Varaha (Sanskrit वराह varāha ‚Eber‘) ist im Hinduismus die dritte Inkarnation (avatara) des Gottes Vishnu in Gestalt eines Ebers. Die Vorstellung des Ebers, der durch Wühlen im Schlamm die Erde hervorbringt, ist schon in vorhinduistischen Zeiten (3000 v. Chr.) auf den Andamanen archäologisch bezeugt.

Legenden

Seinem Ruf als Erhalter/Bewahrer der Welt wird Vishnu auch in der Inkarnation als Varaha gerecht. Laut Varaha-Purana versank die Erde einst, als ein neues Zeitalter angebrochen war, in den Gewässern der Urzeit. Wie eine Mutter, deren Kind ins Wasser gefallen ist, nicht zögert ihm hinterherzuspringen, um es zu retten, galt Vishnus erster Gedanke dem Erhalt der Erde. Er nahm die Form des Ebers, des mächtigsten Sumpftiers an; als guter Schwimmer tauchte er in den Urozean hinab. Dort tötete er den gefährlichen Dämon Hiranyaksha, hob auf seinen kolossalen Hauern die Erde in Gestalt der Göttin Bhudevi (Bhumi) – ein Beiname der Prithivi – empor und rettete sie vor dem Versinken im vorzeitlichen Chaos.

In einer anderen Fassung entführte der Dämon Hiranyaksha, der von Brahma Unsterblichkeit erlangt hatte, die Erde in die Tiefen des Urmeeres.

Eine weitere Fassung der Legende berichtet, dass die Erde beim Schöpfungsakt Brahmas versehentlich in den Urozean fiel, woraufhin Brahma die Hilfe Vishnus erbat, der daraufhin die Gestalt eines Ebers annahm.

Darstellungen

Mittelalterliche Varaha-Skulpturen sind über ganz Indien verbreitet, wobei zwei verschiedene Darstellungsweisen zu unterscheiden sind:

der Körper des tiergestaltigen Ebers ist zur Gänze mit kleinen Götterfiguren bedeckt; die Göttin Bhudevi ('Göttin, die die Erde ist') – auch Prithivi ('Erde') genannt – steht in der Nähe seines Kopfes oder hält sich mit den Händen an den Hauern des Ebers fest.
der Körper Varahas ist der eines Menschen, sein Kopf ist der eines Ebers; eines seiner Beine ist angehoben. Bhudevi/Prthivi befindet sich stehend oder sitzend auf der Schulter oder einem angewinkelten Arm Varahas.

Grundsätzlich kommt die vollplastische, tiergestaltige Darstellungsweise Varahas ausschließlich in Nordindien (Madhya Pradesh) vor; die meisten Darstellungen dieser Art – etwa ein Dutzend sind noch erhalten – befinden sich in Museen (Delhi, Gwalior, Indore). Varaha-Reliefs sind dagegen häufiger und über ganz Indien verbreitet.

Literatur

  • Anneliese und Peter Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1986, S. 82f, ISBN 3-7701-1347-0
  • Veronica Ions: Indian Mythology. Hamlyn Publishing, London 1988, S. 49, ISBN 0-600-34285-9
Commons: Varaha – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. E. J. Michael Witzel: The Origins of the World’s Mythologies. Oxford University Press, 2011., S. 116.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.