St. Briccius, eine der ältesten Kirchen von Halle (Saale), ist eine evangelische Kirche im ehemaligen Bauern- und Fischerdorf Trotha, das heute ein Stadtteil im Norden von Halle ist. Die Kirchengemeinde Halle-Trotha gehört zum Kirchspiel Trotha-Seeben in der Gemeindekooperation Mitte-Nord im Kirchenkreis Halle-Saalkreis der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Im Denkmalverzeichnis der Stadt Halle ist die Kirche unter der Erfassungsnummer 094 05079 als Baudenkmal verzeichnet.
Geschichte
An der Stelle der heutigen Kirche existierte zunächst ein westslawischer Kultplatz, der nach der (ost)fränkischen Eroberung durch eine hölzerne Tauf- und Betkapelle überbaut wurde. Dieser Holzbau kann frühestmöglich zur Zeit Karls des Großen (768 bis 814 König des fränkischen Reiches) ab dem Jahre 806 errichtet worden sein. Wahrscheinlicher ist allerdings eine Erbauung ab den späten 920er Jahren oder noch später, beispielsweise ab 966, nachdem das sorbische Dorf Eigentum des Mauritiusklosters Magdeburg geworden war.
Im Jahre 1116 wurde die Kirche in den Akten des Klosters Neuwerk erstmals erwähnt. 1121 schenkte Erzbischof Rüdiger von Magdeburg den Ort Trotha dem Kloster Neuwerk. Um 1150 wurde die spätromanische Bruchsteinkirche errichtet. Sie ist St. Briccius geweiht, einem Schüler von St. Martin von Tours. Trotha verblieb bis zur Auflösung des Klosters im Jahre 1520 beim Kloster Neuwerk. Schon seit 1525, mit dem Übertritt der Gemeinde zum protestantischen Glauben, hatte die Kirche einen evangelischen Pfarrer.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche wiederholt verwüstet, so im Jahre 1636 durch kursächsische Truppen.
1730 wurde die Kirche sparsam barock umgebaut und das Kirchenschiff um etwa einen Meter nach Süden erweitert. Den Eingang verlegte man auf die Ostseite und es wurden große Rechteckfenster eingebaut. Den Altar verlegte man an die Turmseite im Westen, wo sich auch die Kanzel und das Kruzifix befanden.
1896 musste das durch einen Blitzschlag beschädigte Innere der Kirche erneuert werden.
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wuchs die Anzahl der Gemeindemitglieder stark an, so dass die Kirche erweitert werden musste. 1910/1911 errichtete man deshalb einen südlichen Anbau. Die östliche Eingangstür wurde unter Verwendung einer romanischen Säule wieder verschlossen und ein neuer Eingang im Westen geschaffen. Auf das Dach der Kirche setzte man zwei Erker mit jeweils zwei Fenstern und baute östlich davon eine Sakristei an. Im Innern wurde die Ostausrichtung des Altars wieder hergestellt.
Im Ersten und Zweiten Weltkrieg mussten zwei der drei Glocken für Rüstungszwecke abgegeben werden. Die heutigen Glocken sind eine Schenkung aus dem Jahre 1957.
Bauwerk und Ausstattung
Die im Kern spätromanische Bruchsteinkirche stammt aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Noch erhalten aus der Bauzeit sind der Westquerturm mit Satteldach sowie die Nord- und Ostwand. Die Holztonnendecke im Innern stammt vom Umbau im Jahre 1730.
Das Kruzifix von 1520, das älteste Ausstattungsstück der Kirche, wird Georg Ihener aus Orlamünde zugeschrieben, der auch an den Altargemälden der Moritzkirche gearbeitet haben soll. Als im Jahre 1954 der Altarraum neu gestaltet wurde, brachte man das Kruzifix über dem Altar an.
Die L-förmig umlaufenden Emporen im südlichen Anbau wurden beim Umbau 1910 angebracht. Weitere Ausstattungsstücke in einfachen Jugendstilformen aus dieser Zeit sind die hölzerne Kanzel an der Nordseite, ein Lesepult, ein Taufbecken und Gestühl. Zwei Bleiglasfenster wurden 1911 zur Erinnerung an ihren alten Stammsitz von der Familie von Trotha für die Fenster der Nordwand gestiftet.
Zur Ausstattung gehörte ursprünglich auch ein spätromanischer Taufstein aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Nachdem ihn die Gemeinde wegen Rissen 1830 abgegeben hatte, steht er heute im Gotischen Gewölbe des Museums der Moritzburg (Halle).
Die Orgel (19 Register, 2 Manuale, 1 Pedal, Traktur: pneumatisch) von 1899 auf der Westempore stammt aus der Werkstatt des Zörbiger Orgelbaumeisters Wilhelm Rühlmann. 1947 wurde das Instrument dem neuen Zeitgeschmack angepasst und 2000 grundlegend überholt, die Disposition wurde dabei beibehalten.
St. Briccius umgibt der evangelische Friedhof der Gemeinde. Dort befindet sich auch ein von Gerhard Marcks gestalteter Grabstein für Erich Consemüller, der im Werkverzeichnis von Marcks abgebildet ist.
Das Kriegerdenkmal vor der Kirche
Zum ehrenden Gedächtnis der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Trotha ließ die Evangelische Kirchengemeinde einen Obelisken aus Muschelkalk, bekrönt mit dem Eisernen Kreuz, vor der Kirche errichten. Die feierliche Einweihung fand am 4. Juli 1926 statt; während des Zweiten Weltkrieges wurde das Denkmal nicht beschädigt.
Gegen die Aufforderung der städtischen Bauverwaltung, die Abbrucharbeiten des Kriegerdenkmals nicht zu stören, legte die Kirchengemeinde St. Briccius am 3. Juni 1947 bei der sowjetischen Stadtkommandantur Einspruch ein und berief sich dabei auf den „Kontrollratsbeschluss“ und die am 12. Juli 1946 erfolgte Veränderung im Artikel 4. Danach sollten die Denkmäler nicht beseitigt werden, welche dem Andenken der Gefallenen regulärer Truppenteile gewidmet waren, keine NS-Ideologie zum Ausdruck brachten bzw. keine entsprechenden Symbole zeigten. Die Kirchengemeinde wies außerdem darauf hin, dass sich das Denkmal auf kircheneigenem Gelände befand.
Obwohl die Entscheidung der Stadtkommandantur noch ausstand, ließ die Bauverwaltung das Kriegerdenkmal am 9. Juni 1947 sprengen und die Trümmer beseitigen. Erst am 11. Juni teilte die Stadtverwaltung der Kirchengemeinde die Entscheidung des Militärkommandanten, Oberst Tschaikin, mit: „Der Obelisk an der Kirche in Trotha wird nicht gesprengt!“ – Gegen den Abriss legte die Kirchengemeinde am 18. Juli 1947 Einspruch ein und forderte Schadensersatz. Am 9. August 1947 erging ein Schreiben der Bauverwaltung an die Evangelische Kirchengemeinde St. Briccius. Darin wurde der vorschnelle Abriss zwar bedauert, zugleich aber ein Schadensersatzanspruch abgelehnt.
Literatur
- Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Denkmalverzeichnis Sachsen-Anhalt / Stadt Halle. Fliegenkopfverlag, Halle 1996, ISBN 3-910147-62-3, S. 358–359.
- Siegmar von Schultze-Galléra: Topographie oder Häuser- und Strassen-Geschichte der Stadt Halle a.d. Saale. Dritter Band: Die Eingemeindungen Giebichenstein, Trotha, Cröllwitz, Gimritz. Heimat-Verlag für Schule und Haus, Halle um 1924, Reprint Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2018, ISBN 978-3-95966-308-3, S. 140–142.
- Peggy Grötschel, Matthias Behne: Die Kirchen in der Stadt Halle. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006, ISBN 3-89812-352-9, S. 146–147.
Weblinks
- Zur Geschichte der Kirche St. Briccius
- Webpräsenz der Gemeinde St. Briccius
- Beitrag zur Orgel auf www.orgel-verzeichnis.de, abgerufen am 22. Oktober 2021
Einzelnachweise
- ↑ Pfarrbereiche und Kirchengemeinden auf der Website des Kirchenkreises. Abgerufen am 19. November 2018
Koordinaten: 51° 30′ 43,5″ N, 11° 57′ 29,3″ O