Koordinaten: 45° 13′ 8,7″ N, 36° 42′ 50,6″ O
Tmutarakan (russisch Тмутаракань, ukrainisch Тмуторокань Tmutorokan) ist eine antike Stadt an der Straße von Kertsch, der Verbindung zwischen Schwarzem Meer und Asowschem Meer. Sie lag auf der Taman-Halbinsel, in der heutigen Region Krasnodar, etwa gegenüber von Kertsch. Im heutigen Russisch steht der Begriff „Tmutarakan“ für „entfernte oder obskure Provinz“.
Griechische und jüdische Handelsstadt
Die Stadt wurde an der Stelle der antiken griechischen Kolonie Hermonassa gegründet, einige Kilometer westlich von Phanagoria, der größeren teanischen Stadt-Kolonie. Mit diesem und Pantikapaion zusammen war Hermonassa eine der wichtigsten Handelsstädte des Bosporanischen Reichs; seine griechische Kultur war sarmatischen Einflüssen ausgesetzt. Hermonassa wurde wohl durch die Hunnen zerstört, aber schon bald kamen neue Siedler dorthin. Im 7. Jahrhundert fiel die Region an die Chasaren, die die Festungsstadt Samkarsch erbauten. Arabische Quellen nennen die Stadt Samkarsh al-Yahud („Samkarsh die Jüdische“), was auf eine jüdische Mehrheit hindeutet. In manchen Quellen heißt sie auch „Samkersh“ oder „Samkush“.
Mit einer starken Ziegelmauer befestigt und für einen guten Hafen bekannt, war Samkarsh eine große Händlerstadt. Sie kontrollierte einen Großteil des nordeuropäischen Handels mit dem Oströmischen Reich und dem Nordkaukasus. Unter den Einwohnern waren Griechen, Armenier, Slawen, Juden, Osseten, Lesgier, Georgier und Tscherkessen. Auch nach der Zerstörung des Chasaren-Reichs durch Swjatoslaw I. von Kiew in der Mitte des 10. Jahrhunderts lebten Chasaren in der Gegend. Der Mandgelis-Brief von 4746 AM (985/986) nennt „unseren Herrn David, den Chasarenfürst“, der in Taman lebte und von Boten der Kiewer Rus besucht wurde, die ihn wegen religiöser Fragen konsultierten (was mit der Konversion Wladimirs I. zum Christentum zu tun haben könnte, die etwa um dieselbe Zeit stattfand).
Altostslawisches Fürstentum
Obwohl Datum und Umstände der Übernahme Tmutarakans durch die Kiewer Rus unbekannt sind, erwähnt die Hypatiuschronik Tmutarakan unter den Städten, die Wladimir I. seinen Söhnen gab; demnach kam die Stadt vor 1015 unter die Kontrolle der Rus. Der russische Name der Stadt – „Tmutarakan“ – leitet sich ab vom türkischen tamantarkan; dies könnte ursprünglich ein Titel oder Rang gewesen sein.
Wladimirs Sohn Mstislaw von Tschernigow war Fürst von Tmutarakan von 988 bis 1036. Während seiner Herrschaft wurde die erste steinerne Kirche errichtet, von der noch Ruinen existieren. Die Kirche war der Gottesgebärerin geweiht. 1066 wurde Fürst Rostislaw Wladimirowitsch von Tmutarakan von einem byzantinischen Beamten vergiftet. Danach gehörte die Stadt Swjatoslaw II. Jaroslawitsch von Tschernigow, und danach dem Großfürsten von Kiew, Wsewolod I. Jaroslawitsch. 1079 ernannte Swjatoslaw einen Gouverneur (possadnik), der zwei Jahre später von Dawid Igorewitsch und Wolodar Rostislawitsch getötet wurde. Die beiden besetzten die Stadt, wurden aber von Oleg Swjatoslawitsch vertrieben, der aus dem Oströmischen Reich gekommen war, sich nun zum „Archont von Chasarien“ ernannte und die Stadt zu seiner Hauptstadt machte.
Niedergang
Im 12. Jahrhundert wurde die Stadt durch die Kumanen von der eigentlichen Rus isoliert und begann zu verfallen. Die letzte Erwähnung erscheint in einer Schrift aus dem Jahr 1378.
Die Region um die Stadt war Teil des genuesischen Protektorats Gazaria (abgeleitet von den Chasaren), zentriert auf die Stadt Kaffa, das heutige Feodossija auf der Krim. Das Gebiet wurde von der Familie Ghisolfi verwaltet. Im Jahr 1482 wurde es vom Girai-Khanat erobert.
Während des größten Teils des 17. und 18. Jahrhunderts wurde das Gebiet von den Kosaken beherrscht, die ihr Zentrum in der nahen Staniza Taman hatten. 1791 wurde das Gebiet russisch.
1792 wurde die Stätte von Tmutarakan entdeckt, als ein Bauer einen Stein mit einer Inschrift fand, die besagte, dass Prinz Gleb 1068 die Entfernung von hier über Kertsch bis zum Meer gemessen hatte. Im 19. und 20. Jahrhundert wurden Ausgrabungen durchgeführt.
Literatur
- Viktor F. Gajdukevič: Das Bosporanische Reich. 2. Auflage, Akademie-Verlag, Berlin 1971 (zur antiken Geschichte).