Die Situational Action Theory (SAT) ist eine Allgemeine Kriminalitätstheorie, die seit 2004 vom schwedischen Kriminologen Per-Olof H. Wikström an der Universität Cambridge entwickelt wurde. Mit der SAT werden zentrale kriminologische Einsichten in einem neuen, integrativen Erklärungsmodell zusammengeführt. Der Theorie zufolge werden Straftaten aufgrund persönlicher Eigenschaften und Erfahrungen der handelnden Person in Kombination mit Eigenschaften ihres Umfeldes und der jeweiligen Handlungssituation begangen.

SAT zufolge ist jede Handlung, damit auch eine kriminelle Handlung, das Ergebnis eines Wahrnehmungs- und Entscheidungsprozesses, der durch das Zusammenwirken individueller Faktoren (Motivation, Neigung, Moralität) und situativen Faktoren (Einflüsse durch Personen und Umgebung, „Person-Umwelt-Interaktion“) bedingt ist. Dadurch, dass das Individuum als moralischer Akteur ins Zentrum der Analyse rückt, unterscheidet sich SAT vom Rational choice-Ansatz, der im persönlichen Eigennutz den entscheidenden Antrieb sieht. In der SAT wird betont, dass der Wahrnehmungsprozess dem Entscheidungsprozess vorgelagert ist. Es sei sinnlos zu behaupten, dass sich jemand nach Kosten-Nutzen-Abwägung gegen eine Handlung entschieden habe, wenn diese Aktion bereits aus normativen Erwägungen nicht als reale Handlungsalternative in Betracht gezogen worden sei.

Wie eine Person eine kriminelle Neigung entwickelt oder warum ein setting eine spezielle kriminogene Belastung aufweist, gehört nicht zur primären SAT-Fragestellung. Laut Wikström handelt es sich bei solchen Fragen um vorgelagerte Ursachen, die die eigentlichen Ursachen von Delinquenz erklären.

Mittlerweile gibt es zahlreiche empirische Anwendungen der Theorie, z. B. auf Ladendiebstahl, den illegalen Verkauf von Medikamenten oder Jugendkriminalität im Allgemeinen.

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1 2 Frank Neubacher: Kriminologie. 3. Auflage, Nomos-Verlag, Baden-Baden 2017, ISBN 978-3-8487-3036-0, S. 108.
  2. Karl-Ludwig Kunz und Tobias Singelnstein: Kriminologie: Eine Grundlegung. 7., grundlegend überarbeitete Auflage, Haupt, Bern 2016, ISBN 978-3-8252-4683-9, S. 164.
  3. Michael Bock: Kriminologie. 5. Auflage, München: Vahlen, 2019, ISBN 978-3-8006-5916-6, S. 97.
  4. Hirtenlehner H (2015) ‘Gelegenheit macht Diebe’ oder ‘Wer raucht, der stiehlt’. Der Beitrag der Situational Action Theory zur Erklärung der Ladendiebstahlskriminalität junger Menschen. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 98: 257–279.
  5. Sattler, S., Graeff, P., Sauer, C., Mehlkop, G. (2018): Der illegale Verkauf verschreibungspflichtiger Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung – Eine vignetten-basierte Studie rationaler und normativer Erklärungsgründe. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 101: 352–379.
  6. Kroneberg, C. & Schulz, S. (2018). Revisiting the Role of Self-Control in Situational Action Theory. European Journal of Criminology 15, 56–76.
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