Als Torfstich oder Torfstechen wird der oberirdische Abbau von Torf bezeichnet. Dieses organische Material, das in Mooren durch beginnende Inkohlung aus abgestorbenen Pflanzen entsteht, dient als niederenergetischer Brennstoff, zur Verbesserung der Bodendurchlüftung im Gartenbau und in geringem Umfang auch zur Herstellung von Textilfasern und für medizinische Heilzwecke.
Torfstich und Umweltschutz
Die Torfgewinnung ist in den letzten Jahrzehnten aus mehreren Gründen stark zurückgegangen. Zum einen muss in dem Feuchtgebiet durch Gräben – und in manchen Niedermooren auch durch Abpumpen – der Grundwasserspiegel abgesenkt werden, um das Moor trockenzulegen, bevor der Torf gestochen werden kann. Als man erkannte, dass insbesondere Hochmoore aufgrund der großen Niederschlagsmenge, die sie aufnehmen können, eine wichtige regulatorische Wirkung auf den Wasserhaushalt haben, ergaben sich als Folge anhaltende Kosten und andauernde Nachteile durch die Entwässerung. Zum zweiten wurde dem Artenschutz im Lauf der Zeit ein größerer Wert beigemessen, und die meisten Arten der Moorflora und -fauna gelten als bedroht oder stark bedroht. Da in Mooren beträchtliche Mengen an Kohlenstoff gespeichert sind und diese durch den Torfabbau wieder freigesetzt werden, wäre es für den Klimaschutz vorteilhaft, den Boden wieder zu vernässen und den Torf auf diese Weise zu bewahren. Zum dritten bemüht man sich heute, im Sinne des Landschaftsschutzes ursprüngliche Lebensräume zu erhalten. Und nicht zuletzt ist der Torfabbau heute wirtschaftlich kaum mehr lohnend, weil zum einen die großen, im industriellen Maßstab lohnenden Moorflächen mittlerweile abgetorft sind, und zum anderen andere hochenergetische fossile (Brenn-)Stoffe die Funktion des Torfs weitgehend übernommen haben.
Moore wachsen extrem langsam, ein intakter Torfkörper nimmt pro Jahr nur um einen Millimeter an Mächtigkeit zu, das heißt, es dauert 1000 Jahre, um einen einzigen Meter Torf zu erzeugen. Wegen dieser Langsamwüchsigkeit erholen sich Moorflächen auch nach Renaturierungsversuchen nur sehr langsam. Daher wird heutzutage die Zulassung neuer Torfstichflächen sehr restriktiv und mit strengen Auflagen gehandhabt.
Aus den gleichen Gründen wird auch die Verwendung von Torf im Gartenbau in den letzten Jahrzehnten zunehmend kritisiert, denn Hobbygärtner bringen pro Jahr über zwei Millionen Kubikmeter Torf in ihren Gärten aus. Darüber hinaus kann Torf zwar die Durchlüftung des Bodens verbessern, die Bodenqualität selbst wird aber verschlechtert, weil Torf zum einen extrem nährstoffarm ist und zum anderen die Bodenversauerung fördert.
Das wachsende Umweltbewusstsein der Bevölkerung veranlasst in einigen Ländern Europas die Torfindustrie mittlerweile, einige ehemalige Abbaugebiete wieder zu vernässen, um zumindest kleinere Moorflächen wieder zu regenerieren. Eine Möglichkeit dazu bietet die sog. Zuger Methode, im innerschweizer Kanton Zug entwickelt, die mit Sägemehl ehemalige Entwässerungsgräben in Mooren auffüllt, nachdem sie mit Holzschaltafeln aufgestaut wurden.
Das Torfstechen
Manueller Torfstich
In der gemäßigten Klimazone ist das Torfstechen schon seit etwa 3000 v. Chr. nachweisbar. Bevor Torf gestochen werden konnte, musste das Moor durch ein verzweigtes Grabensystem entwässert und durch ein System von Zwischendämmen mit Wegen zwischen Torfstich und Torfdarre erschlossen werden. Bei der Anlage eines Torfstichs wurde zunächst mit dem Spaten die Moosnarbe von den Moorbauern entfernt, dann wurde der darunter befindliche Weißtorf mit der Schaufel ausgehoben. Der tiefer liegende Brauntorf wurde mit Stiekern oder Stecheisen in Soden gestochen und nach dem Hauptabnehmer auch „Bäckertorf“ genannt. Dieses Torfstechen war eine körperlich extrem anstrengende Arbeit. Eine zwar fiktive, gleichwohl aber anschauliche Vorstellung von der Härte der Arbeit im Moor vermittelt der preisgekrönte Spielfilm Freistatt von 2015. Die Torfsoden wurden auf Torfkarren verladen und meist von Kindern zum Trockenplatz gezogen. Dort wurde er so aufgestapelt, dass das Regenwasser an den Außenwänden ablaufen konnte. Der Torf trocknete den ganzen Sommer über, bis zum Spätherbst wurde er nicht nur erheblich leichter, sondern auch sein Volumen schrumpfte stark zusammen.
Wegen seines hohen Brennwertes war der zu unterst liegende Schwarztorf am wertvollsten. Wenn keine ausreichende Moorentwässerung gelang, war sein Abbau aber ausgesprochen schwierig, weil ihn die Torfstecher in halbflüssigem Zustand aus den bis zu sechs Meter tiefen Torfgruben heben mussten. Auf dem Trockenplatz wurde der schwarze Torfschlamm eben verteilt und durch Trampeln mit den Füßen „gepettet“. War das meiste Wasser auf diese Weise herausgepresst, blieb der Schwarztorf zum Trocknen liegen und wurde anschließend in Soden geschnitten.
In Vorpommern wurde die Torfgewinnung später als in den beschriebenen Gebieten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins begonnen, solange ausreichend Brennholz in den ausgedehnten Wäldern vorhanden war. Torf wurde dann in Handstichen gewonnen, die heute nicht mehr zu erkennen sind, da sie sich wegen der geringen Tiefe selbst wieder renaturierten.
Mechanisierter Torfstich
Etwa ab 1800 wurde die manuelle Arbeit beim Torfstechen in zunehmendem Maße durch Maschinen ersetzt. Wie beim Abbau im Handstich setzt der maschinelle Torfabbau die Entwässerung des Bodens voraus. Die Bunkmaschine entfernte vor den Torfbaggern die oberste, etwa 50 cm dicke Schicht aus Pflanzen, evtl. Humus und Weisstorf, der Abraum wurde in den Pütt der vergangenen Jahre verbracht. Mit Hilfe von Torfbaggern wurde anschließend der Schwarztorf gewonnen, gepresst und in Soden zerteilt. Das Wenden der trocknenden Soden wurde zunehmend maschinell durchgeführt, ebenso das Einsammeln des trockenen Torfes. Nach dem Schwarztorfabbau wurde die „abgebunkte“ Torffläche mit Tiefpflügen bearbeitet, um die Torfreste mit den darunter liegenden Sandschichten zu vermischen. Nach diesem Rigolen war der Boden besser rekultivierbar.
Die großen Torfvorkommen im Flusstal der Peene in Vorpommern wurde ab dem 19. Jahrhundert kommerziell genutzt. Am Beispiel der Torfproduktion im Bereich Gützkow soll das demonstriert werden. 1844 kaufte die Stadt die ersten Torfstichmaschinen, die aber wegen der schwierigen Verhältnisse noch nicht effektiv genutzt werden konnten. Die Torfschichten sind bis zu zehn Meter mächtig, das Flusstalmoor ließ sich damals nicht richtig entwässern. So begann man 1856 mit einer planmäßigen Projektierung (siehe Bild – auf Leinen gezeichneter Plan 1 × 2 Meter) die Vorbereitung der Produktionsflächen. Aus den Hochuferbereichen wurden Sandmassen gewonnen, die zu Dämmen aufgeschüttet wurden, gleichzeitig wurden Grabensysteme angelegt. Die ausgehobenen Erdschichten, einschließlich der für die Abbauflächen nicht nutzbaren oberen Schichten wurden ebenfalls für die Dämme genutzt. Nun konnten die Maschinen eingesetzt werden. Bekannt sind Abbautiefen von sechs bis acht Meter. Unterschieden wurde nach Grüntorf, Trockentorf und Presstorf. Der Grüntorf war kurz luftgetrockneter Torf, Trockentorf war in Scheunen und Schuppen länger getrockneter Torf. Presstorf war maschinell gepresster Torf, der wie Brikett aussah. Aus ihm war das Wasser herausgepresst und der Torf stark verdichtet worden. 1922 kosteten 1000 Stück Grüntorf 40 RM. Gützkow hatte zu der Zeit bereits fünf Maschinen.
In benachbarten Torfstichgebieten wurden zunächst Polder eingedeicht und kurz vor 1900 Windpumpen aufgebaut, die das Wasser aus den Flächen pumpten.
Kohle war in Pommern für Privathaushalte kaum zu erhalten und auch kaum zu bezahlen. So war Torf der einzige Brennstoff. Das blieb auch nach 1945 so. 1947 wurde in Gützkow eine Torfgenossenschaft gebildet, bei der 40 bis 50 Personen beschäftigt waren. Erst 1959 wurde die Genossenschaft aufgelöst und die Torfgewinnung eingestellt. Um 1950 wurden jährlich 1000 Tonnen Grün-, 1200 Tonnen Trocken- und 1800 Tonnen Presstorf hergestellt – nur für Heizzwecke.
- Torfstichlandschaft im Peenetal
- Trockentorf im Museum Gützkow
(Über 60 Jahre alt)
Wirtschaftliche Bedeutung des Torfstichs
Seit etwa 4.000 Jahren unterliegen Moorflächen in Mitteleuropa einer mehr oder minder intensiven Nutzung. Bereits seit Beginn der Bronzezeit wurde Brenntorf gewonnen, der in Form luftgetrockneter Soden möglicherweise die Basis der Kupfer- und Zinnschmelze für die Bronzeherstellung bildete.
Aufgrund von frühen Quellen (z. B. Plinius) wissen wir, dass Torf besonders an der Nordseeküste (aufgrund der großen Küstenmoore und mangels geeigneter Alternativen) schon sehr lange als Brennstoff genutzt wird. Die Wärmeausbeute ist zwar geringer als jene von Braunkohle, jedoch besser als die von Holz. In größerem Umfang setzte die Torfnutzung erst mit der Holzverknappung ab etwa 1750 ein, bis sie um 1900 allmählich durch die Kohlefeuerung abgelöst wurde.
In den Gebirgsregionen Europas hatte der Torfstich geringere Bedeutung als im Flachland, vermutlich weil durch den Kiefernbestand einfacher zu gewinnendes Brennmaterial in ausreichender Menge existierte. Torf wurde eher als Nebenprodukt bei der Trockenlegung feuchter Wiesen gestochen und in der Landwirtschaft als Streu in den Ställen verwendet; nur in Notzeiten diente er auch als minderwertiger Brennstoff.
Teilweise wurde der gestochene Torf auch zu Torfkohle weiterverarbeitet, der Prozess ist der gleiche wie bei der Gewinnung von Holzkohle. Torfkohle hat einen Brennwert von mehr als 20 MJ/kg, sodass man sie bei Holzkohleknappheit sogar zur Erzverhüttung einsetzte. Nachdem die während der Industrialisierung abgeholzten Wälder wieder aufgeforstet waren, ging der Bedarf nach Torfkohle wieder zurück.
Heute sind die wichtigsten Abbauländer für Torf in Europa Finnland, Schweden, das Baltikum, Irland und Deutschland sowie der europäische Teil Russlands. In Russland, Finnland, Irland und Schweden ist Torf nach wie vor Brennstoff zur Energieerzeugung, insgesamt gehen ca. 50 % des in Europa (ohne Russland) abgebauten Torfs in die energetische Nutzung.
Siehe auch
Weblinks
- Philippe Hebeisen: Torfstecherei. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Video: Torfstechen im Dachauer Moos. Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) 1970, zur Verfügung gestellt von der Technischen Informationsbibliothek (TIB), doi:10.3203/IWF/E-1560.
- Video: Torfstechen in Holstein. Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) 1970, zur Verfügung gestellt von der Technischen Informationsbibliothek (TIB), doi:10.3203/IWF/W-865.
- Video: Torfgewinnung ("Torfbacken") in Damendorf. Institut für den Wissenschaftlichen Film (IWF) 1982, zur Verfügung gestellt von der Technischen Informationsbibliothek (TIB), doi:10.3203/IWF/E-2087.
- Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde e. V. (DGMT): dgmtev.de
- moorwissen.de: Torfmooskultivierung (-> „Paludikultur“)
- Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Deutschland): torffrei.info
- Statistiken (engl., aus Survey of Energy Resources) (Memento vom 11. Juli 2002 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ Moore mindern CO2, Bundesregierung, 14 August, 2014. Abgerufen im 17 Oktober, 2017.
- ↑ Was Esaf-Sägemehl in einem Zuger Moor zu suchen hat, Laura Sibold, Zuger Zeitung, Ausgabe vom 31. August 2019, Abruf vom 2. Juli 2023