The Conqueror Worm (dt. Der Erobererwurm) ist ein Balladen-Gedicht von Edgar Allan Poe. Es wurde zuerst 1843 im Graham's Magazine veröffentlicht, jedoch kurz darauf durch Poe in einer revidierten Version von 1845 der Kurzgeschichte Ligeia beigefügt. In dieser Geschichte hat die Titelfigur das Gedicht wenige Tage vor ihrem Tode niedergeschrieben und bittet den Erzähler in ihrem Todeskampf, einige Verse zu wiederholen.

Form und Zusammenfassung

Das Gedicht bedient sich der beliebten Allegorie, die das Leben als ein Bühnenspiel skizziert und maßgeblich durch William Shakespeare geprägt wurde. Für Poe hat sie darüber hinaus Bedeutung, weil seine Eltern beide Schauspieler waren:

In Anlehnung an das Klassische Drama besteht es aus fünf Strophen stellvertretend für drei Akte, ein Zwischenspiel und einen Epilog. Die Strophen in Poes Gedicht erfüllen dementsprechend die Funktionen der verschiedenen Akte aus der Dramentheorie.

In der ersten Strophe werden die Rahmenbedingungen gegeben und die Akteure vorgestellt: Diese sind eine Schar Engel, eine Schar Menschen und der Erobererwurm als der personifizierte Tod. Die Engel sind sich über den katastrophalen Ausgang des Stücks im Klaren und treten in Trauerkleidung auf. Ein Orchester spielt ruckartige und unbeständige Musik.

In der zweiten Strophe werden die Menschen näher vorgestellt. Sie fühlen sich von Gott begnadet, gleichen aber eher seelenlosen Puppen, die beharrlich einem gestaltlosen Ideal (beziehungsweise einer Hoffnung oder einem Traum) nachjagen. Die Engel kommentieren dieses Verhalten als invisible woe: unsichtbares Leid.

Die dritte Strophe steht außerhalb der Handlung: Ein Dritter mahnt, dass das „Bunte Schauspiel“ sicher nicht vergessen werde. Dem Ideal werde immerfort nachgejagt werden, und das Wesen des Stückes sei der Wahnsinn und die Sünde der Menschen.

Die vierte Strophe treibt die Handlung weiter fort: Aus dem immerwiederkehrenden Hetzen der Menschen entsteigt eine Gestalt. Sie beginnt, die Schauspieler auf brutale Art und Weise zu fressen. Die Engel beweinen die Menschen.

Die letzte Strophe konstituiert ein Nachspiel und macht das gleich mit den ersten Worten verstärkt deutlich: "Aus ist das Licht!". Die Engel sind blass und bleich und verkünden sich erhebend die Einsicht, dass das vorangegangene Spiel die Tragödie "Mensch" gewesen, deren Held der Tod sei.

Reim und Metrik

Dass die metrische Struktur der ersten 4 Verse der ersten Strophe zu der der ersten 4 Verse der zweiten Strophe genau invers ist, lässt die Deutung einer Bedeutungsanalogie zwischen Engeln und Menschen zu, die in den jeweiligen Gedichtabschnitten vorgestellt werden. Die identische metrische Struktur von Strophe 3 und 4 wird damit erklärt, dass die Handlung der 4. Strophe nur das Eintreffen der Vorhersagen aus der 3. Strophe konstituiert.

Reim

Mit Ausnahme der letzten Strophe besteht jede aus 8 Versen in 4 reinen Kreuzreimen der Form ab ab cb cb. Die letzte Strophe hat 2 Kreuzreime und dazu einen jeweils sich kreuzenden Halb- und einen Augenreim. Das gibt die Form: ab ab (c)d (c)d.

Metrik

Allgemein liegt dem Gedicht ein jambisches Metrum zu Grunde mit entweder 3 oder 4 Versfüßen pro Zeile. (Ausnahme 2:16: 2 Füße). Die Fußstruktur ist hier nur in Strophe 3 und 4 identisch. Die letzte Strophe ist rein anapästisch mit durchgehend 3 Versfüßen (Ausnahme 5:33: trochäisch).

Der Wurm im Wurm

Der Ursprung der Verbindung zwischen Würmern mit dem Tod datiert sehr weit vor Poes' Lebzeiten zurück, dennoch wird als Inspiration für das Wurmmotiv eine Vielzahl an Stücken herangezogen. Mit Sicherheit ist der gigantische blut-rote Wurm mit tödlichen Klauen ein Phantasieprodukt Poes. Trotzdem hat es sein Abbild in der Wirklichkeit durch den Nereis-Wurm.

The Conqueror Worm

ZeileTextVersfüßeVersmaßReimFigurÜbersetzung
1:1Lo! 'tis a gala night3JASchau! Welch einzigartige Nacht
1:2Within the lonesome latter years!4JBunter den einsamen jüngsten Jahren!
1:3An angel throng, bewinged, bedight4JAEin Pulk von Engeln, beflügelt und beschmückt,
1:4In veils, and drowned in tears,3JBHyperbelverschleiert und in Tränen getränkt
1:5Sit in a theatre, to see4JCsitzt in einem Theater und betrachtet
1:6A play of hopes and fears,3JBein Spiel von Hoffnungen und Ängsten,
1:7While the orchestra breathes fitfully4JCMetapherWährend das Orchester holperig
1:8The music of the spheres.3JBDie Musik der Sphären atmet.
.
2:9Mimes, in the form of God on high,4JASchauspieler, nach Gottes Angesicht hoch oben,
2:10Mutter and mumble low3JBStabreimMurmeln und Flüstern leise,
2:11And hither and thither fly-3JAUnd hier- und dahin eilen sie-
2:12Mere puppets they, who come and go4JB, die sie mehr Puppen sind, die sie kommen und gehen
2:13At bidding of vast formless things4JCnachsteigend riesigen gestaltlosen Dingen,
2:14That shift the scenery to and fro,4JBdie den Vorhang auf und absenkend,
2:15Flapping from out their Condor wings4JCMetapherSchlagen aus ihren Kondorschwingen
2:16Invisible Woe!2JBunsichtbares Leid
.
3:17That motley drama- oh, be sure4JADas bunte Schauspiel-Ach gewiss!-
3:18It shall not be forgot!3JBsoll nicht vergessen sein!
3:19With its Phantom chased for evermore,4JAMit dessen Geist, der immerfort zu haschen versucht wird,
3:20By a crowd that seize it not,3JBvon einer Menge, die es nicht schafft,
3:21Through a circle that ever returneth in4JCSymboldie durch einen Kreis, der immer wieder
3:22To the self-same spot,3JBin denselben Punkt führt,
3:23And much of Madness, and more of Sin,4JCdem Wahnsinns noch mehr der Sünde verfallen
3:24And Horror the soul of the plot.3JBund Horrors ist das Wesen des Stücks.
.
4:25But see, amid the mimic rout4JAStabreimDoch schau, inmitten der Bande der Schauspieler
4:26A crawling shape intrude!3JBdringt kriechend eine Erscheinung ein!
4:27A blood-red thing that writhes from out4JAEin blut-rotes Ding, das bekümmerlich wirkt
4:28The scenic solitude!3JBStabreiminmitten der szenischen Einsamkeit.
4:29It writhes!- it writhes!- with mortal pangs4JCEs quält sich!-Es quält sich!- mit Todeskrämpfen
4:30The mimes become its food,3JBund die Schauspieler gereichen ihm zur Nahrung
4:31And seraphs sob at vermin fangs4JCund die Engel beschluchzen seine Fänge
4:32In human gore imbued.3JBin Menschlichen Blut getränkt.
.
5:33Out- out are the lights- out all!4TAAnapherAus-Aus ist das Licht-Alles Aus!
5:34And, over each quivering form,3ABund über jene zitternde Gestalt
5:35The curtain, a funeral pall,3AAMetapherein Vorhang, ein Leichentuch,
5:36Comes down with the rush of a storm,3ABsinkt herab mit der Geschwindigkeit eines Unwetters
5:37While the angels, all pallid and wan,3A(C)Und die Engel alle blass und bleich
5:38Uprising, unveiling, affirm3ADbejahen aufstehend, enthüllend
5:39That the play is the tragedy, "Man,"3A(C)Dass es sich bei dem Spiel um die Tragödie "Mensch" handelt
5:40And its hero the Conqueror Worm.3ADund um seinen Helden: den Erobererwurm.

Deutsche Übersetzungen (Auswahl)

  • 1891: Hedwig Lachmann: Der Eroberer Wurm. Verlag des Bibliographischen Bureaus, Berlin.
  • 1922: Theodor Etzel: Eroberer Wurm. Propyläen, München.
  • 1922: K. Merling: Überwinder Wurm. Rösl & Cie., München.
  • 1966: Arno Schmidt: Der Sieger Wurm. Walter Verlag, Freiburg i. Br.
  • 1989: Barbara Cramer-Nauhaus: Der Eroberer Wurm. Insel-Verlag, Leipzig.

Bibliografie

  • Heartman, Charles F. and James R. Canny, A Bibliography of First Printings of the Writings of Edgar Allan Poe, Hattiesburg, MS: The Book Farm, 1943.
  • Lubbers, Klaus, "Poe's 'The Conqueror Worm'," American Literature, 1967, 39:375-379
  • Thomas Ollive Mabbott (Hrsg.) Collected Works of Edgar Allan Poe. (Vol 1 Poems), Cambridge, *Mass.: The Belknap Press of Harvard University Press, 1969.
  • Routh, James, "Notes on the Sources of Poe's Poetry: Coleridge, Keats, Shelley," Modern Language Notes, March 1914, 29:72-75
  • Tritt, Michael, " 'Ligeia' and 'The Conqueror Worm'," Poe Studies, 1976, 9:21-22
  • Whitty, James Howard, ed., The Complete Poems of Edgar Allan Poe, Boston: Houghton Mifflin Co, 1911
Wikisource: Der Eroberer Wurm – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Siehe Ligea. In: Edgar Allan Poe: Meistererzählungen, hrsg. von Günter Blöcker, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin u. a. 1960, S. 201–221, hier S. 20–210.
  2. Vergleiche in As you like it: Akt II, Szene V, Vers 139:

    All the world’s a stage,
    And all the men and women merely players:
    They have their exits and entrances;
    And one man in his time plays many parts.

    Übersetzung:

    Die ganze Welt ist eine Bühne
    Mann und Weib nichts als Schauspieler:
    mit Auftritten und Abgängen
    Ein Mensch spielt zu seiner Lebzeit viele Rollen

  3. Nennenswert darunter:
    1. Shakespeare aus Romeo and Juliet Akt III, Szene I, Vers 112:

    A plague o’ both your houses!
    They have made worms’ meat of me.


    Übersetzung:

    Der Fluch euer beider Häuser!
    Er machte der Würmer Mahl aus mir

    2. Spencer Wallis Cone im Gedicht The Proud Ladye (1840):

    Let him meet the conqueror worm
    With his good sword by his side

    Übersetzung:

    Lass ihn den Erobererwurm treffen
    mit seinem guten Schwert in der Scheide.

  4. Studienführer von Michael J. Cummings.
  5. Eintrag in American Libraries
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