Starke Säuren bezeichnen in der Chemie eine Untergruppe der Säuren. Sie liegen in wässrigen Lösungen größtenteils ionisiert vor, somit sind sie starke Elektrolyten. Die Säurestärke bezieht sich immer auf die wässrigen Lösungen der Säure, nicht auf die Reinstoffe.

Reaktivität

Wenn eine reine Säure in Wasser gegeben wird, bildet sich eine saure Lösung. Diese Reaktion, bei der die Säure ihr Proton abgibt und auf die Base überträgt, nennt sich Protolyse. Starke Säuren liegen immer größtenteils protolysiert/ionisiert in wässriger Lösung vor. Das Reaktionsgleichgewicht liegt auf der Seite der Produkte. Folgend ist ein allgemeines Beispiel einer Säure HA, die in Wasser protolysiert:

Bei einer starken Säure liegt dieses Gleichgewicht, wie oben schon erwähnt, auf der rechten Seite, der Produktseite. Es bildet sich ein positiv geladenes Oxoniumion und ein negativ geladenes Anion. Das Anion ist die korrespondierende Base zur Säure. Diese Paare nennen sich korrespondierende Säure-Base-Paare.
Die Reaktivität der starken Säuren hängt im Wesentlichen von der Konzentration der gebildeten Oxoniumionen ab. Zusätzlich hängt die Reaktivität auch von der Base des Säure-Base-Paares ab.

pKs- und pKb-Werte

Ein Weg, herauszufinden, wie stark eine Säure ist, geht über die protochemische Spannungsreihe, in der die pKs- und pKb-Werte einiger Säure-Base-Paare aufgelistet sind. Die pKb-Werte bezeichnen hierbei die Basenstärke und die pKs-Werte die Säurestärke. Die pKs- und pKb-Werte geben an, inwieweit eine Säure bei der Gleichgewichtsreaktion mit Wasser protolysiert vorliegt. Dabei gilt: Je kleiner der Wert desto stärker ist die Säure/Base. Sehr starke Säuren besitzen einen pKs-Wert von kleiner als −0,35. Starke bis mittelstarke Säuren besitzen einen pKs-Wert von ±0,35. Starke Säuren sind immer auch schwache Basen. Die folgende Tabelle listet pKs- und pKb-Werte einiger sehr starker bis sehr schwacher Säuren und ihrer korrespondierenden Basen bei Standardbedingungen auf. Mittelstarke Säuren und Basen sind hellgrau hinterlegt, während schwache bis sehr schwache Säuren und Basen dunkelgrau hinterlegt sind. Sie sind nur zum Vergleich aufgelistet:

Säurestärke pKs Säure + H2O H3O+ + Base pKb Basenstärke
sehr stark −10 HClO4 ClO4 24 sehr schwach
−10 HI I 24
−6 HCl Cl 20
−3 H2SO4 HSO4 17
−1,32 HNO3 NO3 15,32
stark 0,00 H3O+ H2O 14,00 schwach
1,92 HSO4 SO42− 12,08
2,13 H3PO4 H2PO4 11,87
2,22 [Fe(H2O)6]3+ [Fe(OH)(H2O)5]2+ 11,78
3,14 HF F 10,86
3,75 HCOOH HCOO 10,25
mittelstark 4,75 CH3COOH CH3COO 9,25 mittelstark
4,85 [Al(H2O)6]3+ [Al(OH)(H2O)5]2+ 9,15
6,52 H2CO3 HCO3 7,48
6,92 H2S HS 7,08
7,20 H2PO4 HPO42− 6,80
schwach 9,25 NH4+ NH3 4,75 stark
9,40 HCN CN 4,60
10,40 HCO3 CO32− 3,60
12,36 HPO42− PO43− 1,64
13,00 HS S2− 1,00
14,00 H2O OH 0,00
sehr schwach 15,90 CH3CH2-OH CH3-CH2-O −1,90 sehr stark
23 NH3 NH2 −9
48 CH4 CH3 −34

Sehr starke anorganische Säuren

Bei den sehr starken anorganischen Säuren handelt es sich vor allem um Wasserstoffhalogenide, wie Chlorwasserstoff (HCl), Bromwasserstoff (HBr) und Iodwasserstoff (HI). Außerdem sind die Sauerstoffsäuren Schwefelsäure (H2SO4), Salpetersäure (HNO3) und Perchlorsäure (HClO4) bekannte sehr starke Säuren. Viele Supersäuren sind ebenfalls anorganisch.

Starke organische Säuren

Bei den organischen Säuren wird zwischen unterschiedlichen Stoffgruppen unterschieden. Sie werden nach ihren funktionellen Gruppen eingeteilt. Die bekannteste Gruppe sind die Carbonsäuren. Diese sind an sich meist eher mittelstark. Wenn allerdings in der Nähe der Carboxygruppe ein elektronenziehender Substituent ist, wie z. B. Halogenide, dann handelt es sich um starke Säuren. Beispielsweise ist die Trifluoressigsäure (CF3COOH) mit einem pKs-Wert von 0,23 wesentlich stärker als die unsubstituierte Essigsäure (CH3COOH) mit einem pKs-Wert von 4,75. Außerdem gelten die Sulfonsäuren, Phosphonsäuren, sowie unvollständig veresterte Schwefelsäureester und Phosphorsäureester als starke Säuren. Zu den stärksten bekannten organischen Säuren gehören die Supersäuren Pentacyanocyclopentadien und die Gruppe der per-halogenierten Carborane.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Charles E. Mortimer, Ulrich Müller: Chemie. Thieme, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-484310-1, S. 310 f.
  2. 1 2 3 T. L. Brown; H. E. LeMay; B. E. Bursten: Chemie, studieren kompakt. Pearson Verlag, München 2011, ISBN 978-3-86894-122-7.
  3. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 102. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-017770-1, S. 245.
  4. Gerhart Jander, Karl Friedrich Jahr, Gerhard Schulze, Jürgen Simon (Hrsg.): Maßanalyse. Theorie und Praxis der Titrationen mit chemischen und physikalischen Indikationen. 16. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-11-017098-1, S. 81.
  5. P.W. Atkins, T.L. Overton, J.P. Rourke, M.T. Weller, F.A. Armstrong: Shriver & Atkins’ inorganic chemistry. 5th Edition. Oxford University Press, Oxford New York 2010, ISBN 978-0-19-923617-6, S. 115.
  6. A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 91.–100., verbesserte und stark erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-007511-3, S. 241.
  7. Jerry March: Advanced Organic Chemistry. Reactions, Mechanisms, and Structure. 3. Auflage. Wiley, New York NY u. a. 1985, ISBN 0-471-88841-9, S. 222.
  8. 1 2 chem.wisc.edu: pKa Data, Compiled by R. Williams (PDF; 645 kB).
  9. Michael Hopkin: World's strongest acid created. In: Nature. 16. November 2004, S. news041115–5, doi:10.1038/news041115-5 (nature.com [abgerufen am 15. Oktober 2020]).
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