Ein verhaltener Anspruch ist im deutschen Privatrecht ein Anspruch, dessen Fälligkeit erst eintritt, wenn der Gläubiger den Anspruch geltend macht, also die Leistung durch den Schuldner verlangt.

Allgemeines

Der Anspruch besteht zwar schon, der Schuldner muss ihn jedoch noch nicht erfüllen. Vor Geltendmachung des Anspruchs darf der Schuldner ohne Zustimmung des Gläubigers auch noch nicht leisten.

Dies hat Auswirkungen auf den Verzug des Schuldners und die regelmäßige Verjährung des Anspruchs, da beides die Fälligkeit voraussetzt (§ 286 Abs. 1 S. 1 beziehungsweise § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Ein verhaltener Anspruch ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner die Leistung nicht erbringen darf, bevor der Gläubiger sie verlangt. Auf solche Ansprüche sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die für die Leihe, die Hinterlegung und die Verwahrung geltenden besonderen Verjährungsregelungen der §§ 604 Abs. 5 BGB, § 695 Satz 2 BGB und § 604 Satz 3 BGB entsprechend anwendbar. Der Anspruch des Reisenden auf Einlösung von Reisewerten bei der Buchung von Reiseleistungen ist dagegen kein verhaltener Anspruch, weil er erst mit seiner Geltendmachung durch den Reisenden entsteht. Anders als bei einem verhaltenen Anspruch, bei dem das Entstehen des Anspruchs und seine Geltendmachung durch den Gläubiger auseinanderfallen, besteht daher nicht die Gefahr, dass der Anspruch zum Zeitpunkt seiner Geltendmachung bereits verjährt ist.

Beispiele

Verhaltene Ansprüche im bürgerlichen Recht sind insbesondere:

Kein verhaltener Anspruch ist unter anderem die Bürgschaftsforderung (§ 765 BGB).

Literatur

  • Thomas Winkelmann: Der Anspruch. Funktion, Entstehung, Anknüpfungen. Mohr Siebeck, Tübingen 2021, ISBN 978-3-16-159773-2 (Dissertation), S. 410–443.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Bamberger/Roth/Lorenz, 3. Aufl., § 271 Rn. 2.
  2. Thomas Winkelmann: Der Anspruch. Funktion, Entstehung, Anknüpfungen. Mohr Siebeck, Tübingen 2021, ISBN 978-3-16-159773-2 (Dissertation), S. 432–443 m. Nachw. zur herrschenden Auffassung.
  3. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017, Az.: I ZR 113/16 = BGH WM 2018, 915
  4. MüKo-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 281 Rn. 108.
  5. Jauernig/Stadler, 15. Aufl., § 285 Rn. 10; Bamberger/Roth/Lorenz, 3. Aufl., § 285 Rn. 13; MüKo-BGB/Emmerich, 6. Aufl., § 285 Rn. 29.
  6. MüKo-BGB/Fetzer, 6. Aufl., § 368 Rn. 9.
  7. Bamberger/Roth/Faust, 3. Aufl., § 439 Rn. 11.
  8. BGH, Urteil vom 29. Januar 2008, Az.: XI ZR 160/07 = BGHZ 175, 161, Rn. 24

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