Tyrannosauridae

Skelettrekonstruktion eines Individuums von Tyrannosaurus rex (Spitzname „Stan“) im Manchester Museum

Zeitliches Auftreten
Oberkreide (mittleres Campanium bis Maastrichtium)
83,6 bis 66 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Dinosaurier (Dinosauria)
Echsenbeckensaurier (Saurischia)
Theropoda
Coelurosauria
Tyrannosauroidea
Tyrannosauridae
Wissenschaftlicher Name
Tyrannosauridae
Osborn, 1906

Die Tyrannosauridae (Tyrannosaurier i. e. S.) sind eine Familie aus der Echsenbecken­dinosaurier-Großgruppe der Theropoden, die bislang ausschließlich aus der höheren Oberkreide Nordamerikas und Asiens bekannt ist. Sie umfasst einige der größten bekannten fleischfressenden Lebewesen.

Typisch für diese Familie sind die sehr kleinen Arme mit nur zwei Fingern pro Hand. Von dieser Besonderheit abgesehen, weist der Körperbau der Tyrannosauriden jedoch zahlreiche Parallelen zu anderen relativ großwüchsigen fleischfressenden Archosauriern des Mesozoikums (Ornithosuchiden, Carnosaurier, Abelisauroiden) auf: großer Schädel, massige Rumpf- und kräftige Schwanzpartie.

Äußere Systematik, Fossilbericht und Evolution

Die Tyrannosauridae sind eine Gruppe der „moderneren“ Theropoden (Avetheropoda) und gehören innerhalb dieser Gruppe der wiederum „moderneren“ Linie der Coelurosaurier an, die Schwestergruppe der Carnosauria sind.* Die Coelurosauria spalten sich wiederum auf in die Maniraptoriformes, die viele eher kleine und grazil gebaute Vertreter umfassen, und die Tyrannosauroidea (Tyrannosaurier i. w. S.) mit eher großen, massig gebauten Vertretern. Die offenbar enge Verwandtschaft zwischen Tyrannosauroiden und Maniraptoriformes bedeutet, dass die Tyrannosaurier, anders als noch in den 1980er Jahren vermutet, keine Nachfahren großwüchsiger jurassischer Theropoden wie Eustreptospondylus oder Allosaurus sind, sondern sich aus grazilen Formen wie Compsognathus entwickelt haben müssen. Die Ähnlichkeit mit Vertretern wie Allosaurus ist demnach das Resultat einer konvergenten Entwicklung. Die Tyrannosauridae sind die am stärksten abgeleiteten („modernsten“) Vertreter der Tyrannosauroidea.

Während die ersten Tyrannosauroiden bereits im Oberjura erscheinen und neben Nordamerika und Asien (speziell China) auch aus Europa bekannt sind (z. B. Aviatyrannis jurassica aus Portugal oder Eotyrannus lengi aus England), ist die geographische und stratigraphische Verbreitung der Tyrannosauridae auf die Oberkreide Nordamerikas und Asiens (Mongolei) beschränkt. Ihr ältester Vertreter ist Lythronax aus dem Mittel-Campan von Nordamerika. Außerdem sind die frühen Tyrannosauroiden mit 2 bis 6 Metern Länge noch relativ klein, hatten eine weniger ausgeprägt hohe Schnauzenpartie, waren wohl sehr agil und besaßen noch drei Fingerstrahlen pro Hand.

Weil bei zwei chinesischen Gattungen der Tyrannosauroidea (Dilong und Yutyrannus) ein primitives Federkleid nachgewiesen ist, wird spekuliert, ob auch der Körper der Tyrannosauridae, bei denen ein solcher Nachweis bislang fehlt, ebenfalls mit Protofedern bedeckt war. Teilweise werden Tyrannosauriden in Lebendrekonstruktionen sogar mit Konturfedern dargestellt. Jedoch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Gefieder in dieser Gruppe wieder sekundär reduziert wurde.

Innere Systematik und Merkmale

Die Tyrannosauridae sind 2010 knotenbasiert definiert worden als der letzte gemeinsame Vorfahr von Tyrannosaurus rex, Albertosaurus sarcophagus und Gorgosaurus libratus sowie alle dessen Nachfahren. Welche speziellen gemeinsamen anatomischen Merkmale die Tyrannosauridae ausmachen, kann daher, abhängig vom Ergebnis einer Verwandtschaftsanalyse, zu einem gewissen Grade schwanken.

Allgemein typische Merkmale der Tyrannosauriden sind ihre Groß- bis Riesenwüchsigkeit, der generell große Schädel (fast halb so lang wie Hals- und Rumpfwirbelsäule zusammen­genommen), dessen breitere, kastenartige hintere (postrostrale) Partie mehr oder weniger deutlich von der Schnauze (Rostrum) abgesetzt ist, mit Augenhöhlen, die zu einem gewissen Grad nach vorn gerichtet sind. Die Knochenstreben, die die Temporalfenster rahmen, sind verdickt und besitzen seitliche Auswüchse, die in die Fenster hineinragen. Die Schnauze ist hoch und in Gaumenansicht U-förmig. Der Schädel war vermutlich nur schwach oder gar nicht in sich beweglich. Der Schnauzenrücken und die vordere Überaugenregion zeigen Hinweise auf die Präsenz niedriger bzw. kurzer hornartiger Strukturen. Der Unterkiefer ist sehr robust und vor allem im hinteren (postdentalen) Bereich vergleichsweise hoch. Die Halswirbelsäule ist eher kurz und die Wirbel sind gedrungen. Von allen anderen, ähnlich gebauten Theropoden unterscheiden sich die Tyrannosauriden besonders durch ihre stark verkümmerten Vordergliedmaßen, die in nur zwei Fingerstrahlen enden. Das Metacarpale des dritten Fingerstrahls ist rudimentär in Form eines Knochensplints erhalten, jedoch mehr oder weniger stark mit dem Metacarpale des zweiten Fingerstrahls verschmolzen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Arctometatarsus, eine spezielle Form der Ausbildung des Mittelfußes, bei dem sich das Metatarsale III in Richtung der Fußwurzel deutlich verjüngt.

Der Bau von Schädel, Unterkiefer und Halswirbelsäule zeigt, dass die Tyrannosauriden über sehr viel Kiefer- und Nackenmuskelmuskelmasse und damit über hohe Beiß- und Schnellkraft verfügt haben dürften. Der verkürzte Hals war nötig, um den schweren Kopf tragen zu können. Die eher nach vorn weisenden Augenhöhlen legen eine gewisse Fähigkeit zum räumlichen Sehen nahe. Die Funktion der „Ärmchen“ ist unklar. Möglicherweise halfen sie den Männchen, sich bei der Kopulation am Weibchen festzuhalten.

Die verschiedenen Gattungen sind sich morphologisch sehr ähnlich. Sie unterscheiden sich unter anderem anhand ihrer Körpergröße: Während Alioramus** fünf bis sechs Meter lang wurde, erreichten Albertosaurus, Daspletosaurus und Gorgosaurus eine Länge zwischen acht und zehn Meter. Tarbosaurus und Tyrannosaurus kamen sogar auf Körperlängen von rund 12 Metern und gehörten somit zu den größten Raubsauriern überhaupt. Die am stärksten abgeleiteten, einschließlich der größten Tyrannosauridae werden in der Unterfamilie Tyrannosaurinae zusammengefasst. Diese ist Schwestergruppe der Klade aus Albertosaurus und Gorgosaurus, die bisweilen auch als Unterfamilie Albertosaurinae ausgehalten wird. Untenstehendes Kladogramm zeigt eine aktuelle Hypothese der Verwandtschaftsbeziehungen der Tyrannosauridae (nach Loewen u. a., 2013):



 Alioramus** (Mongolei)


  Tyrannosauridae  
  Albertosaurinae  

 Albertosaurus (westliches Nordamerika)


   

 Gorgosaurus (westliches Nordamerika)



  Tyrannosaurinae  

 Daspletosaurus (westliches Nordamerika)


   

 Teratophoneus (westliches Nordamerika)


   

 Bistahieversor (westliches Nordamerika)


   

 Lythronax (westliches Nordamerika)


   

 Tyrannosaurus (westliches Nordamerika) = ? Nanotyrannus


   

 Tarbosaurus (Mongolei)


   

 Zhuchengtyrannus (China)










Nicht im Kladogramm enthalten sind die erst 2014 beschriebenen Gattungen Nanuqsaurus (Alaska), in deren Erstpublikation ein Schwestergruppenverhältnis zu Tarbosaurus + Tyrannosaurus festgestellt wird, und Qianzhousaurus (China), die Alioramus nahestehen soll.

Anmerkungen

* 
In der traditionellen, prä-kladistischen Systematik werden alle großen, massig gebauten Theropoden in der Gruppe Carnosauria zusammengefasst und den grazilen, leichter gebauten Coelurosauria gegenübergestellt. Dieses System gilt als veraltet, seitdem sich im Zuge kladistischer Analysen herausstellte, dass viele dieser „Carnosaurier“ näher mit „Coelurosauriern“ verwandt sind als mit anderen „Carnosauriern“. Die Tyrannosauriden werden heute zu den als Klade neu definierten Coelurosauria gestellt, weil sie näher mit Gattungen wie Deinonychus oder Ornithomimus verwandt sind als mit Gattungen wie Allosaurus oder Ceratosaurus.
** 
Die Stellung von Alioramus ist nicht ganz klar. In verschiedenen Analysen, die auf verschiedenen Datensätzen beruhen, erscheint er entweder als basaler Vertreter der Tyrannosaurinae oder als „modernerer“ Tyrannosauroide, noch außerhalb der Tyrannosauridae stehend.
 
In der paläontologischen Literatur findet sich hierfür der Ausdruck shallow-snouted (‚flachschnäuzig‘), jedoch hat ein „flachschnäuziger“ Tyrannosauroide im Vergleich mit Theropodengattungen wie z. B. Baryonyx oder Spinosaurus immer noch eine ausgesprochen hohe Schnauzenpartie.
Commons: Tyrannosauridae – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Kompletter Absatz, mit Ausnahme anderweitig gekennzeichneter Passagen, nach Gregory S. Paul: The Princeton Field Guide To Dinosaurs. Princeton University Press, Princeton NJ u. a. 2010, ISBN 978-0-691-13720-9, S. 102–110, Online.
  2. z. B. Robert L. Carroll: Vertebrate Paleontology and Evolution. W. H. Freeman & Co., New York 1988, ISBN 0-7167-1822-7, S. 297.
  3. 1 2 3 4 Mark A. Loewen, Randall B. Irmis, Joseph J. W. Sertich, Philip J. Currie, Scott D. Sampson: Tyrant Dinosaur Evolution Tracks the Rise and Fall of Late Cretaceous Oceans. In: PLoS ONE. Band 8, Nr. 11, 2013, e79420, doi:10.1371/journal.pone.0079420.
  4. Brian Switek: The truth about T. rex. In: Nature News Feature. 23. Oktober 2013.
  5. 1 2 3 Anthony R. Fiorillo, Ronald S. Tykoski: A Diminutive New Tyrannosaur from the Top of the World. In: PLoS ONE. Bd. 9, Nr. 3, 2014, e91287, doi:10.1371/journal.pone.0091287
  6. 1 2 Kenneth Carpenter: Tyrannosauridae. In: Philip J. Currie, Kevin Padian: Encyclopedia of Dinosaurs. Academic Press, San Diego u. a. 1997, ISBN 0-12-226810-5, S. 766–768.
  7. 1 2 Thomas D. Carr, Thomas E. Williamson: Bistahieversor sealeyi, gen. et sp. nov., a new tyrannosauroid from New Mexico and the origin of deep snouts in Tyrannosauroidea. In: Journal of Vertebrate Paleontology. Bd. 30, Nr. 1, 2010, S. 1–16, ISSN 0272-4634, doi:10.1080/02724630903413032 (alternativer Volltextzugriff: ResearchGate)
  8. Junchang Lü, Laiping Yi, Stephen L. Brusatte, Ling Yang, Hua Li, Liu Chen: A new clade of Asian Late Cretaceous long-snouted tyrannosaurids. In: Nature Communications. 5, Art.-Nr. 3788, 2014, ISSN 2041-1723, doi:10.1038/ncomms4788.
  9. Thomas D. Carr, Thomas E. Williamson, Brooks B. Britt, Ken Stadtman: Evidence for high taxonomic and morphologic tyrannosauroid diversity in the Late Cretaceous (Late Campanian) of the American Southwest and a new short-skulled tyrannosaurid from the Kaiparowits formation of Utah. In: Naturwissenschaften. Band 98, Nr. 3, 2011, S. 241–246, doi:10.1007/s00114-011-0762-7
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.