Film | |
Originaltitel | Tótem |
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Produktionsland | Mexiko, Dänemark, Frankreich |
Originalsprache | Spanisch |
Erscheinungsjahr | 2023 |
Länge | 95 Minuten |
Stab | |
Regie | Lila Avilés |
Drehbuch | Lila Avilés |
Produktion | Tatiana Graullera, Lila Avilés, Louise Riousse |
Musik | Thomas Becka |
Kamera | Diego Tenorio |
Schnitt | Omar Guzmán |
Besetzung | |
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Tótem ist ein Spielfilm von Lila Avilés aus dem Jahr 2023. Das Familiendrama zeigt aus der Sicht eines 7-jährigen Mädchens die zum Teil chaotisch verlaufenden Vorbereitungen zu einer Geburtstagsfeier für dessen todkranken Vater, die zugleich auch ein Abschiednehmen bedeutet. Die Hauptrollen in dem Ensemblefilm übernahmen die Kinderdarstellerin Naíma Sentíes, Montserrat Marañón, Marisol Gasé, Teresita Sánchez und Mateo García Elizondo.
Die internationale Koproduktion zwischen Mexiko, Dänemark und Frankreich wurde im Februar 2023 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin uraufgeführt.
Handlung
Da ihre Mutter zur Arbeit ins Theater muss, verbringt Sol den Tag im Haus des Schwiegervaters. Das 7-jährige Mädchen beobachtet die Vorbereitungen zu einer Überraschungsparty für ihren bettlägerigen Vater Tonatiuh, kurz „Tona“ genannt. Der junge Maler leidet unter einer schweren Krebserkrankung und verlässt selten das Schlafzimmer, in dem schon seine Mutter an Krebs starb. Da sich Tona für den Abend ausruhen muss, darf Sol über Stunden nicht zu ihrem Vater. Sie ist sich seines schlechten Gesundheitszustands bewusst und hofft, dass er nicht sterben werde. Sol streicht durchs Haus und den großen Garten mit vielen Tieren. Aus Langeweile setzt sie Schnecken auf Familiengemälde, zerstört versehentlich eine Keramikschale, trinkt ein Schlückchen Wein und beginnt die Handy-KI zu fragen, wann die Welt untergehe. Bald beginnt sie zu glauben, dass Tona sie nicht liebe. Seine Pflegerin Cruz spendet ihr Trost und widerspricht ihr.
Sols Tanten Alejandra und Nuri sind währenddessen mit den Vorbereitungen für das Gartenfest am Abend beschäftigt. Obwohl die Familie zum Monatsende über kaum noch Geld verfügt und auch Cruz zwei Wochen Lohn schuldet, ist es vor allem die alleinstehende Alejandra, die hinter der Organisation des Fests für ihren Bruder steht. So engagiert sie eine Geisterbeschwörerin, die vorab negative Energien vertreiben soll. Tonas Schwester Nuri ist selbst Mutter einer Tochter, Ester. Gemeinsam backen sie einen Kuchen, der jedoch im Ofen verbrennt. Sie muss daraufhin die Arbeit von neuem beginnen. Ihr Vater, ein Psychiater, der keinen Kehlkopf mehr hat und auf einen elektronischen Stimmgenerator angewiesen ist, zeigt sich genervt von der Hektik, in der er Patienten empfängt.
Allmählich treffen weitere Familienmitglieder und Gäste im Haus ein. Von ihrem Onkel bekommt Sol einen Goldfisch geschenkt, den sie „Nugget“ nennt. Auf Rat des Onkels begeht die Familie im Wohnzimmer eine spirituelle „Quantentherapie“. Es wird darüber diskutiert, ob Tona eher mit Morphium oder eine Chemotherapie behandelt werden sollte. Am Abend trifft Sols Mutter im Haus ein und beide werden von Tona empfangen. Er schenkt seiner Tochter ein Bild mit einer Vielzahl an Tieren und gibt ihr zu verstehen, dass man manchmal Dinge nicht sehen könne, die man liebe. Sols Mutter schenkt Tona ein Holzgefäß mit Tamarindensamen, die verschiedenste Formen zustande bringen können. Die kleine Familie genießt eine kurze Zeit der Privatsphäre und umarmt sich.
Während heimlich Tonas Bilder abtransportiert werden, besucht dieser die Überraschungsparty im Garten und amüsiert sich mit Freunden und Verwandten. Eine startende Himmelslaterne fängt versehentlich Feuer, während Sol vom Dach aus das Geschehen beobachtet. Sie fühlt sich von der Drohne eines Gasts gestört, die sie zum Absturz bringt. In der Küche kommt es zum Streit zwischen Nuri und Alejandra, die bis zuletzt an einer Ersatztorte gearbeitet hat, sich dann aber betrinkt und der Party fernbleiben will. Nuri kritisiert ihre Schwester für deren Dominanz, Alejandra wiederum Nuri für ihren Alkoholkonsum, der auch vor der kleinen Esther nicht verborgen bleibt. Gegen Abend zieht sich die Familie ins Haus zurück, wo Sol und ihre Mutter eine kleine Show veranstalten, von der Tona sehr ergriffen ist. Sein Vater schenkt ihm einen liebevoll aufgezogenen Bonsai. Als Nuri den Geburtskuchen bringt, wünscht sich Tona nichts, während Sol gedankenverloren in die Kerzenflammen starrt. In der nächsten Szene sieht man Tonas leeres Schlafzimmer.
Veröffentlichung und Rezeption
Die Premiere des Films der mexikanischen Regisseurin erfolgte am 20. Februar 2023 im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Im internationalen Kritikenspiegel der britischen Fachzeitschrift Screen International erhielt der Film 2,9 von 4 möglichen Sternen und belegte unter allen 19 Wettbewerbsbeiträgen einen der vorderen Plätze.
Auch die deutschsprachige Filmkritik lobte einmütig Avilés’ Regiearbeit sowie die Leistung der im Kino noch unerprobten Kinderdarstellerin Naíma Sentíes in der Rolle der Sol:
Julia Dettke (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) zählte Tótem neben Christian Petzolds Roter Himmel zu den „beiden überzeugendsten“ Filmen im Berlinale-Wettbewerb. Er erinnerte sie an den Vorjahresgewinner Alcarràs – Die letzte Ernte, sei aber „doch so viel besser“. Allmählich werde dem Zuschauer „klar, dass hier mit dem Geburtstag von Sols Vater zugleich ein nahender Abschied gefeiert“ werde. „In den Kinderspielen findet sich keine falsche Süßlichkeit, er spricht nichts Überflüssiges aus, schreibt keine Sichtweise vor und verrät immer dann, wenn zu befürchten ist, er könne die Mystik ernst nehmen, einen feinen Humor“, so Dettke, die auch „eine Wasserobsession“ der Regisseurin ausmachte, da viele Figuren beim Haarewaschen, auf der Toilette oder im Badezimmer gezeigt werden.
Valerie Dirk (Der Standard) sah aufgrund des Familienthemas Ähnlichkeiten zum spanischen Wettbewerbsbeitrag 20.000 Arten von Bienen. Sie zählte Tótem ebenfalls zu „einem der besten Beiträge“. Regisseurin Avilés erzähle „eindringlich von einem Kind, das, umgeben von charakterstarken Tanten, auf dem Geburtstag ihres krebskranken Vaters mit dessen Schicksal“ ringe.
Eva-Christina Meier (die tageszeitung) lobte den Film als spannungsreiches Familienporträt sowie die Darstellung von Kinderdarstellerin Naíma Sentíes und die Kameraarbeit von Diego Tenorio. „Reizvoll undurchsichtig“ fügten „sich die verschiedenen Fragmente der familiären Beziehungen allmählich zu einem komplexen Ganzen zusammen“. Auch „die Objekte“ schienenb laut Meier in dem Film „zu sprechen“. Tenorios Kameraführung unterstreiche „diese Dramaturgie mit tastenden, neugierigen Einstellungen“.
Ulrich Seidler (Berliner Zeitung) pries Tótem als „herzzerreißenden und -erhöhenden Ensemblefilm“. Die Kamera folge „der schweifenden Dramaturgie des kindlichen Blicks“, wundere „sich über das Verhalten von Erwachsenen“, verströme „Befremden, Zuneigung und Vertrauen“ und ziehe „sich im größten Trubel in die Einsamkeit zurück“. Das schöne Gesicht von Naíma Sentíes lasse „Glück und Trauer“ durchfunkeln und verstrahle „die in den Film geschriebene Liebe zum Leben und zum verstrickten und gehaltenen Menschen, der sich nicht selbst“ gehöre „und schon deshalb“ weiterlebe, so Seidler.
Auszeichnungen
Tótem erhielt eine Einladung in den Wettbewerb um den Goldenen Bären, den Hauptpreis der Berlinale. Gleichzeitig wurde das Werk mit dem Preis der Ökumenischen Jury für den besten Wettbewerbsfilm ausgezeichnet.
Weblinks
- Offizielle Website von Alpha Violet (englisch)
- Berlinale-Profil
- Tótem in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Tótem. In: berlinale.de (abgerufen am 7. Februar 2023).
- ↑ Ellie Calnan: ‘Afire’ lands second on Screen’s Berlin jury grid; middling scores for other new titles. In: screendaily.com, 23. Februar 2023 (abgerufen am 25. Februar 2023).
- ↑ Julia Dettke: Feuer, Wasser, Klimawandel & Sex. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 26. Februar 2023, Nr. 8, S. 33 (abgerufen via lizenzpflichtiger Datenbank F.A.Z.-Bibliotheksportal).
- ↑ Valeria Dirk: Menschen, die auf Filme starren. In: Der Standard, 23. Februar 2023, S. 23.
- ↑ Eva-Christina Meier: Pozole und Morphium. In: die tageszeitung, 21. Februar 2023, S. 17.
- ↑ Ulrich Seidler: Wer stirbt, lebt weiter. In: Berliner Zeitung, 22. Februar 2023, S. 12.
- ↑ Berlinale-Favorit kann sich erste Preise sichern. In: faz.net, 25. Februar 2023 (abgerufen am 25. Februar 2023).