Österreichische Identität

Österreichische Identität bezeichnet das „Wir-Gefühl“, das Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft oder österreichischer Herkunft (Altösterreicher, Auslandsösterreicher) in verstärktem Maße seit der Unabhängigkeit Österreichs vom Deutschen Reich am 27. April 1945 entwickelt haben und welches sie subjektiv von Angehörigen anderer Staaten unterscheidet. In diesem Sinne ist der Begriff Österreichische Identität eine kollektive kulturelle, soziale, historische, sprachliche und ethnische Identität, die sich auf die österreichische Bevölkerung bezogen entwickelt hat, die zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb dieser geführt hat und die in einem klaren Nationsbewusstsein resultiert. Diese Identität entwickelt sich immer weiter und ist bei der Bevölkerung vor allem hinsichtlich der einzelnen Bundesländer auch im Hinblick auf das spezielle Landesbewusstsein verschieden ausgeprägt.

Im Diskurs um eine österreichische Identität und Nation sind geistesgeschichtlich viele verschiedene, einander teils widersprechende Konzepte entwickelt worden. Sie reichen vom Konzept der Österreicher als östlicher Gruppe des bairischen Stammes und Österreichern als Teil einer deutschen Nation bis hin zu dem von Österreichern als eigenständiger primordial-ethnischer Nation. Heute ist die Vorstellung von einer separaten und eigenständigen österreichischen Nation vorherrschend, wobei deren Grenzen je nach ideologischem Nationsbegriff variieren.

Die im 20. Jahrhundert entwickelte, moderne österreichische Identität wird auch mit einem speziellen Österreich-Bewusstsein in früheren Jahrhunderten in Verbindung gebracht. Der Begriff Österreich beziehungsweise der Österreicher selbst war allerdings mit Ausnahme der damaligen Kernländer (vgl. die Bundesländer Oberösterreich, Niederösterreich und Wien als Gebiet des ehemaligen Erzherzogtums) jahrhundertelang eher ein Synonym für das Haus Österreich und den jeweiligen Herrschaftsbereich der landesfürstlichen Dynastie, nicht aber die Bezeichnung für ein Volk. Ebenso waren nach alter Lesart vom Spätmittelalter bis 1848 die jeweiligen Landstände (Adel und Ritter, in Tirol auch die Bauern) die Träger eines jeweiligen spezifischen Landesbewusstseins.

Bereits in den Jahrzehnten nach 1870/71 und insbesondere unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg sowie während des Krieges und danach fand sowohl im katholischen als auch im liberalen Lager mit Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr, Robert Musil, Friedrich Heer oder Friedrich Torberg gegenüber dem deutschnational freiheitlichen Lager ein Prozess zunehmender Verösterreichisierung und bewusster Abgrenzung von einer deutschen Identität statt. Dabei wurden als Trennlinien zwischen Österreichern und Preußen das Leitbild des in Zentraleuropa lebenden, von William M. Johnston so genannten „theresianischen Menschen“ und die Entwicklung einer „österreichischen Idee“ hervorgehoben. Die „österreichische Idee“ war dabei die zu leistende Vermittlerrolle zwischen der lateinischen, germanischen und slawischen Zivilisation im Rahmen der positiven Pluralität der Habsburgermonarchie.

Gerade nach 1945 wurde die österreichische Identität vor allem in Abgrenzung zum spezifisch österreichischen Deutschnationalismus entwickelt. Eine direkte Linie vom dynastischen Österreich-Bewusstsein zum damaligen Österreich-Bewusstsein wurde dabei durch die Verwerfungen der Zwischenkriegszeit und des Zweiten Weltkrieges nicht angenommen. Erst ab dem Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 und der Einbettung der Republik Österreich in eine Staatengemeinschaft wird das „Österreichische“ vermehrt auch als langdauernder historischer Kulturstrang seit der multinationalen Monarchie wahrgenommen. Denn schon das alte Österreich (die Donaumonarchie) galt manchen als ein „Europa im Kleinen“ und auch im damaligen Vielvölkerstaat wurde versucht, mit frühen Formen einer supranationalen Identität die pluralen nationalen wie konfessionellen Identitäten zu überwölben.

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