Wochenkrippen waren in der DDR Kinderkrippen für Kinder im Alter von sechs Wochen bis zu drei Jahren.
Die Kinder wurden am Montag in der Betreuungseinrichtung abgegeben und am Sonnabendmittag wieder abgeholt. Das Angebot galt vor allem für Eltern mit hoher zeitlicher Belastung wie Schichtarbeiter. Wochenkrippen wurden als kommunale oder betriebliche Einrichtungen betrieben.
Anzahl
Wochenkrippen als eine Form der Krippenbetreuung unterstanden seit 1952 dem Ministerium für Gesundheitswesen, wohingegen die Kinderwochenheime als eine Einrichtung der Vorschulerziehung in der Verantwortung des Ministeriums für Volksbildung lagen.
Die Anzahl der Wochenkripppen variierte im Laufe der Jahre stark. So gab es im Jahr 1950 2.550 Plätze in Wochenkrippen, 1966 waren es 39.124, 1980 nur noch 17.655 Plätze und 1989 gab es schließlich nur noch 4.800 Plätze. Wochenkrippen existierten auf dem gesamten Gebiet der DDR, vor allem aber in Ballungsgebieten und an Industriestandorten.
Forschung
Die Medizinerin Eva Schmidt-Kolmer untersuchte bereits zur Frühzeit der DDR die Kindesentwicklung in den verschiedenen Betreuungsformen. Die erste Untersuchung erstreckte sich auf den Zeitraum von 1953 bis 1957 und bezog knapp 1.800 Kindern im Alter bis zu drei Jahren ein. Die 1959 veröffentlichten Untersuchungen zeigten, dass die in den Wochenkrippen betreuten Kindern eine Entwicklungsverzögerung aufwiesen. So ging bei Tageskrippenkindern die „körperliche und psychische Entwicklung … im Durchschnitt schneller und günstiger vor sich als in der Wochenkrippe“. Schmidt-Kolmer plädierte daher für eine Beschränkung der Unterbringung in Wochenkrippen auf Fälle, in denen eine Betreuung des Kindes nicht auf andere Weise gewährleistet werden kann, etwa wenn die Eltern in der Schichtarbeit tätig sind.
Der tschechische Kinderpsychologe Zdeněk Matějček legte den Fokus seiner Forschung insbesondere auf die psychische Deprivation. Dazu wertete er internationale Studien zu Heimkindern und Wochenkindern vergleichend aus und kam zu dem Schluss, dass das Kind in der Wochenkrippe durch die längere Trennung von den Eltern „weniger Möglichkeiten hat, zu ihnen eine tiefe Gefühlsbindung herzustellen“. Das Sprachverständnis der Wochenkrippenkinder blieb gegenüber dem der Tageskrippenkinder zurück. Auch waren Kinder, die die Wochenkrippe besuchten, wesentlich krankheitsanfälliger als andere Kinder. So erkrankten laut einer von der Kinderärztin Gerda Jun 1957/58 durchgeführten Studie durchschnittlich 53 % der Wochenkrippenkinder im ersten Lebensjahr drei- bis fünfmal und 13 % häufiger als fünfmal. Zum Vergleich: Von den Kindern, die keine Krippe besuchten erkrankten 22 % im ersten Lebensjahr einmal, 6 % zweimal und 71 % kein einziges Mal.
Literatur
- Zdeněk Matějček, Josef Langmeier: Psychische Deprivation im Kindesalter – Kinder ohne Liebe. Urban & Schwarzenberg, München 1977, ISBN 3-541-07901-0.
- Birgit Wolf: Sprache in der DDR: ein Wörterbuch. de Gruyter, Berlin/New York 2000, ISBN 3-11-016427-2, S. 251.
- Agathe Israel, Ingrid Kerz-Rühling: Krippenkinder in der DDR: frühe Kindheitserfahrungen und ihre Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-86099-869-4.
- Elke Grosser: Wochenkrippen in der DDR. In: Zeitpolitisches Magazin 23/2013.
- Ute Stary: Krippe und Kita als Wochenheim. Hebammenzeitschrift, Dezember 2017.
- Ute Stary: Kein Herzensband. In: Hebammenzeitschrift, Januar 2018.
- Antje Beronneau: „Wochenkrippen in der DDR. Rückschau auf ein kollektives Trauma“ in: Serge K. D. Sulz, Alfred Walter, Florian Sedlacek (Hrsg.): Schadet die Kinderkrippe meinem Kind? Worauf Eltern und Erzieherinnen achten und was sie tun können, CIP-Medien, München 2018, ISBN 978-3-86294-063-9, S. 15–22.
Weblinks
- wochenkinder.de: Seite für ehemalige Wochenkrippekinder mit Informationen zu Standorten der Wochenkrippen
- Eine Lobby für die Einverdiener-Familie. In: FAZ.net. 6. Februar 2007 (mit Bemerkungen zur Wochenkrippe in der DDR).
- Lotta Wieden: Alltag in der DDR: Die Wochenkrippen-Kinder. (pdf; 362 kB) In: Deutschlandfunk-Kultur-Sendung „Zeitfragen“. 22. Februar 2017 .
- Ute Stary: Wochenkrippen und Kinderwochenheime in der DDR. In: bpb.de. 19. Januar 2018, abgerufen am 6. Januar 2019.
- Ute Stary: Frühkindliche Erfahrungen in Wocheneinrichtungen. (pdf; 3,3 MB) In: wochenkinder.de. 5. Juli 2020 .
- Wenn Eltern zu Fremden werden: Eine Kindheit in der Wochenkrippe. In: Mitteldeutscher Rundfunk. 4. August 2021 .
- Katja Aischmann: Die Tränen der Kinder – Wochenkrippen in der DDR. (mp3-audio; 27 MB; 29:32 Minuten) In: MDR-Feature. 11. Dezember 2021 .
- Katja Aischmann, Steffen Hengst: Die Eltern als Fremde: Wochenkrippen in der DDR. (Streaming-Video; 6:14 Minuten; 138 MB) In: MDR Zeitreise. 18. Juli 2021 .
- Tadellos gepflegt und gut erzogen. (Streaming-Video; 5:09 Minuten; 16,3 MB) In: Deutscher Fernsehfunk. 1970 (wiedergegeben auf mdr.de).
- Jana Frielinghaus: Wochenkrippen in der DDR: Babys unter Druck. In: nd-aktuell. 12. April 2023, abgerufen am 21. April 2023.
Einzelnachweise
- ↑ Ute Stary: Frühkindliche Erfahrungen in Wocheneinrichtungen. (pdf; 3,3 MB) In: wochenkinder.de. 5. Juli 2020, S. 7, 9, abgerufen am 12. Dezember 2021.
Kinderwocheneinrichtungen in der DDR. In: wochenkinder.styledmap.com. Abgerufen am 12. Dezember 2021 (interaktive Karte mit den Standorten der DDR-Wocheneinrichtungen). - ↑ Eva Schmidt-Kolmer: Verhalten und Entwicklung des Kleinkindes. Der Einfluss verschiedenartigen sozialen Milieus auf das kindliche Verhalten und seine Bedeutung für die Hygiene des Kindesalters. Akademie, Berlin 1959, S. 133.
- ↑ Zdeněk Matějček, Josef Langmeier: Psychische Deprivation im Kindesalter – Kinder ohne Liebe, Urban & Schwarzenberg, München 1977, ISBN 978-3-541-07901-8, S. 97.
- ↑ Eva Schmidt-Kolmer: Verhalten und Entwicklung des Kleinkindes. Der Einfluss verschiedenartigen sozialen Milieus auf das kindliche Verhalten und seine Bedeutung für die Hygiene des Kindesalters. Akademie, Berlin 1959, S. 128.
- ↑ Florian von Rosenberg: Die beschädigte Kindheit. Das Krippensystem der DDR und seine Folgen, C. H. Beck, München 2022, ISBN 978-3-406-79199-4, S. 42 ff.