Wu Zetian (chinesisch 武則天 / 武则天, Pinyin Wǔ Zétiān; * 625; † 16. Dezember 705) war die einzige Frau mit dem Titel chinesischer „Kaiser“. Ihre Herrschaft (690–705) wird auch als Dynastie Zhou () verzeichnet und unterbrach die Tang-Dynastie (唐朝).

Wu Zetians eigentlicher Name war unbekannt. Nach der Thronbesteigung änderte sie ihren Namen in Wu Zhao (武曌, Wǔ Zhào, ein Zeichen, das sie speziell für sich geschaffen hatte). Ihr posthumer Name war Wu Hou (武后, Wǔ Hòu  „Kaiserin Wu“).

Jede Ehefrau eines chinesischen Kaisers war „Kaiserin“, durfte als Frau aber nicht den Tempel des Himmlischen Friedens betreten und dort für das Volk beten. Dies war die vornehmste Aufgabe des chinesischen Kaisers. Nur der „Sohn des Himmels“ hatte die Verbindung zu den Ahnen, nur er konnte um eine gute Ernte und Verschonung des Reiches vor den Reiterhorden aus dem Nordwesten bitten. Auch Wu hatte den Tempel des Himmlischen Friedens als „Kaiserin“ nicht betreten dürfen, aber als nomineller „Kaiser“ konnte „er“ dort für das Volk beten.

Herkunft

Wu Zetian wurde am Ende der Sui-Dynastie in Wenshui (heutige Provinz Shanxi) geboren. Ihr Vater Wu Shiyue war ein Tofu-Hersteller, der unter Kaiser Yang mit Holzhandel reich geworden war. Da Händler im kaiserlichen China einen niedrigen Status hatten, trat Wu in die Armee von Li Yuan, dem damaligen Statthalter des Kaiserhauses in Taiyuan und Shanxi, ein. Li und Wu lernten sich persönlich kennen und schätzen, Wu beherbergte Li mehrmals in seinem Haus, als Li auf Feldzügen gegen Bauernaufstände in der Region von Wenshui vorbeikam. Im Jahre 617 wandte sich Li auf Anraten von Wu gegen Kaiser Yang. Li beförderte Wu zu einem Offizier in seiner Armee, so dass dieser für Waffen und Material zuständig wurde. Li setzte Kaiser Yang ab und Gong auf den Thron, sich selbst ernannte er zum Premierminister. Wu Shiyue wurde zum stellvertretenden Minister für Riten und zum Grafen von Yiyuan ernannt. Ein Jahr später rief sich Li Yuan selbst zum Kaiser Gaozu der Tang-Dynastie aus. Wu stieg zum General auf und wurde mit zahlreichen Geschenken für seine Dienste belohnt. Im Jahre 620 wurde er Minister für staatliche Bauwerke, wobei es ihm gelang, mit Fähigkeit zu überzeugen.

Wu hatte während der Kriege seine Frau und zwei von vier Söhnen verloren. Auf Initiative von Gaozu heiratete der bereits 46-jährige Wu Shiyue im Jahre 622 eine 44-jährige entfernte Verwandte des Kaisers. Aus dieser Verbindung gingen zwei Töchter hervor, von denen die zweite Wu Zetian war. Wu Zetian wuchs in Yangzhou auf, wohin Wu Shiyue als Verwalter versetzt wurde. Später zogen sie nach Lizhou (Provinz Sichuan), wo Wu Shiyue als Gouverneur fungierte. Wu Zetian wurde von ihrer Mutter, die eine hochgebildete Frau war, in Dichtkunst, den konfuzianistischen Klassikern, Geschichte und Etikette unterrichtet. Vater Wu Shiyue starb, als Wu Zetian elf Jahre alt war. Gemäß der chinesischen Tradition zog die Familie an den Geburtsort von Wu Shiyue, die Söhne erbten das gesamte Vermögen Wu Shiyues und hätten die Halbwaise Wu Zetian und ihre Mutter versorgen sollen. Sie behandelten die beiden Frauen aber schlecht.

Konkubine von Kaiser Taizong

Die beiden Frauen verließen im Jahre 637 Wenshui und zogen in die Hauptstadt Chang’an zu Verwandten. Wu Zetian galt damals schon als hübsche junge Frau – das Schönheitsideal zu Zeiten der Tang-Dynastie schrieb den Frauen Übergewicht vor – und im Alter von 13 Jahren kam sie in den Palast von Kaiser Taizong als niederrangige Konkubine. Sie bekam vom Kaiser den Namen Meiniang (媚娘, Mèiniáng) und die Aufgabe, die Aktivitäten der anderen Konkubinen zu protokollieren und dem Kaiser darüber zu berichten. Wenngleich Wu Zetian den Kaiser oft sah, wurde sie nicht schwanger und erhielt zehn Jahre lang keine Beförderung.

Erwachsen geworden, wurde sie die Konkubine des Kronprinzen und nachfolgenden Kaisers Tang Gaozong. Mit dem Tode Taizongs ging sie 649/50 ins Kloster, aber Gaozong holte sie zurück. Wu Zetian erstickte dann angeblich ihre eigene Tochter und schob den Mord der Hauptfrau in die Schuhe, so dass sich Gaozong von dieser scheiden ließ. Nach einigen weiteren Intrigen wurde sie 655 die Hauptfrau. Der Kaiser verlegte ihr zuliebe die Residenz nach Luoyang und ernannte auch ihren ältesten Sohn zum Thronerben.

Machtkämpfe und Verwaltungsprobleme

Gaozong litt ab 660 an Schwindelanfällen und Kopfschmerzen. Man nahm an, dass er von Wu Zhao bis zu seinem Tod 683 langsam vergiftet wurde. Die Kaiserin entfernte in langjährigem Ringen ihr feindlich gesinnte Minister aus der Regierung und besetzte diese Posten mit ihren Vertrauten. Auch vergiftete sie offenbar 675 ihren ältesten Sohn, da er Partei gegen seine Mutter ergriff. Solcherart als Regentin abgesichert, ließ sie ihren dritten Sohn, Kaiser Zhongzong († 710), nach nur sechswöchiger Regierungszeit ab- und dessen jüngeren Bruder Ruizong formal einsetzen.

Wu Zhao bemühte sich zunächst 684 um eine Erneuerung der Verwaltung. Die beständige Expansion des Tang-Reiches hatte zum Durcheinander in der Verwaltung geführt. Die Verwaltungsschwäche und die resultierenden falschen Zahlen bezüglich Bevölkerungsanzahl, Steueraufkommen usw. förderten die Korruption. Aber schon früh musste sie auch um den Bestand ihrer Herrschaft ringen, was ihre Reformabsichten in den Schatten stellte.

Bereits Mitte 684 plante der Prinz Li Jingye eine Rebellion. Man beschuldigte Wu Zhao der Vergiftung ihrer Mutter, des Todes ihres Kindes und ihrer älteren Brüder sowie des Mordes an Kaiser Gaozong. Diese Revolten beschränkten sich auf die Mitglieder der Kaisersippe Li und ranghohe Beamte in der Zentralverwaltung. In der Bevölkerung fanden sie keinen Rückhalt. Trotzdem verlegte Wu Zhao 684 die Hauptstadt nach Luoyang, wo ihre Feinde nicht so einflussreich waren wie in Chang-an. Dazu förderte sie die Beamtenprüfungen als Gegenmaßnahme zum etablierten Adel in der Verwaltung.

Wu Zhaos Antwort war die Bildung einer kaiserlichen Geheimpolizei 686 unter Zhou Xing und Lai Junchen. Diese Geheimpolizei schaltete schnell alle anderen staatlichen Sicherheitsorgane aus und fand ihre Opfer meist unter den höheren Literaten-Beamten und den adligen Familien der Zentralverwaltung, weniger in der Provinzverwaltung. Mord, Folter, Hinrichtung und Verbannung waren die Folge. Auch mehrere Prinzen (u. a. der Mann der Lieblingstochter Wu Zhaos) wurden ermordet. Nach einer letzten Verfolgung 697 wurde die Geheimpolizei zerschlagen, Lai Junchen in die Verbannung geschickt.

Ein Novum war eine Bronzeurne mit vier Schlitzen, in welche die Bevölkerung anonym ihre Empfehlungen, Beschwerden, Forderungen und Prophezeiungen stecken konnte (und jene, die nicht schreiben konnten, durften auf Staatskosten einen Briefschreiber beauftragen). Ihr Inhalt wurde von einem Vertrauten der Kaiserin sorgfältig ausgewertet.

690 bestieg Wu Zhao mit Unterstützung der Buddhisten selbst den Drachenthron. Und zwar hatte ihr ehemaliger Liebhaber, der politisch einflussreiche Mönch Yue Huaiyi, Schriftrollen „gefunden“, welche behaupteten, dass der Maitreya (zukünftige Buddha) eine Frau sei. Es fanden sich immer mehr Leute, die ihr den Kaiserthron zusprachen, obwohl sie eine Frau war. Nachdem sie sich eine Weile formal gegen diese Petitionen gesträubt hatte, legte sie sich den Kaisertitel (Huangdi) zu, ihr Sohn musste abdanken. Der Buddhismus wurde im Gegenzug 691 zur Staatsreligion erhoben (im Zusammenhang mit einem Anschlag änderte sie ihre Einstellung gegenüber den Buddhisten später wieder und legte den Maitreya-Titel wieder ab).

Nachfolge

Mitte 703 wurde Wu Zhao ernstlich krank und war ans Bett gefesselt, die ohnehin angeschlagene Staatsverwaltung stockte. Es kam zu einem Staatsstreich, hinter dem die Familie der Ex-Kaiserin Wei stand, der Frau Zhongzongs. Die Männer der Palastwache bahnten sich den Weg zur Kaiserin Wu Zhao, richteten zwei ihrer Minister (die Zhang-Brüder) hin und zwangen sie zur Abdankung zugunsten Zhongzongs. Damit war die Tang-Dynastie erneut etabliert. Wu Zhao starb wenige Monate später eines natürlichen Todes.

Kaiser Zhongzong regierte noch bis zu seinem eigenen Tod 710 – als ihn seine Frau, die Kaiserin Wei, die wegen ihrer zahlreichen Affären in Bedrängnis geraten war, kurzerhand vergiftete und ihren Sohn einsetzte. Der andere überlebende Sohn Wu Zhaos, der Ex-Kaiser Ruizong, hätte es vielleicht geduldet, aber dessen Sohn nicht. Er wollte keine zweite Wu Zhao, drang in den Palast ein, ermordete die Kaiserin Wei und ließ ihre ganze Familie umbringen. Nach der formalen Abdankung seines Vaters, Kaiser Ruizong, trat er als Kaiser Tang Xuanzong (reg. 713–756) die Regierung an.

Quellenkritik

Die aus Chroniken übernommenen Schilderungen der Kaiserin sind generell kritisch zu betrachten, vor allem da die chinesischen Chronisten Frauen in einflussreichen Positionen konsequent verunglimpften, weil eine herrschende Frau mit den Grundprinzipien des Konfuzianismus unvereinbar ist. Auch die andere Regentin Chinas, die Kaiserwitwe Cixi, wurde unverhältnismäßig negativ dargestellt.

Mediale Auswertung

Hunan Television begann am 21. Dezember 2014 mit der Ausstrahlung des Dramas Empress of China, welche das Leben der Wu Meiniang zum Inhalt hat. Die Titelrolle der 96-teiligen Serie übernahm die chinesische Schauspielerin Fan Bingbing.

Im Jahr 2010 nahm der Regisseur Tsui Hark im Kinofilm Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen den Kaiserhof zur Zeit Wu Zetians als Vorlage für eine Verfilmung um den legendären Richter Di; Wu Zetian wird dort, wie auch in den weiteren Teilen der Filmreihe, von Carina Lau verkörpert.

Die 30-teilige Serie "Unerschrocken! Echte Heldinnen" der ARD widmet eine 3-minütige Folge "Wu Zeitian".

Literatur

  • Wolfram Eberhard: Geschichte Chinas. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Kröners Taschenausgabe. Band 413). 3., erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 1980, ISBN 3-520-41303-5, auf S. 219–222 "Zeitalter der Kaiserin Wu", mit ausgewogener Würdigung.
  • Richard W.L. Guisso: The reigns of the Empress Wu. In: The Cambridge History of China, Vol. 3 (1979/repr.1997), v. a. S. 329–332 ("The period in retrospect"). - Ausgezeichneter Überblicksartikel über die kontroverse Epoche.
  • Dieter Kuhn: Status und Ritus. Das China der Aristokraten von den Anfängen bis zum 10. Jahrhundert nach Christus. Edition Forum, Heidelberg 1991, ISBN 3-927943-03-7.
  • Sabrina Rastelli: China at the Court of the Emperors: Unknown Masterpieces from Han Tradition to Tang Elegance (25-907). Skira, Florenz 2008, ISBN 978-88-6130-681-3.
  • Dora Shu-fang Dien: Empress Wu Zetian in fiction and in history: female defiance in Confucian China. Nova Science Publishers, New York 2003. ISBN 1-59033-804-9
  • Lin Yutang: Lady Wu. A true story. London : Heinemann 1957. - Deutsch unter dem Titel Lady Wu. Das ungewöhnliche Leben einer Kaiserin. München : Kindler 1959. - Romanhaft aus der Perspektive eines fiktiven Enkels geschrieben, aber quellennah und anschaulich.
Commons: Wu Zetian – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 Imanuel Geiss: Geschichte griffbereit. Band 3: Personen. Die biographische Dimension der Weltgeschichte. Harenberg Lexikon-Verlag, Dortmund 1993, OCLC 610914127, S. 64
  2. 1 2 X. L. Woo: Empress Wu the Great. Algora Publishers, New York 2008, ISBN 978-0-87586-661-1, S. 510.
  3. X. L. Woo: Empress Wu the Great. Algora Publishers, New York 2008, ISBN 978-0-87586-661-1, S. 3132.
  4. Unerschrocken! Echte Heldinnen. Abgerufen am 15. Januar 2022 (deutsch).
VorgängerAmtNachfolger
RuizongRegierende Kaiserin von China
690–705
Zhongzong
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.