Überhangmandat
Überhangmandate können in Wahlsystemen auftreten, die auf einer durch Direktwahl in Wahlkreisen personalisierten Verhältniswahl beruhen. Wenn in einem solchen Wahlsystem eine Partei in den Wahlkreisen mehr Mandate erringt, als ihr gemäß dem Ergebnis der Verhältniswahl zustehen würden, erhält diese Partei so viele Überhangmandate, wie sie Direktmandate mehr hat, als ihr Sitze nach der Verhältniswahl eigentlich zustehen.
Im Bundestagswahlrecht in Deutschland bedeutet das: Überhangmandate werden vergeben, wenn eine Partei mehr Direktmandate durch Erststimmen in einem Land erringt, als ihr gemäß dem Zweitstimmenergebnis in diesem Land zustünden. Da die alleinige Praxis der Überhangmandate 2008 und 2012 für verfassungswidrig erklärt wurde, werden diese seit 2013 durch Ausgleichsmandate korrigiert.
Wie im deutschen Bundestagswahlrecht gibt es auch im neuseeländischen Wahlsystem Überhangmandate zusätzlich, im schottischen solche auf Kosten der anderen Parteien.
In der Regel lässt sich nicht sagen, welche Abgeordneten Inhaber von Überhangmandaten sind, sondern nur, dass bei einer Partei eine bestimmte Zahl an Überhangmandaten aufgetreten ist. Überhangmandate können vermehrt auftreten, wenn der Ausgleich zwischen Direktmandaten und Parteienproporz nicht über das gesamte Wahlgebiet stattfindet, sondern in kleineren Einheiten, sei es durch getrennten Verhältnisausgleich (wie etwa im bayerischen Wahlsystem) oder Verrechnung erst nach Unterverteilung der Parteiensitze (wie etwa im Bundestagswahlrecht). In vielen Konstellationen bekommen vor allem die größeren Parteien Überhangmandate. Aber auch bei kleinen Parteien können Überhangmandate auftreten, wenn sie über ausgeprägte Hochburgen (insbesondere bei Regionalparteien) oder besonders attraktive Persönlichkeiten verfügen, oder das Wahlsystem taktische Wahl per Stimmensplitting ermöglicht, wie es etwa in Deutschland der Fall ist.
In gewissem Sinn sind auch solche Sitze Überhangmandate, die von Einzelbewerbern oder Direktbewerbern errungen werden, deren Partei an einer Sperrklausel gescheitert ist, da bei ihnen keine anrechenbaren Parteistimmen existieren. Sofern solche Sitze möglich sind, werden sie aber meist gesondert behandelt und nicht als Überhangmandate bezeichnet. Durch die Wahlrechtsreform 2023 wurden im Bundestag die Überhangmandate durch die sog. Zweitstimmendeckung ersetzt.