Der Zylinder, oft auch Zylinderhut, ist ein hoher, steifer, meist schwarzer Herrenhut mit zylindrischem Kopf und fester Krempe. Er wird aus Filz, Seide oder Seidenplüsch, selten auch aus Stroh hergestellt.
Formen
Der klassische harte Glanzzylinder ist mit langflorigem Samt bezogen, dessen flach liegende Härchen durch Lichtreflexe glänzen (Felbel). Die Seiten des Zylinders sind nach innen gewölbt (konkav).
In den USA erlangte zeitweise eine besondere Variante des Zylinders Popularität, der Ofenrohrhut. Im Gegensatz zum normalen Zylinder hat er senkrechte Seiten.
In den USA erlangte ebenfalls der Halbzylinder in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter der Präsidentschaft Abraham Lincolns große Popularität. Der Halbzylinder ist gegenüber dem Zylinder verkürzt und meistens braun oder grau.
Der Klappzylinder oder Chapeau Claque ist mit einer Mechanik versehen, die die „Röhre“ einfaltbar macht, so dass der Hut zusammengefaltet nur so hoch wie die Krempe ist.
Geschichte
Der heute als Zylinder bezeichnete Hut entwickelte sich entweder aus einem um 1780 getragenen hohen Hut aus Wollfilz oder aus dem so genannten Biberhut (Kastorhut) des englischen Landedelmannes. Dieser galt bis 1850 als unelegant und wurde von den höheren Ständen allenfalls als Reithut getragen.
Im Januar 1797 wurde erstmals ein Seidenzylinder von dem englischen Hutmacher John Hetherington öffentlich getragen, wofür er angeblich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses bestraft wurde. Der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote ist jedoch umstritten.
Populär wurde der Zylinderhut erst in den 1820ern, als er zum Hut des Bürgers avancierte, sogar zum Symbol des Bürgertums schlechthin: So weigerte sich Adolph Menzel bei der Verleihung des preußischen Adlerordens – umgeben vom uniformierten Hochadel – aus Bürgerstolz, seinen Zylinder abzunehmen.
Seit den Napoleonischen Kriegen war der Tschako, eine Variante des Zylinders, als militärische Kopfbedeckung weit verbreitet.
Zur selben Zeit wurde der Zylinderhut Bestandteil bestimmter Berufstrachten, zum Beispiel der Schornsteinfeger und Kutscher.
Die frühen Zylinder wurden noch aus hellgrauem oder hellbeigem Filz hergestellt, seltener aus schwarzem, und mit einem schmalen Band versehen. Nach 1830 kam der Chapeau Claque auf; in dieser Zeit wurde der Zylinder auch zum Reithut der Frau. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt diese Kopfbedeckung vor allem als eleganter Abendhut in schwarzer glänzender Seide und mit farbigem, meist rotem Futter. Der graue Zylinder war ein Tageshut für festliche Anlässe.
Heutige Verwendung
Der Zylinder wird heute nur zu besonders festlichen Anlässen getragen, und auch dann nur zu einem förmlichen Cutaway oder Frack.
Beim Dressurreiten in den höheren Klassen (etwa ab Klasse M) hatte der Zylinder bis zum Durchsetzen der Helmpflicht auf allen Turnieren im Jahr 2021 noch Bedeutung als Zeichen für Traditionsbewusstsein und einen gewissen Stand in der Gemeinschaft. Allgemein konnte zum Reitrock (Jackett) ein Zylinder oder ein Bowler getragen werden, zum Frack in den hohen Klassen wurde immer ein Zylinder getragen.
Der Zylinderhut ist heute zum Symbol für Zauberkünstler geworden, wovon auch die Redewendung „wie ein Kaninchen aus dem Zylinderhut“ (wenn jemand überraschend neue Argumente oder Ideen vorträgt) zeugt.
Als Symbol des freien Menschen findet sich der „Hohe Hut“ noch heute als Bestandteil der freimaurerischen Kleidung in Tempelarbeiten wieder.
Unicode
Der Unicode-Block Verschiedene piktografische Symbole enthält das Zeichen Zylinderhut (TOP HAT, 🎩).
Literatur
- Ingrid Loschek: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 5. Auflage. Stuttgart 2005. ISBN 3-15-010577-3.
- Ingrid Loschek: Accessoires. Symbolik und Geschichte. München 1993. ISBN 3-7654-2629-6.
- Eintrag Zylinder, In: Meyers Enzyklopädisches Lexikon. Bibliographisches Institut, Mannheim/Wien/Zürich 1973, Band 25, S. 855.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Halbzylinder im Hut-Lexikon auf hutshopping.de, abgerufen am 10. September 2017.
- ↑ Sonja Rohlfing: Zylinder-Verbot sorgt für Zündstoff. Abgerufen am 19. Juli 2023.