Walter Strauß (* 15. Juni 1900 in Berlin; † 1. Januar 1976 in Baldham, Gemeinde Vaterstetten) war ein deutscher Jurist sowie Politiker der CDU. Von 1949 bis 1963 war er Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Im Zuge der Spiegel-Affäre wurde Strauß im Frühjahr 1963 entlassen, weil er seinem Minister Wolfgang Stammberger Informationen vorenthalten hatte.
Leben und Beruf
Walter Strauß wuchs in Berlin in einer jüdischen Familie auf; er war der Sohn des bekannten Internisten Hermann Strauß und dessen Ehefrau Elsa, geb. Isaak. Strauß studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften und wurde 1924 in Heidelberg zum Doktor der Rechte promoviert. Er war zunächst Hilfsrichter an Berliner Gerichten und trat 1928 in die Dienste des Reichswirtschaftsministeriums ein. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde Strauß, der selbst evangelischen Glaubens war, 1935 in den Ruhestand ohne Versorgungsbezüge versetzt. Ab dem 1. Juli 1936 war Strauß juristischer Hilfsarbeiter in der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Dr. W. Schmidt, Dr. Wilh. Beutner, Dr. F. Kempner, Dr. H. Pinner, Dr. Joachim Beutner. Zunächst als Wirtschaftsberater tätig, musste er sich später als Arbeiter in der Rüstungsindustrie verdingen. Walter Strauß’ Eltern wurden 1942 in das Getto Theresienstadt deportiert und dort von den Nazis ermordet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war er 1946 Mitglied des Direktoriums beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes in Stuttgart, 1946/1947 Staatssekretär im Hessischen Staatsministerium, von 1947 bis 1948 stellvertretender Direktor, dann von 1948 bis 1949 Leiter des Rechtsamtes in der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Danach wurde er Mitglied des Parlamentarischen Rates (1948–1949) und 1949 Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Nach seinem Ausscheiden 1963 wurde er als Richter an den Europäischen Gerichtshof berufen.
Staatssekretär im Justizministerium
Strauß war von 1949 bis 1963 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz (BMJ). In diesen Jahren waren Justizminister: Thomas Dehler (FDP), Fritz Neumayer (FDP), Hans-Joachim von Merkatz (DP), Fritz Schäffer (CSU), Wolfgang Stammberger (FDP) und Ewald Bucher (DVP/FDP).
Strauß hatte beträchtlichen Einfluss auf die Personalpolitik des BMJ seit 1949. 2016 erschien der Bericht einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission, die den Umgang des BMJ mit der NS-Vergangenheit in den Anfangsjahren der Bundesrepublik untersucht hat (Die Akte Rosenburg). Die Studie dokumentiert, dass im Bundesministerium der Justiz maßgeblich Beamte und Mitarbeiter den Geist des Amtes mitbestimmten, die vor 1945 im Reichsjustizministerium, bei Sondergerichten und als Wehrrichter tätig waren. Im Kontext der Einstellungspraxis für NS-belastete Juristen und deren Folgen wird die Rolle von Walter Strauß in der Studie einer kritischen Würdigung unterzogen.
Nach der Spiegel-Affäre wurde Strauß in den Ruhestand versetzt, weil er Bundesjustizminister Wolfgang Stammberger (FDP) nicht über die Ermittlungen gegen den Spiegel unterrichtet hatte und insbesondere nicht über die Informationen, die er von Franz Josef Strauß (CSU) – mit dem er nicht verwandt war – erhalten hatte.
Politik
Strauß beteiligte sich 1945 an der Gründung der CDU Berlin, wechselte aber schon bald in den Landesverband Hessen. Er war 1947/1948 Mitglied des Länderrates der Bizone und gehörte dort dem Direktorium an. Er war 1948/1949 Mitglied des Parlamentarischen Rates. Er war dort stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung. Für den 1. Deutschen Bundestag kandidierte Strauß 1949 vergeblich.
Literatur
- Friedemann Utz: Preuße, Protestant, Pragmatiker. Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat. Dissertation. Universität Tübingen 2001/2002. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, ISBN 3-16-148106-2.
- Manfred Görtemaker, Christoph Safferling: Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit. Verlag C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69768-5.
- Markus Apostolow: Der „immerwährende Staatssekretär“. Walter Strauß und die Personalpolitik im Bundesministerium der Justiz 1949-1963, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2019 (Die Rosenburg; 1), ISBN 978-3-525-35694-4.
- Gunnar Take: Rezension zu: Apostolow, Markus: Der „immerwährende Staatssekretär“. ... In: H-Soz-Kult, 8. Januar 2019
Weblinks
- Literatur von und über Walter Strauß im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Fußnoten
- ↑ Manfred Görtemaker, Christoph Safferling: Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit. Verlag C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69768-5, S. 240f.
- ↑ Friedemann Utz, Preuße, Protestant, Pragmatiker: der Staatssekretär Walter Strauss und sein Staat, Mohr Siebeck, 2003, S. 36, https://books.google.de/books?id=Ouw304CwqZoC&pg=PA36&lpg=PA36
- ↑ Manfred Görtemaker, Christoph Safferling: Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit. Verlag C. H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69768-5, S. 93 ff.