Die sogenannte Utah-Teekanne (englisch: Utah teapot) gehört zu den ältesten und bekanntesten 3D-Modellen der Computergrafik. Es handelt sich um ein einfaches Oberflächenmodell einer Teekanne, bei der der Innenhohlraum nicht einsehbar ist. Martin Newell entwickelte sie 1975 im Rahmen seiner computergrafischen Forschungsarbeit an der Universität von Utah.
Ursprung
Newell benötigte ein einfaches mathematisches Modell eines Gebrauchsgegenstandes für seine Arbeit, und die Melitta-Teekanne seiner Frau schien geeignet: Die Form hat einige für die damaligen Zwecke notwendigen Eigenschaften; sie ist rund, hat Sattelpunkte und konkave Elemente (besonders das Loch im Griff) und sieht auch ohne aufwändige Oberflächentextur recht ansprechend aus.
Nachdem Newell eine Beschreibung der Teekanne als Bézier-Fläche entwickelt hatte, übernahmen andere Forschungsgruppen das Modell für ihre Arbeit, sodass das Objekt zu einem Referenzmodell für Computergrafik wurde.
Das Original schenkte Newell dem Computer History Museum in Kalifornien, wo es in der Dauerausstellung platziert ist. Hergestellt wurde die Teekanne in der Friesland Porzellanfabrik in Rahling, Niedersachsen, die von 1954 bis 1991 unter der Marke Melitta fertigte. Die Teekanne wird unverändert auch heute noch produziert.
Verbreitung
In Computerzeitschriften wurden über die Jahre regelmäßig Varianten der Teekanne präsentiert und bekannte 3D-Softwareprodukte enthalten heute meist Beispielbilder oder -szenen, die die Teekanne enthalten. Die OpenGL-Grafikbibliothek GLUT enthält sogar eine Funktion namens glutSolidTeapot() und das 3D-Animationsprogramm 3d Studio Max enthält bis heute die Teekanne als Grundkonstruktionsobjekt in einer Ebene mit dem Zylinder und dem Quader.
Inzwischen hat sich die Teekanne zu einer Art Running Gag in der Computergrafikszene entwickelt, und das Modell wurde in den ersten computeranimierten Kurzfilmen und später auch in großen Kinofilmen „versteckt“. Die Teekanne ist in Die Monster AG, Toy Story und in der Disney-Produktion Die Schöne und das Biest zu entdecken. Auch im Computerspiel Serious Sam: The First Encounter ist sie im Rahmen einer Benchmark-Spielstufe zu finden. Außerdem findet sie sich im Windows-Bildschirmschoner (nur Versionen Windows 95/98/NT) 3D-Rohre, wo sie zufallsgesteuert (sehr selten) statt einer normalen Eckverbindung der Rohre dargestellt wird. Auch der Open-GL-Bildschirmschoner Pipes für X-Window-Systeme baut die Teekanne gelegentlich in unterschiedlichen Lagen in die Rohrwege ein.
Die Firma Pixar brachte 2014 zu Promotionszwecken für die Software RenderMan den Walking Teapot als Kurzfilm und Spielzeug heraus. Die Fakultät für Computer Graphics an der Universität von Utah hat nicht nur die Kanne als Logo gewählt, sondern richtet einen jährlichen Utah Teapot Rendering-Wettbewerb aus.
Weitere 3D-Modelle
Weitere bekannte Testmodelle der 3D-Computergrafik sind die Standard Procedural Databases von Eric Haines, die oft zur Performancemessung von Raytracing-Beschleunigungstechniken verwendet werden, die Cornell Box, sowie die Modelle des Stanford 3D Scanning Repository. Die kostenlose 3D-Software Blender verwendet ein Low-Poly-Modell eines Affenkopfs, Suzanne genannt.
Siehe auch
Literatur
- Jim Blinn: What, Teapots Again? IEEE Computer Graphics and Applications 7, 9 (Sep. 1987): 61–63, ISSN 0272-1716.
- Frank Crow: The Origins of the Teapot. IEEE Computer Graphics and Applications 7, 1 (Jan. 1987): 8–19.
- Alan Watt: 3D Computer Graphics, S. 100–101. Addison-Wesley, Harlow 2000, ISBN 0-201-39855-9.
Weblinks
Utah-Teekanne:
- Originaldaten (Download als tgz-Datei)
- A Brief History of The Utah Teapot
- https://www.nwzonline.de/kultur/diese-teekanne-ist-ein-filmstar_a_31,3,517132288.html
- Radiobeitrag Bremen 2 vom 28.5.2018
Weitere Standardmodelle:
Einzelnachweise
- ↑ The Utah Teapot – CHM Revolution. Abgerufen am 4. April 2017.
- ↑ Maren Siems, Wilfried Wördemann: Melitta und Friesland Porzellan. 60 Jahre Keramikherstellung in Varel. In: Maren Siems (Hrsg.): Kataloge und Schriften des Schlossmuseums Jever. Nr. 33. Isensee Verlag, Oldenburg 2015, ISBN 978-3-7308-1177-1, S. 7–16.
- ↑ port80: The Walking Teapot Music Video. Abgerufen am 27. Juni 2017 (englisch).
- ↑ Teapot Rendering Competition. Abgerufen am 27. Juni 2017.