeit zur Menschenführung mitbrachten und sofort eine Arbeitsgruppe leiten konnten, mit der sie Forschung auf internationalem Niveau zu betreiben hatten. Im Falle von Shen Zhiqiang war dies das VLBI-Labor (VLBI研究室, Pinyin VLBI Yánjiūshì) des Observatoriums, dessen Leitung er übernahm. Schon seit Juni 2003, also als er noch in Taiwan war, hatte sich Shen Zhiqiang mit der Radioquelle Sagittarius A* im Sternbild Schütze befasst. In Shanghai betrieb er diese Beobachtungen mit großer Intensität weiter und konnte am 3. November 2005 in der britischen Fachzeitschrift Nature starke Hinweise vorlegen, dass es sich bei Sgr A* tatsächlich um ein supermassereiches Schwarzes Loch handelt. Die detaillierten Untersuchungen dauern bis heute an und werden, wie es bei der Langbasisinterferometrie in der Natur der Sache liegt, von Wissenschaftlern aus aller Herren Länder betrieben.

Der Artikel in der Nature wurde noch in derselben Ausgabe von einem Astronomen der University of Maryland ausführlich kommentiert, und in China selbst wurde die Meldung von einer Kommission aus über 1900 Gelehrten unter die 10 wichtigsten Nachrichten zur Grundlagenforschung im Jahr 2005 gewählt. Dies erhöhte nicht nur Shen Zhiqiangs persönlichen Bekanntheitsgrad, sondern auch die Reputation des Astronomischen Observatoriums Shanghai. Im Jahr 2008 genehmigte die Stadtregierung von Shanghai zusammen mit dem Mondprogramm der Volksrepublik China und der Akademie der Wissenschaften die Mittel für den Bau eines 65-m-Radioteleskops in Tianma, unweit des bereits existierenden 25-m-Teleskops in Sheshan. Die wissenschaftliche bzw. administrative Leitung des Projekts hatten Shen Zhiqiang und Hong Xiaoyu, damals Direktor des Observatoriums Shanghai und bei der Akademie der Wissenschaften für die Erweiterung des Chinesischen VLBI-Netzwerks (中国VLBI网, Pinyin Zhōngguó VLBI Wǎng) zuständig. Nachdem das neue Radioteleskop am 28. Oktober 2012 offiziell in Betrieb genommen worden war, leitete Shen Zhiqiang – im Juli 2012 war er zum Stellvertretenden Direktor des Observatoriums ernannt worden – die nun dort arbeitende „Forschungsgruppe Tianma-Teleskop“ (天马望远镜研究团组, Pinyin Tiānmǎ Wàngyuǎnjìng Yánjiū Tuánzǔ). Seit Januar 2016 betreibt seine Gruppe dort, zunächst bis Dezember 2020, Forschungen zur Sternentstehung und zum Interstellaren Medium. Dabei entdeckten sie im Sommer 2017 in der Molekülwolke Sagittarius B2 eine große Menge von Glykolaldehyd und Ethylenglycol.

Natürlich diente ein mehr als 200 Millionen Yuan teures Radioteleskop (von der Kaufkraft her etwa 200 Millionen Euro) nicht nur der Grundlagenforschung. Die Tiefraumsonden der Nationalen Raumfahrtbehörde benötigen eine Reihe von komplizierten Bahnkorrekturmanövern, um ihr Ziel zu erreichen. Hierfür ist eine präzise Bestimmung der jeweiligen Position der Sonden unerlässlich, wofür neben den 7 Bodenstationen und 5 Bahnverfolgungsschiffen des vom Satellitenkontrollzentrum Xi’an betriebenen Raumfahrtkontrollnetzwerks (中国航天测控网, Pinyin Zhōnggúo Hángtiān Cèkòngwǎng) auch das zivile VLBI-Netzwerk der Akademie der Wissenschaften herangezogen wird. Ab der Chang’e-3 Mission 2013 wirkte Tianma an dem gemeinsamen VLBI-Bahnmessystem (VLBI测轨系统, Pinyin VLBI Cèguǐ Xìtǒng) mit, und bereits beim Bau des Teleskops war geplant, es auch beim Marsprogramm der Volksrepublik China einzusetzen.

Am 1. Januar 2018 wurde Shen Zhiqiang als Nachfolger von Hong Xiaoyu Direktor des Astronomischen Observatoriums Shanghai. Neben seinen eigenen Forschungen und der Verwaltungsarbeit hat er hierbei immer noch Doktoranden zu betreuen, in seinem Fall Studenten der Astrophysik mit Projekten auf dem Gebiet der Radioastronomie. Letztere Aufgabe erfüllte er immer auf vorbildliche Weise; am 17. Juli 2006 wurde ihm von der Graduiertenschule der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (中国科学院研究生院, Pinyin Zhōngguó Kēxuéyuàn Yánjiūshēngyuàn, seit Juni 2012 „Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften“) der Ehrentitel „Hervorragender Lehrer“ (优秀教师, Pinyin Yōuxiù Jiàoshī) verliehen.

Kommunalpolitik

Außerdem engagiert sich Shen Zhiqiang für die KPCh in der Shanghaier Kommunalpolitik. In der Legislaturperiode 2006/2011 war er als Mitglied der Kommission Chongming der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (中国人民政治协商会议上海市崇明县委员会) Leiter der parlamentarischen Gruppe Öffentliche Wohlfahrt und Sozialversicherung, ethnische Minderheiten und Religionsgemeinschaften (社会福利和社会保障、少数民族、宗教界别小组). Bei den Kommunalwahlen am 27. Dezember 2017 wurde er als einer von 43 Abgeordneten für den Stadtbezirk Changning in den Shanghaier Stadtrat (上海市人民代表大会) gewählt. Auf der konstituierenden Sitzung des Stadtrats am 29. Januar 2018 wurde er dann in den Ausschuss für Erziehung, Wissenschaft, Kultur und Hygiene (教育科学文化卫生委员会) berufen. In der folgenden Legislaturperiode zog Shen Zhiqiang am 20. Dezember 2022 für den Stadtbezirk Xuhui, wo sich der Hauptsitz des Astronomischen Observatoriums Shanghai befindet, in den Stadtrat ein.

Einzelnachweise

  1. 段树民,沈志强获上海市第十届科技精英称号. In: bioguider.com. 14. Januar 2008, abgerufen am 9. Januar 2023 (chinesisch).
  2. The Smithsonian Institution Fellowship Program (SIFP). In: https://www.smithsonianofi.com. 1. November 2018, abgerufen am 26. Februar 2019 (englisch).
  3. Um 1990 gab es zwar noch einige ältere Wissenschaftler, hauptsächlich im Ingenieurwesen, die von ihrem Studium in Moskau her des Russischen mächtig waren, Englisch war damals jedoch außerhalb des engen Kreises der Anglistik-Studenten noch kaum verbreitet.
  4. D. L. Jauncey et al.: The Southern Hemisphere VLBI Experiment program, SHEVE. In: http://adsabs.harvard.edu. Abgerufen am 26. Februar 2019 (englisch).
  5. Shen Zhiqiang et al.: A 5-GHz Southern Hemisphere VLBI Survey of Compact Radio Sources - I. In: https://arxiv.org. 14. September 1997, abgerufen am 26. Februar 2019 (englisch). Man beachte: an diesem Projekt wirkte auch Hong Xiaoyu (洪晓瑜, *1961) mit, 2005–2017 Direktor des Observatoriums Shanghai, Hauptverantwortlicher der VLBI-Bahnmessung bei den Chang’e-1 und Chang’e-2 Mondmissionen sowie der Yinghuo-1 Marsmission, und einer der Koordinatoren des Chinesischen VLBI-Netzwerks.
  6. Visiting Scholar. In: http://www.asiaa.sinica.edu.tw. Abgerufen am 27. Februar 2019 (englisch).
  7. 专家人才库 沈志强. In: sourcedb.shao.cas.cn. Abgerufen am 16. März 2022 (chinesisch).
  8. 中国科学院关于引进国外杰出人才的管理办法. In: http://www.cas.cn. 28. Februar 2012, abgerufen am 28. Februar 2019 (chinesisch).
  9. 沈志强: 科学是充满魅力的“黑洞”. In: http://www.cas.cn. 21. Juni 2010, abgerufen am 28. Februar 2019 (chinesisch).
  10. An Tao et al.: The simultaneous VLA observations of Sgr A* from 90 to 0.7 cm. In: https://arxiv.org. 30. Dezember 2004, abgerufen am 28. Februar 2019 (englisch).
  11. An Tao et al.: Simultaneous Multi-Wavelength Observations of Sgr A*. In: https://arxiv.org. 12. Oktober 2005, abgerufen am 28. Februar 2019 (englisch).
  12. Shen Zhiqiang et al.: A size of∼1 AU for the radio source Sgr A* at the centre of the Milky Way. In: https://www.nature.com. 3. November 2005, abgerufen am 1. März 2019 (englisch).
  13. Shen Zhiqiang et al.: A size of∼1 AU for the radio source Sgr A* at the centre of the Milky Way. In: https://arxiv.org. 26. Dezember 2005, abgerufen am 28. Februar 2019 (englisch). Vollständiger Text des Artikels.
  14. Gisela N. Ortiz-León et al.: The Intrinsic Shape of Sagittarius A* at 3.5-mm Wavelength. In: https://arxiv.org. 14. März 2016, abgerufen am 28. Februar 2019 (englisch).
  15. Christopher Reynolds: Light on a dark place. In: https://www.nature.com. 3. November 2005, abgerufen am 1. März 2019 (englisch).
  16. Christopher Reynolds: Dr. Christopher S. Reynolds. In: https://www.astro.umd.edu. Abgerufen am 1. März 2019 (englisch).
  17. 李志强: 2005年度中国基础研究十大新闻揭晓. In: http://news.lzu.edu.cn. 27. Februar 2006, abgerufen am 1. März 2019 (chinesisch).
  18. 邵茵: 在上海的留学回国人员. In: http://www.shtong.gov.cn. 20. März 2009, abgerufen am 1. März 2019 (chinesisch).
  19. Shen Zhiqiang: Tian Ma 65-m Radio Teleskope. In: https://science.nrao.edu. 19. Mai 2014, abgerufen am 1. März 2019 (englisch).
  20. 专家人才库 洪晓瑜. In: http://sourcedb.shao.cas.cn. Abgerufen am 26. Februar 2019 (chinesisch).
  21. 上海天文台历任领导. In: http://www.shao.cas.cn. Abgerufen am 1. März 2019 (chinesisch).
  22. 沈志强: 个人主页 沈志强. In: http://people.ucas.edu.cn. Abgerufen am 1. März 2019 (chinesisch).
  23. 李娟、沈志强: 我台天马望远镜团组发现银心巨分子云中存在大量的复杂有机分子. In: shao.cas.cn. 13. Oktober 2017, abgerufen am 16. März 2022 (chinesisch).
  24. Li Juan et al.: Widespread Presence of Glycolaldehyde and Ethylene Glycol Around Sagittarius B2. In: https://arxiv.org. 29. September 2017, abgerufen am 3. März 2019 (englisch).
  25. 杜苗: 航拍上海65米射电天文望远镜工地 计划2015年完工. In: tech.ifeng.com. 6. April 2012, abgerufen am 2. März 2019 (chinesisch).
  26. 沈志强: 个人主页 沈志强. In: people.ucas.edu.cn. Abgerufen am 2. März 2019 (chinesisch).
  27. 中科院研究生院首次评选优秀教师和优秀教育工作者. In: news.ucas.ac.cn. Abgerufen am 2. März 2019 (chinesisch).
  28. 历史沿革. In: ucas.edu.cn. Abgerufen am 2. März 2019 (chinesisch).
  29. 上海崇明区人民政府今日正式挂牌. In: http://news.ifeng.com. 13. Januar 2017, abgerufen am 3. März 2019 (chinesisch).
  30. 关于政协崇明县第十二届委员会界别召集人任职的通知. In: zhengxie.shcm.gov.cn. 12. März 2007, abgerufen am 3. März 2019 (chinesisch).
  31. 上海市第十五届人民代表大会代表名单公布 共855名. In: sh.sina.com.cn. 27. Dezember 2017, abgerufen am 9. Januar 2023 (chinesisch).
  32. 姜萍萍、常雪梅: 上海市人民代表大会公告 第八号. In: renshi.people.com.cn. 30. Januar 2018, abgerufen am 25. Februar 2019 (chinesisch).
  33. 838名上海市第十六届人大代表选举产生(附名单). In: k.sina.com.cn. 21. Dezember 2022, abgerufen am 9. Januar 2023 (chinesisch).

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