Als transnational (von lateinisch trans „jenseits“, und natio „Nation“) werden Merkmale und Prozesse bezeichnet, die über die staatlichen Grenzen der Nationen hinausgehen und auch von nichtstaatlichen Akteuren stammen.
Politikwissenschaft
In der Politikwissenschaft bezieht sich transnational auf die Tatsache, dass Beziehungen zwischen Angehörigen von Bevölkerungen verschiedener Staaten bestehen, im Unterschied zu internationalen Beziehungen, die zwischen Staaten selbst (und ihren Regierungen) bestehen. Beispiele sind Beziehungen zwischen Nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) und Religionsgemeinschaften oder allgemeiner alle wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, die nicht über Staaten vermittelt sind. Transnationale Akteure sind somit gesellschaftliche Akteure, die über Ländergrenzen hinweg agieren. Zu diesen können Transnationale Organisationen gezählt werden (zum Beispiel Hilfsorganisationen, Wirtschaftsunternehmen). Aber auch soziale Netzwerke und soziale Bewegungen (zum Beispiel Globalisierungskritiker) werden als transnational bezeichnet, wenn deren Strukturen unabhängig von staatlicher Vermittlung in mehreren Staaten bestehen.
Migrationssoziologie
In der Migrationssoziologie bezeichnet transnationale Migration ein Verhalten, bei dem die Migranten nicht dauerhaft aus einem Staat aus- und in einen anderen einwandern und sich an dessen Gesellschaft assimilieren oder dort eine eigene Subkultur entwickeln, sondern in mehr oder weniger kurzen Intervallen zwischen diesen beiden Staaten wechseln – siehe hierzu Transnationalismus.
Geschichtswissenschaft
In der Geschichtswissenschaft bezeichnet transnationale Geschichte eine Forschungsperspektive, bei der die Perspektive über die nationalstaatlich fixierte und begrenzte Geschichtsdeutung einer Nationalgeschichte hinausgeht.
Kulturwissenschaften
In den Literatur- und Kulturwissenschaften, insbesondere der Anglistik/Amerikanistik und den Postcolonial Studies, werden Texte und kulturelle Artefakte als transnational bezeichnet, die nicht einem einzigen, nationalen Kulturraum zugerechnet werden können, sondern deren Produktion und Rezeption eine transnationale Wirkung erlauben. Unter anderem aufgrund von Migration, Exil, Diaspora und Transkulturation vertreten Autoren und Kulturschaffende eine transnationale und translokale Kulturpoetik. In Nations Unbound notieren Linda Basch und andere, dass transnationale Identitäten von Subjekten selbst nicht vollständig artikuliert werden können, sondern „only in contemporary fiction […] this state of 'in-betweenness' has been fully voiced“.
Rechtswissenschaft
In der Rechtswissenschaft wird transnationales Recht als Recht zwischen Akteuren verschiedener Staaten, wie Privaten und NGO's, verstanden.
Literatur
- Linda Basch, Nina Glick Schiller, Cristina Szanton Blanc: Nations Unbound: Transnational Projects, Postcolonial Predicaments, and Deterritorialized Nation-States. Routledge, London 2003, ISBN 2-8812-4630-3 (englisch; Leseprobe in der Google-Buchsuche).
- David Käbisch, Michael Wermke (Hrsg.): Transnationale Grenzgänge und Kulturkontakte: Historische Fallbeispiele in religionspädagogischer Perspektive. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2017, ISBN 978-3-374-04819-9.
- Jürgen Nowak: Homo Transnationalis: Menschenhandel, Menschenrechte und Soziale Arbeit. Budrich, Opladen u. a. 2014, ISBN 978-3-86649-473-2.
- Mathias Albert (Hg.), Gesa Bluhm (Hg.), Jan Helmig (Hg.), Andreas Leutzsch (Hg.), Jochen Walter (Hg.): Transnational Political Spaces. Agents - Structures - Encounters. Campus 2009, ISBN 978-3-593-38945-5.
Einzelnachweise
- ↑ Linda Basch, Nina Glick Schiller, Cristina Szanton Blanc: Introduction. In: Dieselben: Nations Unbound. Transnational Projects, Postcolonial Predicaments, and Deterritorialized Nation-States. Gordon & Breach, Luxembourg 1994, ISBN 0-203-34700-5, S. 5 (englisch; Seitenansicht in der Google-Buchsuche).