Die Vaganten Bühne ist ein nahe dem Bahnhof Zoologischer Garten und dem Kurfürstendamm in der City West gelegenes Privattheater in der Kantstraße im Ortsteil Charlottenburg von Berlin. Das Theater verfügt über 100 Plätze und ist heute ein funktionaler Bau mit Studiocharakter. Es teilt sich das Gebäude mit dem Jazzclub Quasimodo, dem Qmodo Restaurant und dem Delphi-Filmpalast. In unmittelbarer Nachbarschaft liegen das Theater des Westens, die Galerie C/O Berlin und gegenüber das Savoy Hotel. Seit 1980 wird die Vaganten Bühne als gGmbH geführt.

Auf dem Spielplan stehen neben zeitgenössischer Dramatik auch moderne Klassiker und Projektinszenierungen. Ein Blick auf das Repertoire der letzten Jahre zeigt dabei ein sicheres Gespür für aktuelle Themen. Daneben gibt es Kooperationen mit Berliner Schauspielschulen und Gastspiele der freien Szene.

Geschichte der Vaganten Bühne

1949–1956

Unmittelbar nach dem Krieg fanden sich Schauspieler und Regisseure um Horst Behrend zusammen, um als freie Theatergruppe an wechselnden Orten zu spielen. Für kurze Zeit führte die Gruppe den Namen „TiK“, „Theater im Koffer“. In Anlehnung an die mittelalterlichen „Vaganten“, aus den Universitäten hervorgegangene Spielleute, gründeten am 9. Februar 1949 Günther Rutenborn und Horst Behrend „Die Vaganten“. Eröffnet wurde mit „Die Auferstehung“. Gegen den Trend der in Ost-Berlin vorherrschenden politisch-sozialistischen Dramatik vor allem russischer Autoren und dem im Westen der Stadt vielfach stark unterhaltungsorientierten Theater setzte die Vaganten Bühne ein Theater der Aufklärung. Eine Besonderheit der frühen Jahre war, dass sowohl in der DDR wie im West-Berlin gespielt wurde. Zahlreiche Schauspieler mit Wohnort in Ost-Berlin gehörten zum Ensemble, dessen alleinige Leitung 1952 Horst Behrend übernahm.

1956–1979

Die kontinuierliche und sich professionalisierende Arbeit verlangte nach festen Strukturen und einer festen Spielstätte. Diese fanden die Vaganten 1956 im Souterrain des Delphi-Hauses, in dem ein Kino, Tanzbars und Restaurants untergebracht waren. Das Delphi-Haus, von dem Architekten Bernhard Sehring 1926 entworfen, der dreißig Jahre zuvor, 1895, auch der Architekt des benachbarten Theaters des Westens war, wurde ursprünglich als Tanzpalast mit Restaurantbetrieb gebaut. Im Krieg stark beschädigt, wurde 1947 der ehemalige Tanzsaal zu einem Kino umgebaut, das unter dem Namen Delphi-Filmpalast bis heute existiert. Der Mauerbau 1961 bewirkte einen starken Einschnitt. Gastauftritte in der DDR konnten nicht mehr stattfinden und ehemalige Mitarbeiter aus dem Ost-Teil Berlin mussten ersetzt werden. In den Jahren 1961 bis 1965 kamen zum Delphi-Haus zwei weitere Spielorte hinzu: in der Kreuzbergstraße das „Theater am Kreuzberg“ und in der damaligen Kongresshalle das „Theater an der Spree“. 1956 wurde Wolfgang BorchertsDraußen vor der Tür“ ins Programm genommen. Die Vaganten Bühne wurde mit Autoren wie Jean Paul Sartre, Jean Genet, Anouilh, Eugène Ionesco, Sławomir Mrożek, Jean Tardieu und John Osborne in den sechziger Jahren zu „dem“ Theater der Avantgarde in Berlin. Im November 1979 starb Horst Behrend.

1980–2009

1980 übernahmen die Söhne von Horst Behrend, Rainer und Jens-Peter, die Leitung des Theaters und gründeten eine gemeinnützige GmbH, deren Gesellschafter sie wurden. Mit einem engagierten Team wurde in den achtziger Jahren ein neues Profil entwickelt, das auf drei Grundzügen basiert: zeitgenössische Dramatik, Werke der klassischen Moderne und parodistisches Schauspiel. 1985 wurde das Theater für einen längst fälligen Umbau sieben Monate geschlossen. Die Räumlichkeiten wurden grundlegend saniert und modernisiert. Formal wurden neue Wege beschritten, wie z. B. Inszenierungen in der damals neuen Spielform der Arena Bühne, bei der die Zuschauer um die Spielfläche gruppiert waren.

2009–2019

Mit dem Tod Rainer Behrends 2009 übernahm Jens-Peter Behrend mit Joosten Mindrup an seiner Seite als Künstlerischer Leiter (bis 2011) die alleinige Leitung. Neben Werken zeitgenössischer Autoren stehen aktuelle Projektinszenierungen (Stückentwicklungen) auf dem Spielplan. Das Repertoire umfasst zeitgenössische und sozialkritische Stücke, in denen die Probleme der Gegenwart gespiegelt werden. Schwerpunkte des Programms sind Theaterproduktionen mit gesellschaftspolitischen Inhalten. Im Jahr 2011/2012 wurde (nach dem letzten Umbau 1985) eine neue umfangreiche Sanierung des Theaters notwendig. Es wurden eine Klima-Anlage eingebaut sowie die Bestuhlung und die gesamte Bühnen- und Tontechnik erneuert, alle Räume renoviert und der Eingangsbereichs mit einer Überdachung versehen.

Seit Januar 2020

Im Januar 2020 übernahm Lars Georg Vogel, der dem Haus seit vielen Jahren künstlerisch verbunden ist, die Leitung der Vaganten Bühne.

Künstlerisches Profil

Die Vaganten Bühne bringt jährlich etwa vier bis fünf Neuproduktionen heraus. Es gehört zum Konzept, sich große Offenheit in der Spielplangestaltung zu bewahren. Auf Grund moderner Inszenierungen von klassischen Stücken und kritischer Darstellung gesellschaftlicher Problematiken gehören seit langem Studenten und Schüler zum Stammpublikum. Die Gestaltung des Spielplans richtet sich nach dem Selbstverständnis, ein Theater zu machen, das junge Menschen an die Bühnenkunst heranführt, ohne didaktisch zu werden oder Theater für Zielgruppen im engeren Sinn zu sein. Seit 2005 ist Theaterpädagogik ein Schwerpunkt. Die Zusammenarbeit mit dem vom Berliner Senat geförderten Projekt „TUSCH (Theater und Schule)“, zu deren Initiatoren die Vaganten Bühne gehört, und damit einhergehende Schulpartnerschaften ermöglichen intensiven Kontakt zu Schülern und Lehrern. Fest im Programm ist ein Mal im Monat die Lesereihe „Montagslesung - Literarische Streifzüge durch Berlin“. Texte von Autoren wie Heinrich Heine, Theodor Fontane, Walter Benjamin, Siegfried Kracauer, Victor Auburtin, Arthur Eloesser werden gelesen.

Ehemalige Ensemblemitglieder Schauspiel & Regie (Auswahl)

Aktuelles künstlerisches Personal

Literatur

  • Jürgen Hofmann, Theaterbuch Berlin, Verlag Klaus Guhl, Berlin 1985, ISBN 3-88220-166-5
  • Martina Marx, Die Vaganten Bühne. Entwicklung von 1949 bis 1986. Struktur und Arbeitsweise. Institut für Theaterwissenschaften Freie Universität Berlin, 1987
  • Reiner Matzker (Hrsg.): Charlottenburger Welttheater, Verlag Das Arsenal 1993, ISBN 3-921810-37-X
  • Steffen Damm, Hermann Haarmann, Theater Berlin, FAB Verlag 1994, ISBN 3-927551-37-6
  • Astrid Domke, Konzeption für die Theaterpädagogik an der Berliner Vaganten Bühne, Universität der Künste, Institut für Theaterpädagogik, Berlin 2005
  • Angelika Cromme, Berliner Theaterkritiken, Erlebtes Theater 2002-2006, Verlag Dr. Köster Berlin 2006, ISBN 978-3-89574-600-0
  • Rebecca Rippold, Die gGmbH im Kultursektor – eine Gratwanderung zwischen gemeinnützigem und wirtschaftlichem Anspruch. Analysiert am Beispiel der Vaganten Bühne. Fachhochschule Potsdam 2015
Commons: Vaganten Bühne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 52° 30′ 21,4″ N, 13° 19′ 44,6″ O

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