Eine Suite (zu französisch suite „Abfolge“) ist in der Musik eine vorgegebene Abfolge von Instrumental- oder Orchesterstücken, die ohne längere Pausen hintereinander gespielt werden. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts etablierte sich daneben der Name Partita (französisch auch Partie), im 18. Jahrhundert wurden Suiten auch oft durch Ouvertüren eingeleitet.

Suitensatzform

Die modellhafte Form des einzelnen Satzes einer barocken Suite ist die Suitensatzform. Ihre typischen Merkmale zeigen z. B. die Französischen und Englischen Suiten Bachs. Die Tanzsätze nach einem allfälligen Präludium sind zweiteilig; beide Teile enden mit Wiederholungszeichen. Grundlegend für die Form ist der harmonische Verlauf: Der erste Satzteil führt meist zur Dominante, der zweite Teil von der Dominante zur Tonika zurück. Der Rückweg ist meist ausgeweitet durch die Kadenz zu einer benachbarten Tonart – beispielsweise zur Tonikaparallele.

Manche Tänze erscheinen in einer übergeordneten symmetrischen Dreiteiligkeit, wobei der mittlere Teil oft in der Paralleltonart steht oder eine Variation enthält oder durch eine reduzierte Besetzung charakterisiert ist. Die Satzbezeichnungen lauten beispielsweise:

Renaissance und Frühbarock

Eine frühe suitenähnliche Kombination ist die Folge der Tänze „Pavana – Saltarello – Piva“ im vierten Buch von Joan Ambrosio Dalzas Intabolatura de Lauto (gedruckt 1508 bei Petrucci). Etienne du Tertre benutzte den Begriff „Suite“ erstmals 1557 für seine suyttes de bransles (suites des Branles), die, wie zu jener Zeit üblich, aus Paaren von Tänzen bestanden.

Weitere Urformen der Suite:

Die Urform des Vor- und Nachtanzes (Pavana, gefolgt von Galliarda) ist vor allem von Lautenisten zur Suite weiterentwickelt worden. Tanzstücke anonym (in Tabulaturen) verfasster Stücke wurden häufig geordnet nach Tonart zu Partien oder Suiten zusammengestellt. Die von Pierre Attaignant (Paris 1529 und 1530) publizierte Basse danse „La brosse“ ist die wohl älteste mehrstimmige Suite bzw. Orchestersuite.

Barock

In der Barockmusik sind die Einzelstücke einer Suite in der Regel echte oder stilisierte Tänze und stehen meistens in der gleichen Tonart. Der Zusammenhang wird neben der gemeinsamen Grundtonart manchmal auch durch Substanzgemeinschaft zwischen den Einzelsätzen hergestellt.

Eine erste erkennbare Suitenform ist 1610 Paul Peuerls Newe Padouan, Intrada, Dantz, und Galliarda, in denen die vier im Titel genannten Tänze in zehn Suiten erscheinen. Das Banchetto musicale von Johann Hermann Schein (1617) enthält zwanzig Abfolgen von jeweils vier verschiedenen Musikstücken. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts findet sich (bei P. Peuerl, M. Praetorius, M. Frank, H. Schein, S. Scheidt und J. Staden) die „deutsche Variationensuite“, mit folgenden Sätzen:

  • Paduana – Intrada – Dantz – Galliarda
  • Pavana – Galliarde – Allemande – Courante

Die „klassische“ Suitenfolge wurde zwischen ca. 1640 und 1670 von Chambonnières, Froberger, und Louis Couperin geschaffen, unter dem Einfluss französischer Lautenisten, unter anderem Denis Gaultier. Sie wurde in ihrer Reinform vor allem in der deutschen Cembalo- und Lautenmusik verwendet und bestand aus der Abfolge:

AllemandeCouranteSarabandeGigue,

wobei die Gigue später als die anderen auftaucht. Der Suite vorangestellt ist häufig ein Präludium bzw. – wie in Suiten für Barockgitarre von Francesco Corbetta, Robert de Visée, François Campion, Ludovico Roncalli und Santiago de Murcia – ein Prélude bzw. Preludio.

Französische Clavecinisten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts (wie Chambonnières, d’Anglebert u. a.) verwendeten typischerweise drei oder zwei Couranten, und lockerten die Folge unter dem Einfluss von Jean-Baptiste Lullys Balletten und Divertissements durch weitere Tänze auf. So wurde es üblich, Sätze wie Menuett, Gavotte, Chaconne, Passacaille, Canarie, Bourrée, Passepied, Rondeau usw. einzuschieben (die man auch als „Galanterien“ bezeichnete). In Frankreich stand am Ende der Suite häufig eine Gavotte und/oder ein Menuett. In deutschen Solosuiten und vor allem bei Bach und Händel ist normalerweise die Gigue der letzte Satz.

François Couperin nannte seine Cembalosuiten „Ordre“, und er brachte ab ca. 1710 in Frankreich vor allem zahlreiche Charakterstücke in Mode.

Schon am Hofe Ludwigs XIV. Ende des 17. Jahrhunderts wurde es modern, aus Opern von Lully und anderen französischen Komponisten wie André Campra oder André Cardinal Destouches Suiten von Orchesterstücken zusammenzustellen, dabei wurde der gesamten Suite oft eine Ouvertüre (ursprünglich ebenfalls aus Opern) als Eröffnungssatz vorangestellt. Die Auswahl und Reihenfolge der Tänze oder Charakterstücke war in diesem Falle mehr oder weniger beliebig, bunt und der Fantasie überlassen.

In dieser Form wurde die „Ouvertüren-Suite“ oder einfach nur Ouvertüre besonders bei deutschen Komponisten beliebt. Diese begannen, solche Werke nicht mehr (wie in Frankreich) aus Opern zusammenzustellen, sondern als eigenständige Instrumentalwerke zu komponieren (z. B. die sogenannten „Lullisten“ Kusser, Georg Muffat, Johann Caspar Ferdinand Fischer, Johann Joseph Fux u. a.).

Georg Philipp Telemann soll etwa 1000 Orchestersuiten geschrieben haben, von denen 200 erhalten sind. Von Johann Sebastian Bach stammen vier Orchestersuiten, außerdem die Französischen Suiten (ohne Ouvertüre), Englischen Suiten und Partiten für Cembalo sowie mehrere Suiten für Violoncello, Violine, Laute und Flöte. Georg Friedrich Händel benutzte die Form für seine Wassermusik und Feuerwerksmusik und schrieb zahlreiche Suiten für Cembalo, von denen 22 erhalten sind. Bedeutende und zahlreiche Ouverturensuiten schrieben auch Johann Friedrich Fasch und Christoph Graupner.

Klassik

Mit dem Ende des Barockzeitalters um 1750 kam die Suite aus der Mode, an ihre Stelle traten Divertimento, Serenade, Notturno und Kassation als Instrumentalmusik mit unterhaltsamem, heiterem bis tanzartigem Charakter.

Romantik

Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Suite für eine Auskopplung von Instrumentalsätzen aus einer Oper (Carmen-Suite), einer Bühnenmusik (Peer-Gynt-Suite, L’Arlésienne) oder einem Ballett (Nussknackersuite) benutzt, die – in mehr oder weniger bunter Folge – entweder vom Komponisten selbst oder von einem Bearbeiter vorgenommen wurde.

Von Komponisten wie Camille Saint-Saëns (Karneval der Tiere), Jean Sibelius (Karelia-Suite) oder Pjotr Iljitsch Tschaikowski wurde der Begriff für eine Abfolge von kleineren Stücken benutzt, die durch ein gemeinsames programmatisches Thema verbunden waren.

Orchestersuiten wie in der Barockzeit, wie die historistische Holberg-Suite oder die sieben Suiten von Franz Lachner, sind Ausnahmeerscheinungen.

20. und 21. Jahrhundert

Die Bezeichnung Suite wurde auch im 20. Jahrhundert in unterschiedlichen Musikstilen benutzt. Beispielsweise komponierte Federico Moreno Torroba eine Suite castellana für Gitarre mit den Sätzen Fandanguillo, Arada und Danza.

In der Zeit der Operette wurden die einzelnen Stücke immer seltener vollständig übernommen und mit Überleitungen verbunden, so dass das Potpourri entstand – eine Form, die im heutigen Medley immer noch lebt.

In der Salonmusik bis hin zur Radiomusik des 20. Jahrhunderts ist die Suite als Auszug von musikalischen Bühnenwerken, beziehungsweise als Folge von Tänzen oder Charakterstücken allgegenwärtig. In diese Tradition fügen sich auch etwa die Suite für Varieté-Orchester von Dmitri Schostakowitsch oder Mont Juic von Lennox Berkeley und Benjamin Britten ein.

Sehr beliebt sind Suiten auch bei Filmmusiken, wo diese ebenfalls ein zusammengeschnitenenes „Best-Of“ eines Soundtracks darstellen (häufig werden die einzelnen Stücke über sogenannte Crossfades zusammengefügt, so dass von manchen Stücken lediglich Fragmente auftreten). Sehr häufig findet sich die Suite eines Soundtracks an letzter Stelle des CD-Scores, als sogenannte 'End-Credits Suite'. Auch für Orchesterkonzerte sind Filmmusiksuiten beliebtes Repertoire – wobei ebenfalls nicht nur Originalorchestrationen, sondern ebenfalls zahlreiches Material für Laienorchester mit vereinfachter/abgespeckter Instrumentation, bzw. Orchestration zur Verfügung steht (beispielsweise fehlen in diesen Arrangements häufig eher problematische oder teure Instrumente, wie Kontrafagott, und ebenso schweres Laufwerk o. Ä. wird häufig vom Arrangeur vereinfacht).

Jazz

Auch im Jazz gibt es zahlreiche Beispiele für Suiten:

Rock

Und auch in der Rockmusik, insbesondere beim Progressive Rock, kann man Suiten finden:

Orientalische Musik

Auch außereuropäisch entwickelten sich suitenartige Darbietungsformen wie zum Beispiel der Radif im iranischen Kulturraum.

Literatur

  • Tobias Feilen, Julia Rosemeyer, Christian Hohmann, Astrid Hippchen, Axel Beer, Martina Wollner, Andreas Menk, Camilla Bork: Suite. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Sachteil, Band 8 (Querflöte – Suite). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1998, ISBN 3-7618-1109-8 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)

Einzelnachweise

  1. Frances Mattingly, Reginald Smith Brindle: Vorwort zu Antonio Casteliono: Intabolatura de leuto de diversi autori. (1536). Trascrizione in notazione moderna di Reginald Smith Brindle. Edizioni Suvini Zerboni, Mailand (1974) 1978, S. XII.
  2. 1 2 3 Konrad Ragossnig: Handbuch der Gitarre und Laute. Schott, Mainz 1978, ISBN 3-7957-2329-9, S. 116.
  3. Adalbert Quadt (Hrsg.): Lautenmusik aus der Renaissance. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1 ff. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1967 ff.; 4. Auflage ebenda 1968, Band 2, Vorwort (1967).
  4. Adalbert Quadt (Hrsg.): Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. Nach Tabulaturen hrsg. von Adalbert Quadt. Band 1–4. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970 ff., Band 2, 3. Auflage ebenda 1972, Vorwort (1971), und (Beispiele anonymer Suiten und Partien) Band 3, S. 15–21, 27–29 und 33–35 sowie (Suite von François Campion) S. 40–43 und (vier Suiten von Robert de Visée) S. 46–60.
  5. Friedrich Blume: Studien zur Vorgeschichte der Orchestersuite im 15. und 16. Jahrhundert. Leipzig 1925, S. 67 ff., 96 f. und 122 ff.
  6. Hans Dagobert Bruger (Hrsg.): Pierre Attaignant. Zwei- und dreistimmige Solostücke für die Laute. 1926, S. 11 f. (Verfasser evtl. „P.B.“) und 33.
  7. Vgl. etwa Adalbert Quadt (Hrsg.): Gitarrenmusik des 16.–18. Jahrhunderts. 4 Bände. Nach Tabulaturen herausgegeben. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1970–1984, Band 1, S. 26–54, Band 3, S. 40–60, und Band 4, S. 1–14 und 26–47.
  8. Bei Chambonnières, d’Anglebert, Élisabeth Jacquet de la Guerre, Lebègue, Marchand u. a.
  9. Andrés Segovia: F. Moreno Torroba, Suite castellana (= Gitarren-Archiv. Band 104). B. Schott’s Söhne, Mainz 1926; Neuausgabe Schott & Co., London 1954.
  10. Harald Suerland: Als der Rock die Kunst entdeckte. In: wn.de. 28. Februar 2021, abgerufen am 2. August 2023.
  11. Steve Aldous: The Songs of Genesis. McFarland, 2020, ISBN 1-4766-8138-4, S. 84 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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