Die von Herausgeber Leopold Nowak später als „Studiensymphonie“ bezeichnete Sinfonie in f-Moll komponierte Anton Bruckner im Jahr 1863. Sie ist sein erstes mehrsätziges Orchesterwerk, mit dem er auch seine Studien in freier Komposition bei Otto Kitzler abschloss (zuvor hatte Bruckner unter Kitzlers Aufsicht bereits kleinere Orchesterstücke und Märsche verfasst). 1866 annullierte Bruckner dies Frühwerk. Im Werkverzeichnis Anton Bruckner (WAB) wird die Sinfonie unter der Nummer 99 katalogisiert.
Werkgeschichte
Der Komponist verstand dieses Werk, wie auch sein einziges Streichquartett und andere bei Kitzler komponierte Werke, in späteren Lebensjahren nur noch als reine „Schularbeit“. Er gliederte es bereits um 1866 aus dem Kanon seiner gezählten Sinfonien aus, nachdem er sich mehrere Jahre erfolglos um eine Aufführung bemüht hatte (u. a. durch Franz Lachner in München). Das Autograph befindet sich im Stift Kremsmünster (Musikarchiv, Signatur C, 56, 7; der letzte Bogen des ersten Satzes, Bg. 11, fehlt). Eine vollständige Abschrift mit autographen Eintragungen Bruckners befindet sich größtenteils in der Musiksammlung der Wien-Bibliothek (Sätze 1, 2, 4, Signatur MH 3795 c), der 3. Satz ebenfalls in Kremsmünster. Die Sinfonie wurde häppchenweise an die Öffentlichkeit gebracht: Der 2. Satz wurde schon am 31. Oktober 1913 vom Wiener Konzertverein unter Ferdinand Löwe uraufgeführt. Am 18. März 1923 dirigierte Franz Moißl in Klosterneuburg die Erstaufführung des 1. und 4. Satzes sowie den 2. Satz; am 12. Oktober 1924 lieferte er das im Sommer 1924 in Kremsmünster wiederentdeckte Scherzo in Klosterneuburg nach. Die erste Gesamtaufführung der Sinfonie erfolgte durch das Berliner Philharmonische Orchester am 19. Februar 1925, ebenfalls unter Franz Moißl. Partitur und Stimmen erschienen jedoch erst 1973 im Druck.
Die Sätze
Die Sinfonie hat vier Sätze, ihre Spieldauer beträgt etwa 36 bis 52 Minuten. Die großen Differenzen erklären sich aus der von Bruckner vorgeschriebenen Wiederholung der Exposition in den Ecksätzen, die von manchen Dirigenten nicht berücksichtigt wird.
Literatur
- Renate Ulm (Hrsg.): Die Symphonien Bruckners. Entstehung, Deutung, Wirkung. Bärenreiter, Kassel 2005, ISBN 3-7618-1590-5.
- Hans-Joachim Hinrichsen: Bruckners Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer. C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-68809-6.
Fußnoten
Anmerkungen
- ↑ Die f-Moll-Sinfonie sollte man besser nicht an den Werken des späteren Bruckner messen. Dieser Erstling erinnert zwangsläufig an gewisse Vorbilder, die sich der noch wenig erfahrene Bruckner zur Orientierung heranzog (besonders in den Ecksätzen: Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy). Allerdings zeigt die Sinfonie eine souveräne Beherrschung des kompositionstechnischen Handwerks durch den bereits 39-jährigen Komponisten. In der formalen Anlage der Sätze (1. und 4. Satz mit drei Themen, langsamer Satz als rondoartige Struktur) lassen sich schon deutlich einige Züge von Bruckners späterem Stil erkennen. Charakterlich besonders ausgeprägt ist hier das Scherzo, dessen derb stampfende Tanzrhythmen als eine unüberhörbare Vorwegnahme des typisch brucknerschen Scherzo-Stils erscheinen. Als Sinfonie ihrer Zeit ist das Werk sicher nicht besser oder schlechter als vieles andere, was damals komponiert wurde. Leider krankt die Aufführungspraxis der Sinfonie an der Betrachtung durch die Brille des späten Bruckner. Der Kopfsatz beispielsweise trägt die schnellste Tempo-Bezeichnung bei Bruckner überhaupt, wird jedoch so gut wie nie als allegro molto vivace ausgeführt. Eine Entdeckung des Werkes durch die historisch informierte Aufführungspraxis steht noch aus.
Einzelnachweise
- ↑ Symphony in F Minor. Auf abruckner.com, abgerufen am 25. März 2019