Die Wiesenbaude war zunächst ein kleines Wirtshaus in Groß-Lichterfelde (heutiger Berliner Ortsteil Lichterfelde im Bezirk Steglitz-Zehlendorf), das 1897 einen umgesetzten Ausstellungspavillon der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 erhielt und sich dadurch zu einem überregional bekannten Ausflugslokal entwickelte. Noch heute ist der Name Wiesenbaude als inoffizielle Ortsbezeichnung für die große Straßenkreuzung bekannt.
Geschichte
Um 1880 wurde an diesem Ort an der Bäke-Niederung bereits ein erstes Wirtshaus eröffnet. Hier trafen die Chausseestraße (heute: Hindenburgdamm), Giesensdorfer Straße (heute: Finckensteinallee), Teltower Straße (heute: Goerzallee), Zehlendorfer Straße (heute: Finckensteinallee) und Drakestraße zusammen.
Im Mai 1881 ging die Straßenbahn Groß-Lichterfelde zwischen dem Bahnhof Groß-Lichterfelde an der Anhalter Bahn und der Hauptkadettenanstalt in Betrieb, die direkt an der Wiesenbaude eine Haltestelle erhielt.
1897 konnte hier anstelle des alten Gebäudes ein reich verzierter Ausstellungspavillon aufgebaut werden, der ursprünglich für die Berliner Gewerbeausstellung 1896 in Treptow gebaut worden war. Da das Treptower Gelände nach dem Ende der Ausstellung im Oktober 1896 wieder freigeräumt werden musste, bot sich die Gelegenheit, einen der Pavillons nach Lichterfelde umzusetzen. Die Wiesenbaude wurde zunächst von Florian Gottwald betrieben.
1917 übernahmen die Wirtsleute Anna und Wilhelm Franke, die bereits seit 1904 ein Lokal in Schöneberg betrieben, die Wiesenbaude zunächst zur Pacht und kauften sie später. Sie konnten das Gelände bis zum Teltowkanal erweitern. In der folgenden Zeit entwickelte sich die Wiesenbaude zu einem beliebten und überregional bekannten Ausflugslokal.
Im Juli 1923 wurde das Ausflugslokal Wiesenbaude während der grassierenden Hyperinflation Opfer von Metalldieben, die dem Schankwirt Franke Bierleitungen im Wert von damals 16 Mio. Mark raubten.
Die Adresse des Ausflugslokals Wiesenbaude lautete Giesensdorfer Straße 150 bzw. Drakestraße 2, als Eigentümer war im Adressbuch 1925 der Gastwirt W. Franke eingetragen. Wilhelm Franke starb 1935, Anna Franke betrieb die Wiesenbaude weiter.
Im Jahre 1943 brannte das Gebäude der Wiesenbaude durch Kriegseinwirkungen ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an dieser Stelle von Anna Franke ein Neubau errichtet, um das traditionelle Ausflugslokal am 1. Juli 1950 wieder eröffnen zu können. Die neue Wiesenbaude bot rund 100 Gästen Platz. Am 15. Oktober 1954 konnte Anna Franke ihren 73. Geburtstag und gleichzeitig ihr 50-jähriges Jubiläum als Gastwirtin feiern.
Der Neubau von 1950 existiert heute auch nicht mehr. An diesem Ort wurde ein modernes Kaffeehaus errichtet, dass sogar als Drive-In-Café angefahren werden konnte.
Der Name Wiesenbaude ist noch heute präsent und wird u. a. von einem Sportplatz und einer Minigolfanlage verwendet. Der Name war auch noch lange Zeit ein Bestandteil der Taxifahrer-Ortskundeprüfung und lebt im Taxifahrer-Jargon weiter.
Im näheren Umfeld
1897 wurde in der Nähe der Wiesenbaude am Anfang der Teltower Straße (heute: Goerzallee) das große Kornmessersche Waisenhaus gebaut, das von Hans Altmann entworfen wurde. Das Gebäude erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden und musste später abgerissen werden.
Rund 500 Meter entfernt von der Wiesenbaude begann in der Teltower Straße die Drehstrom-Versuchsstrecke Groß-Lichterfelde–Zehlendorf, auf der in den Jahren 1899–1901 von Siemens & Halske wichtige Grundlagen zum Einsatz von Drehstrom im Eisenbahnbetrieb erforscht wurden.
1906 wurde in unmittelbarer Nähe im Verlauf der Bäke-Niederung der Teltowkanal eröffnet, der hier sogar eine Anlegestelle für Ausflugsfahrten erhielt, die auch heute noch als Lichterfelde (Wiesenbaude) bezeichnet wird. Unweit der Wiesenbaude befindet sich an der Emil-Schulz-Brücke auf der Ostseite des Kanals ein Denkmal zur Erinnerung an den Treidelbetrieb, das aus der Treidellokomotive Nr. 2 von Siemens (in der Glasumhausung) und dem Bug des Binnenschiffs Sans Souci besteht.
in den Jahren 1925–1929 wurde unmittelbar gegenüber der Wiesenbaude an der Ecke Hindenburgdamm / Königsberger Straße das große und markante Postamt nach den Plänen von Postbaurat Robert Gaedicke gebaut.
Literatur
- Christian Simon: Ein Goldenes Jubiläum – 100 Jahre Wiesenbaude in Lichterfelde. In: Steglitzer Heimat (Mitteilungsblatt des Heimatvereins Steglitz e.V.), 1997/1, S. 15 f.
- 80 Jahre Lichterfelder Wiesenbaude. In: Steglitzer Heimat (Mitteilungsblatt des Heimatvereins Steglitz e.V.), 1976/2, S. 36 u. S. 40.
Weblinks
- Historische Informationen und Bilder zur Wiesenbaude. Bei: geocaching.com, abgerufen am 2. Januar 2023
- Historische Informationen und Bilder zur Wiesenbaude. Bei: veikkos-archiv.com, abgerufen am 2. Januar 2023
- Heimatverein Steglitz e. V. Bei: steglitz-museum.de, abgerufen am 2. Januar 2023
Einzelnachweise
- ↑ Simon, 100 Jahre Wiesenbaude, S. 15
- ↑ Simon, 100 Jahre Wiesenbaude, S. 16
- ↑ Metalldiebe an der Arbeit in: Berliner Börsen-Zeitung vom 24. Juli 1923, S. 2, abgerufen am 6. Januar 2023
- ↑ Wiesenbaude (Eigentümer W. Franke), Teltower Straße 150 bzw. Drakestraße 2. In: Berliner Adreßbuch, 1925, S. 1574.
- ↑ Goldenes Jubiläum in der Wiesenbaude. In: Steglitzer Lokal-Anzeiger vom 23./24. Oktober 1954
- ↑ Simon, 100 Jahre Wiesenbaude, S. 16
- ↑ Goldenes Jubiläum in der Wiesenbaude. In: Steglitzer Lokal-Anzeiger vom 23./24. Oktober 1954
- ↑ Anlegestelle Lichterfelde (Wiesenbaude) auf: Berlin.de, abgerufen am 6. Januar 2023
Koordinaten: 52° 25′ 52″ N, 13° 18′ 35″ O