Der Torre della Garisenda (Tårr Måzza o la Gariṡannda im bologneser Dialekt) ist einer der sogenannten due torri (dt.: zwei Türme) von Bologna in der italienischen Region Emilia-Romagna, ein Symbol der Stadt. Er steht an der Piazza di Porta Ravegnana, an der Kreuzung der alten Straßen San Donato (heute Via Zamboni), Via San Vitale, Strada Maggiore, Via Santo Stefano und Via Castiglione.
Geschichte und Beschreibung
Bologna war im Mittelalter eine „betürmte“ Stadt par Excellence; ihr Panorama war mit etwa 150 Geschlechtertürmen gespickt, deren Funktion nicht nur strategisch oder militärisch war, sondern die auch als architektonische Merkmale das Prestige der jeweiligen Eigentümerfamilien zeigten. Zu den charakteristischsten dieses städtischen Gefüges zählte unzweifelhaft der Torre della Garisenda, ein gemauerter Turm, den die Garisendas, eine prosperierende ghibellinische Geldwechsler-Familie, 1109 errichten ließen. Ursprünglich hatte der Turm eine Höhe von 60 Metern, wurde aber unter der Signoria von Giovanni Visconti da Oleggio (1335–1360) wegen struktureller Fehler auf 48 Meter gekürzt. Diese hatten sich im Fundament früh und intensiv gezeigt, gekennzeichnet durch schlechte mechanische Fähigkeiten und Tragfähigkeit. Aus dem letztgenannten Grund neigte sich das gesamte Gebäude immer mehr bis auf einen Überhang von 3,22 Metern, entsprechend einer Neigung von 4°.
Obwohl von der größeren Höhe des benachbarten, zeitgenössischen Torre degli Asinelli überschattet, weckte der Torre della Garisenda ein breites, literarisches Echo: Er wurde mehrmals von jungen Dante Alighieri erwähnt, der viele Male in seinem Leben durch Bologna kam. „Der Höchste“ dichtete bei zwei Gelegenheiten über den Turm: Beim ersten Mal in einem Sonett, wo der Dichter sein Bedauern darüber ausdrückt, dass er ausschließlich den Torre della Garisenda gesehen hätte, und „den größeren (die größere), von dem (der) man spricht“ (womit eben der Torre degli Asinelli gemeint ist oder vermutlich eher eine attraktive Frau, sicherlich nicht Beatrice) vergessen hätte. Beim zweiten Mal in der „Commedia“, in der als Maßstab für den Riesen Antäus dient, der in dem hochaufragenden Akt des Bückens, in einigen Versen eingefangen ist, die auch in einem Epigraph erwähnt werden, der auf dem Turm selbst angebracht ist:
„Non mi poriano già mai fare ammenda / del lor gran fallo gli occhi miei sed elli / non s’accecasser, poi la Garisenda / torre miraro co’ risguardi belli, / e non conobber quella (mal lor prenda!) / ch’è la maggior de la qual si favelli“ Rime, LI - Non mi poriano già mai fare ammenda
(dt.: Was die Garisenda zu betreffen scheint / unter dem Hang, wenn eine Wolke geht /darüber, sodass es im Gegenteil hängt, / so war Antäus für mich, der in Schach war, / um ihn bücken zu sehen ...)
Nachdem der Turm um ungefähr 12 Meter „gekürzt“ worden war, erlebte er verschiedene Höhen und Tiefen: Die mächtige Corporazione dei Drappieri, die ihren Sitz im gegenüberliegenden Palazzo degli Strazzaroli hatte, kaufte ihn und im Laufe der Jahrhunderte wurde er teilweise durch verschiedene Bauten verdeckt, die um ihn herum errichtet wurden, darunter Geschäftsgebäude und eine kleine Kirche, die Santa Maria delle Grazie geweiht war (1710). Diese Gebäude mit einem ausgeprägten überbefruchtenden und verstörenden Charakter des globalen Architekturbildes des Torre della Garisenda wurden Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen, eine Zeit, in der auch eine Verkleidung des Erdgeschosses in Bossenwerk aus Selenit angebracht wurde. Ebenfalls im 19. Jahrhundert, mitten in der napoleonischen Zeit, gelangte der Turm in die Hände der Familie Ranuzzi und später in die der Malvezzi Campeggi, an Raimondo Franchetti am 27. August 1904 und schließlich an die Stadt Bologna, in deren Verwaltung er bis heute ist.
Sonstiges
1987 benannte die FS den Intercity Bologna Centrale – Roma Termini „Garisenda“.
Einzelnachweise
- ↑ Andrea Malossini: Le torri di Bologna. 2017. ISBN 88-6680-252-2. S. 59–61.
- ↑ Dante Alighieri, Inferno, canto XXXI.
- ↑ La Torre pendente. Genus Bononiae, abgerufen am 4. Dezember 2020.
Quellen
- Paolo Nannelli, Francisco Giordano: La Torre Garisenda. Il processo conoscitivo e l'intervento di consolidamento in INARCOS, rivista ingegneri e architetti. LIV, Bologna, Oktober 1999. S. 603.
- Francisco Giordano (Herausgeber): La torre Garisenda. Costa, Bologna 2000.
- C. Giunta (Herausgeber): Rime, in Dante Alighieri: Opere. dir. von M. Santagata. Band I. Mondadori, Mailand 2011. S. 155–159. In rif. all'enigma del sonetto della Garisenda.
Weblinks
- Le due Torri: Garisenda e degli Asinelli. In: Bologna Welcome. Archiviert vom am 24. Dezember 2015; abgerufen am 4. Dezember 2020.
Koordinaten: 44° 29′ 39,7″ N, 11° 20′ 48,4″ O