St. Sebastian ist die römisch-katholische Pfarrkirche der Kreisstadt Ebersberg in Oberbayern. Bis 1808 war sie Klosterkirche des Klosters Ebersberg. Die über tausendjährige Tradition der Sebastians-Wallfahrt ist bis heute lebendig.

Geschichte

Die Baugeschichte der Kirche ist eng mit der Geschichte des Klosters verbunden. Bei der Marienkapelle der Burg Ebersberg errichteten die Grafen von Ebersberg 934 ein kleines Augustiner-Chorherren-Stift. Der erste Propst Hunfried brachte von einer Romreise die Hirnschale des Märtyrers Sebastian mit, eine unschätzbar wertvolle Reliquie, die rasch Pilger und Opfergaben nach Ebersberg führte. 970 war die vorromanische Stiftskirche St. Marien und St. Sebastian vollendet.

1007 wandelte Graf Ulrich das Stift in eine Benediktinerabtei um, für die er die Reichsunmittelbarkeit erlangte. In den 1220er Jahren entstand die romanische Abteikirche, die noch den Kern der heutigen Kirche bildet. Von der geplanten Doppelturmfassade wurde nur der Südturm realisiert. Eine Wiederherstellung nach Brandschäden erfolgte 1305–1312, eine Erweiterung des Chors 1450–1455. Zur Altarweihe kam 1452 Nikolaus von Kues nach Ebersberg. In den 1480er Jahren wurde der Turm aufgestockt und das Langhaus zur spätgotischen Halle ausgebaut. In diesen Jahrzehnten erreichte das Kloster den Höhepunkt seiner geistlichen und kulturellen Bedeutung, von der kostbare illuminierte Handschriften aus der Klosterbibliothek zeugen.

Nach dem Niedergang des Benediktinerkonvents im Reformationsjahrhundert übergab Bayernherzog Wilhelm V. die Klosteranlage 1595 den Jesuiten, die sie in Verbindung mit ihrem Münchner Kolleg nutzten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg erneuerten sie die Gebäude. 1668–1671 bauten sie die obere Sakristei an der Nordseite des Chors zur Sebastianskapelle als Verehrungsort für die Reliquie um. Die Kirche selbst wurde unter Leitung von Johann Georg Ettenhofer 1733/34 barock umgestaltet.

Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 zog ein Klosterbrand 1781 auch die Kirche stark in Mitleidenschaft. Kurfürst Karl Theodor übergab das beschädigte Ensemble den Malteserrittern, die es verändert wiederherstellten. Dabei entstanden die heutigen Gewölbe der Kirche, die Ausmalung und die Turmhaube.

Seit der Säkularisation 1808 ist St. Sebastian Pfarrkirche. Die alte Ebersberger Pfarrkirche St. Valentin wurde abgerissen; Teile der Ausstattung kamen nach St. Sebastian. Die ehemaligen Konventsgebäude werden staatlich und privat genutzt.

Die Kirche wurde im 20. Jahrhundert außen und innen sorgfältig restauriert. Der Turmschaft erhielt 1968 wieder seinen romanischen Charakter. Der mächtige Turm beherbergt ein für seine Dimensionen verhältnismäßig bescheidenes Geläute in Schlagtonfolge b0 – d1 – f1 – g1 – a1.

Bau

St. Sebastian ist eine dreischiffige geostete Hallenkirche. Das Langhaus ist mit nur fünf Jochen verhältnismäßig kurz, daran schließt sich der schmalere, vierjochige Chor mit polygonaler Apsis an, an dessen Nordseite die rechteckige Sebastianskapelle angefügt ist. In der Südwestecke des Langhauses steht der quadratische romanische Glockenturm mit Welscher Haube. Vor dem eigentlichen Portal befindet sich eine Vorhalle.

Der Innenraum erscheint in der barockisierten Gestalt des 18. Jahrhunderts. Dabei sind vier Bau- bzw. Ausstattungsphasen zu unterscheiden: Bei der Barockisierung 1733/34 wurden die spätgotischen Säulen barock ummantelt. 1751/52 erhielt der Chor seine Rokokodekoration, wahrscheinlich durch die Zimmermann-Werkstatt. Davon sind noch Teile des Stucks sowie zehn Wandfresken erhalten. 1764 folgte die Rokokodekoration des Langhauses durch eine andere Werkstatt. Teile davon sind in den Seitenschiffen und im Emporenbereich erhalten, unter anderem das Deckenfresko über der Orgel. Beim Brand von 1781 stürzten die gotischen Gewölbe des Mittelschiffs und des Chors ein. Die beim Wiederaufbau in den 1780er Jahren geschaffenen neuen Tonnengewölbe mit Stichkappen zeigen in Form und Ausmalung bereits klassizistisches Stilempfinden.

Ausstattung

St. Sebastian besitzt außer der reichen Barock- und Rokokoausstattung – Altäre und Kanzel – auch bedeutende Kunstgegenstände aus älterer Zeit, darunter das figurenreiche Stiftergrabmal des Grafen Ulrich († 1029) und seiner Frau Richardis aus dem 15. Jahrhundert sowie Reste eines überlebensgroßen Christophorusfreskos (um 1500).

Die Krippe ist eine Arbeit von Sebastian Osterrieder („Krippenwastl“).

Im Chor sind noch Teile des Sebastianszyklus von 1751/52 erhalten. Die Deckengemälde schuf Franz Seraph Kirzinger nach dem Brand von 1781; sie beziehen sich thematisch auf den Kirchenpatron Sebastian sowie auf den Malteserorden.

Sebastianskapelle

Besonders wertvoll ist die frühbarocke Ausstattung der Sebastianskapelle (1668–71) mit reichen Wand- und Deckenstuckaturen und in die Stuckdekoration der Wände eingelassenen Ölgemälden. In den drei Jochen der Kapelle steht jeweils ein Stuckmedaillon mit einem Monogramm im Zentrum der Decke: SBS (Sebastianus), IHS (Jesus) und MARIA. Die Stuckarbeiten wurden vermutungsweise Michael Schmuzer und Gehilfen zugeschrieben, allerdings nach Vorgaben des Bauleiters und Jesuitenbruders Heinrich Mayr, weswegen sie nicht dem üblichen Wessobrunner Formengut entsprechen.

Der Maler des Altarbilds (Pfeilmarter des hl. Sebastian) und der in die Wände eingelassenen Ölbilder ist unbekannt. Letztere zeigen über dem Altar Jesus – Gottvater – Maria; an der gegenüberliegenden Wand sind zwei Jesuitenheilige mit drei Szenen aus der Vita des Kapellenpatrons kombiniert: oben hl. Ignatius von Loyola – Pfeilmarter des hl. Sebastian – hl. Franz Xaver, unten: Die hl. Irene und ihre Gefährtinnen pflegen die Wunden des hl. Sebastian – Weiheinschrift – Der hl. Sebastian wird mit Keulen erschlagen. Drei Medaillons in den Lunetten der Westwand zeigen Landschaften, in der Mitte eine Ansicht von Ebersberg.

In einem Glasschrein auf der Mensa des Marmoraltars (1671) steht das eigentliche Heiligtum, das silberne Büstenreliquiar von 1450 mit der Hirnschale des hl. Sebastian.

Große Schränke mit Glastüren neben dem Altar und an einer Seitenwand enthielten früher die Weihegeschenke der Pilger, heute Reliquienaltärchen und andere Teile des Kirchenschatzes.

Literatur

  • Markus Krammer: Ebersberg, Kath. Pfarrkirche Sankt Sebastian (= Kleine Kunstführer). 6. Auflage. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2003, ISBN 3-7954-4143-9.
  • Ernst Götz u. a. (Bearbeiter): Bayern IV: München und Oberbayern (= Georg Dehio [Begründer], Dehio-Vereinigung [Hrsg.]: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler). 3. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2006, ISBN 978-3-422-03115-9, S. 219–222.
  • Brigitte Sauerländer, Cordula Böhm: Ebersberg. In: Landkreis Traunstein, bearbeitet von Anna Bauer-Wild. Landkreis Berchtesgadener Land, bearbeitet von Anna Bauer-Wild. Landkreis Ebersberg, bearbeitet von Brigitte Sauerländer und Cordula Böhm (= Hermann Bauer †, Frank Büttner, Bernhard Rupprecht [Hrsg.]: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland. Band 11). Hirmer Verlag, München 2005, ISBN 3-7774-2695-4, S. 300–330.
Commons: St. Sebastian – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Diesen Status bestätigte Heinrich VI. 1193, er wurde aber von den bayerischen Herzögen nie voll anerkannt und war im Spätmittelalter faktisch erloschen (Julius Ficker: Vom Reichsfürstenstande, 1861).
  2. Ebersberg St. Sebastian Plenum. Online www.youtube.com; abgerufen am 9. Februar 2017.
  3. Thomas Warg: Nach Weihnachten ist vor Weihnachten. In: Ebersberger Krippenweg. 3. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017. BDS, Ebersberg 2016, S. 4–5, hier S. 4 (ebersberger-krippenweg.de, PDF).
  4. Anonym (Text), Markus Krammer (Fotos): St. Sebastian, Ebersberg. Szenen unserer Osterrieder-Krippe. In: erzbistum-muenchen.de. Erzbistum München und Freising, 2021.
  5. 1 2 Brigitte Sauerländer, Cordula Böhm: Ebersberg. In: Landkreis Traunstein, bearbeitet von Anna Bauer-Wild. Landkreis Berchtesgadener Land, bearbeitet von Anna Bauer-Wild. Landkreis Ebersberg, bearbeitet von Brigitte Sauerländer und Cordula Böhm (= Hermann Bauer †, Frank Büttner, Bernhard Rupprecht [Hrsg.]: Corpus der barocken Deckenmalerei in Deutschland. Band 11). Hirmer Verlag, München 2005, ISBN 3-7774-2695-4, S. 300–330 (mit Fotodokumentation einschließlich der Entwurfszeichnungen von Joseph Ignaz Schilling).

Koordinaten: 48° 4′ 39,4″ N, 11° 58′ 17,4″ O

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