Staahaadler Aff (erzgebirgisch-mundartlich für: Steinheidler Affe) war der Name eines traditionsreichen Gasthofs in Steinheidel im westlichen Erzgebirge. Der seltsam klingende Name beruht auf dem seinerzeit im Speisesaal befindlichen Mandolinen-Orchestrion, dessen zentrale Figur ein Affe mit Mandoline war.

Geschichte

Die Geschichte der Gaststätte reicht zurück bis ins Jahr 1826, als sich Christian Heinrich Schmidt eine Erteilung der Konzession zum Bier- und Branntweinausschank in seinem Wohnhaus, einem früheren Zechenhaus, erbat. Sie wurde ihm am 26. Mai 1826 aus Dresden erteilt, wofür er rückwirkend ab Weihnachten 1826 jährlich einen Taler bei der obererzgebirgischen Oberzehntenkasse in Annaberg entrichten musste. Nebenbei betrieb er im selben Gebäude einen Kolonialwarenladen. Im Jahr 1846 zog Schmidt nach Rittersgrün und verkaufte das Lokal an Carl Gottlieb Mildner, der jedoch bereits 1852 starb. Sein Sohn Carl August betrieb den Ausschank nicht weiter. Ohne offizielle Genehmigung führte jedoch die Witwe Johanne Christiane Korb, geborene Gruner, den Gastbetrieb fort. Weiterhin dokumentiert sind Bauanträge durch Friedrich Krauß, eine Aufstockung des Gebäudes 1896 sowie Erweiterung 1897 durch Wilhelmine Krauß, geb. Escher, dann verwitwet. Von ihr übernahmen schließlich 1907 Anton und Clara Netuschil das Anwesen, der ab 1. Mai neben der Gastwirtschaft auch eine Pension betrieb. Das Geld für den Kauf bekamen sie vom Brauereidirektor August Knabenschuh von der Vereinsbrauerei Zwickau. Anton Netuschil, von Beruf Schmied, lernte Knabenschuh kennen, weil er in der Adlerschmiede in Zwickau-Pölbitz gegenüber dem Ballhaus "Neue Welt" die Brauereipferde beschlug. Damit das Wirtshaus einen guten Start hatte, stellte die Vereinsbrauerei das Mandolinenorchestrion zur Verfügung, welches aber Monat für Monat abgezahlt werden musste. Dieses stand zuvor schon in einem Gasthaus in Mülsen St. Jacob. Der dortige Wirt konnte aber seine Abzahlungsraten nicht mehr tätigen. So kam das Orchestrion nach Steinheidel und erfreut nach 100 Jahren noch immer die Gäste im Saal. Der Name war vorläufig „Gasthaus & Pension Steinheidel“. Bald war das Lokal als Ziel für Wanderer weithin bekannt und beliebt.

Durch den Ersten Weltkrieg und die Inflation 1923 ging der Fremdenverkehr im Erzgebirge begreiflicherweise stark zurück. Als er danach wieder verstärkt einsetzte, profitierte auch der Gasthof davon. Viel Geld floss in die Renovierung, Erweiterung und Modernisierung des Gebäudes. 1927 erfolgte der Anbau eines Saals, und ein Vereinszimmer wurde eingerichtet. Mit der Installation einer Zentralheizung kam man den Ansprüchen der Gäste entgegen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Gasthof als Massenquartier für Bergleute zweckentfremdet, die im Uranbergbau für die SDAG Wismut tätig waren. Nach dessen Ende wurde das Haus wieder seiner vorherigen Bestimmung zugeführt. Zunächst wurde eher einfache Hausmannskost gereicht, später erweiterte man die Speisenauswahl hin zu gutbürgerlicher deutscher Küche.

Nachdem der Gasthof in vier Generationen von derselben Familie bewirtschaftet worden war und sich die letzten Besitzer, Ingrid geb. Netuschil und Jörg Leischker, aus Altersgründen zurückgezogen hatten, fand sich kein geeigneter Nachfolger für den Betrieb. Daher wurde das Lokal 2021 geschlossen.

Veranstaltungslokal

In der Gaststätte wurde am 22. August 1926 der Erzgebirgszweigverein Steinheidel gegründet; er wurde im Jahr 1945 aufgrund eines Gesetzes des Alliierten Kontrollrates aufgelöst, jedoch an gleicher Stätte am 28. Mai 1995 (als EZV Erlabrunn/Steinheidel) wiedergegründet, wonach der Staahaadler Aff erneut als Vereinslokal diente. Auch für andere Organisationen, z. B. die Freiwillige Feuerwehr, diente die Gaststätte als regelmäßiger Veranstaltungstreffpunkt.

Mandolinen-Orchestrion

Besonderer Blickfang im Speiseraum der Gaststätte war ein Musikschrank der Leipziger Firma E. Dienst & Co, ein sogenanntes Orchestrion. Es handelte sich um eine Art überdimensionale Spieluhr, die, durch ein Gewicht mechanisch angetrieben, mit den Mitteln der damaligen Zeit die Musik eines ganzen Orchesters (welches, anders als der Name es suggeriert, nicht nur aus Mandolinen besteht) darbieten sollte. Das Musikwerk wird über eine Holzwalze mit kleinen Stahlstiften betrieben. Das Gewicht an der Rückwand und eine Fliehkraftregelung sorgen für eine gleichmäßige Geschwindigkeit beim Abspielen der Musik. Auf der Walze sind 6 verschiedene Lieder. Wenn man diese um 1 bis 1,5 mm verschiebt, erklingt eine andere Melodie. In der Mitte steht ein mandolinespielender Affe, der schließlich zum Namensgeber des Lokals wurde. Der Affe wird über eine kleine Walze unter dem Stuhl bewegt, die wiederum von der großen Walze gesteuert ist. Mit der Kurbel kann man an der linken Seite das Gewicht nach oben drehen, bis der Gong ertönt. Leider ist bis heute nicht sicher, wann das Gerät (D.R.G.M. Mandolinen Orchestrion „Ideal“) hergestellt wurde. Es ist im Jugendstil erbaut und wurde später von der Zwickauer Vereinsbrauerei erworben. Man schätzt seine Entstehung zwischen 1903 und 1905.

Der an der Front stehende Name J. Albin Schulze-Zwickau war nicht der Erbauer, sondern eine Art Zwischenhändler. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde das Orchestrion durch August Eduard Dienst hergestellt in der 1871 gegründeten "Erste Leipziger Accordion- und Musikwerke Fabrik" in Leipzig-Gohlis. DIe Produktionsstätte befand sich in der Langestraße 39/40. Dienst stellte verschiedene selbstspielende Instrumente wie Elektrische Piano's, Musikwerke, Drehorgeln und Orchestrien her. Seine Automaten lieferte er in die ganze Welt.

Künstlerische Rezeption

Das einzigartige Musikgerät inspirierte die belarussische Komponistin Oxana Omelchuk zu ihrem Werk „Staahadler Aff“ (für Schlagzeug und Samplepad), welches im Jahre 2010 uraufgeführt wurde; der deutsche Schlagwerker Dirk Rothbrust übernahm die Rolle des Perkussionisten.

Videoaufnahmen des Mandolinen-Orchestrions

Einzelnachweise

  1. Anne-Bärbel Schulze: 25 Jahre EZV Erlabrunn/Steinheidel. In: Amtsblatt der Gemeinde Breitenbrunn. Jahrgang 2020, Nr. 9, 6. Mai 2020, S. 1314 (breitenbrunn-erzgebirge.de [PDF]).
  2. Staahaadler Aff – Komposition für Schlagzeug und Samplepad von Oxana Omelchuk - VATMH (de). Villa Aurora - Thomas Mann House, abgerufen am 23. September 2023.

Quellen

  • Heide-Marie Kneehans: Ortsgeschichte von Erlabrunn. Hrsg.: Gemeinde Breitenbrunn. 1997.
  • Lars Rosenkranz: Possierlicher Affe als Namenspatron für ein Lokal. In: Freie Presse. Chemnitz 18. Februar 2013 (genios.de).
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