St. Servatius ist eine neugotische Hallenkirche in Kierberg, einem Ortsteil der Stadt Brühl im Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen. Das Bauwerk wird auf Grund seiner Entstehungsgeschichte auch als „Arbeiter-Dom“ bezeichnet.

Geschichte

Im 7. Jahrhundert wurde unter dem Kölner Bischof Kunibert erstmals ein Fronhof Merreche aus dem fränkischen Königsgut als Geschenk an die kölnische Kirche erwähnt. Die Kirchengemeinde errichtete auf der Anhöhe, dem Kirberg (und späteren Kierberg) zunächst eine Kapelle, später eine Kirche. Ihr Einfluss sank, als 1180 der Erzbischof Philipp I. von Heinsberg den Burghof an der Brule zusammenfasste, aus dem die Gemeinde Brühl hervorging. 1274 wurde Brühl eigenständige Pfarrei und mit den steigenden Bevölkerungszahlen baute man dort in der Mitte des 14. Jahrhunderts an Stelle einer Kapelle eine dreischiffige spätgotische Basilika, St. Margaretha. Die Kirche in Merreche wurde zur Kapelle „Auf dem Kirchberg“ herabgestuft und von St. Margaretha aus betreut. Diese Situation blieb über mehrere hundert Jahre bestehen, bis im 19. Jahrhundert die Einwohnerzahl durch den Abbau von Braunkohle stark anstieg. Nun kam der Wunsch nach einem größeren Sakralbau auf, dem die Mutterkirche zustimmte. In den Jahren 1903 bis 1904 entstand der neugotische Bau nach Plänen des Architekten Alfred Tepe. 1909 erfolgte der Bau des Westturms.

2005 versetzte man den Volksaltar in Richtung Turm, um so den Platz für eine Werktagskirche zu schaffen.

Architektur

Die dreischiffige Hallenkirche wurde aus rötlichem Backstein mit einem vorgelagerten Turm errichtet. Sie hat eine Länge von sechs Jochen. Die Fenster im Chor sind spitzbogenförmig ausgestaltet und tragen ein Maßwerk mit zwei Nonnenköpfen und einem darüber liegenden Vierpass mit Dreiviertelkreisbögen. Sie zeigen biblische Szenen wie Christi Himmelfahrt, den Empfang des Heiligen Geistes und Mariä Aufnahme in den Himmel. Ihr ist auch die nördliche Chorkapelle gewidmet, während die südliche Chorkapelle als Taufkapelle dient. Das linke Fenster aus den 1960er Jahren von Hans Lünenborn aus Köln zeigt Anna Selbdritt, das rechte Barbara von Nikomedien, Schutzpatronin der Bergleute. Diese Lanzettfenster verfügen über einen Nonnenkopf. Die ebenfalls spitzbogigen Fenster im Kirchenschiff stammen vom Brühler Künstler Gerhard Hoffschulz. Sie sind mit drei Nonnenköpfen gestaltet, über denen mittig ein Vierpass und daneben je ein Dreipass angeordnet ist.

Der schlanke Turm ist mit einem auffälligen Strebewerk gegliedert, das vierfach gestuft ist und sich nach oben hin verjüngt. Sie betonen die ohnehin auffällige Lage auf dem Kierberg. Der Hauptzugang zur Kirche erfolgt durch eine doppelflügelige, dunkelrot angestrichene Holztür mit schwarzen Beschlägen, die mit Ornamenten verziert sind. Die Tür wird von einem dreifach gestaffelten Gewände aus roten Mauerziegeln umrahmt, die im oberen Bereich rundbogenförmig ausgestaltet sind. Links und rechts neben dem Gewände befinden sich zwei schlitzförmige Fenster, die mit Bleiglas geschmückt sind. Darüber thront ein mächtiges, spitzbogenförmiges Maßwerkfenster mit drei Nonnenköpfen, die mit je einem Dreipass bzw. in seiner Mitte von einem Vierpass abgeschlossen werden. Dessen Form wird an den Seitenschiffen durch je ein deutlich kleineres Maßwerkfenster mit zwei Nonnenköpfen und einem Dreipass aufgenommen. Oberhalb des Fensters ziehen sich zwei langgestreckte Klangarkaden, dessen Spitzbogenform durch rote Mauerziegel betont wird. Sie sind nochmals untergliedert und weisen im unteren Bereich eine weitere, spitzbogenförmige Vertiefung auf, in die jeweils ein schmales Fenster eingelassen ist. Die Klangarkaden sind ebenfalls in einem offenen Maßwerk verziert, bestehend aus zwei Nonnenköpfen mit je einem Vierpass. Dahinter befinden sich vier Glocken: die Servatiusglocke, die Josephglocke, die Marien- und Annaglocke. Sie sind mit jeweils einem Relief verziert, das die Kirche zwischen zwei Schornsteinen als Zeichen für den Braunkohlenabbau im 20. Jahrhundert zeigt. Oberhalb der Klangarkaden ist mittig die Turmuhr angebracht. Dabei handelt es sich um eine der letzten beiden mechanisch betriebenen Uhren im Erzbistum Köln aus dem Jahr 1910. Oberhalb des Turmschaftes befindet sich der zweifach genickte, mit schwarzen Schindeln verkleidete Turmhelm, der von einer goldenen Kugel, dem Kreuz und einem ebenfalls goldenen Wetterhahn gekrönt wird. Eine Öffnung auf der Ostseite des Turms wurde im Zuge des Projektes Lebensraum Kirchturm angebracht.

An den Außenwänden des Kirchenschiffs befinden sich ebenfalls große, spitzbogenförmige Maßwerkfenster sowie ein dreifach gestuftes Strebewerk. Die Form des Eingangsportals findet sich auch an je zwei Portalen der Nord- und Südseite in Höhe des zweiten Joches in gleicher Ausgestaltung wieder. Das schwarz gedeckte Satteldach umspannt die drei Schiffe. Auf dem Dach selbst sind pro Seite drei schmale, dreiecksförmige Dachfenster sowie ein Dachreiter in Höhe des dritten Joches zu sehen.

Innenausstattung

Die weiß gestrichene Decke ist mit einem Kreuzrippengewölbe ausgestaltet, dessen Schlusssteine mit Ornamenten verziert sind. Es ruht auf rötlichen Säulen aus Sandstein.

Der Volksaltar stammt vom Sürther Bildhauer Theo Heiermann. Er fußt auf rotem Marmor mit einer Mensa aus grünem Dolomit. Ein weiterer Altar befindet sich an der Südseite der Kirche. Er stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist den Aposteln Matthias und Jakobus gewidmet. Ein Teil des Altarbildes zeigt neben Jakobus eine Pilgerin, dessen Herkunft bislang Rätsel aufgab.

Der Beichtstuhl sowie die Kanzel stammen aus der Erbauungszeit der Kirche. Letztere ist aus dunklem Holz gearbeitet und zeigt die vier Evangelistensymbole. Das Geländer ist schlicht gehalten und mit dem Zweischneuß verziert. In der nördlichen Chorkapelle steht ein Flügelaltar, das mit reichhaltigem Gesprenge verziert ist und die Jungfrau Maria zeigt. In der südlichen Taufkapelle befindet sich an der Nordwand eine Büste aus dem 18. Jahrhundert. Sie zeigt den Pfarrpatron Servatius von Tongern und stammt vermutlich aus dem Kloster Benden. In der Mitte der Kapelle befindet sich eine schlichte, tulpenförmige Fünte aus hellem Sandstein.

Daneben ist in der Kirche ein Triptychon von W. Prinz mit den Themen „Bund“, „Auferstehung“ und „Das himmlische Jerusalem“, zu sehen, das ursprünglich im Chor hing. Zwischen den Achsfenstern des Chores am Übergang zum Kirchenschiff hängt ein Triumphkreuz. Die Orgel befindet sich auf der Empore unterhalb eines Triumphbogens am Westturm.

Literatur

  • Pfarrgemeinde St. Servatius (Hrsg.): Kirche in Kierberg – Geschichte und Bild der Pfarre St. Servatius Brühl-Kierberg. 1979
  • Wilfried Hansmann: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Erftkreises: Stadt Brühl (= Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen. I. Rheinland, Band 7.3). Hrsg. vom Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-7861-3000-0, S. 173–175.
Commons: St. Servatius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 Bettina Jochheim: Ein Ausflug zu den Glocken. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 28. Februar 2012, abgerufen am 1. November 2014.
  2. Kirche St. Servatius, Webseite des Erzbistums Köln, abgerufen am 1. November 2014.
  3. St. Servatius (Memento des Originals vom 29. November 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Webseite der Stadt Brühl, abgerufen am 1. November 2014.
  4. Rüdiger Schneider: Eine rätselhafte Pilgerin aus Brühl, Webseite jakobus-wege.de, abgerufen am 2. November 2014.

Koordinaten: 50° 50′ 12,9″ N,  53′ 7″ O

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