Bürgerkrieg in Libyen seit 2014
Der Zweite Bürgerkrieg in Libyen ist eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Truppen und Milizen der Regierung Fayiz as-Sarradsch unter dem Government of National Accord (GNA), welches Teile West-Libyens mit der Hauptstadt Tripolis kontrolliert, sowie den Truppen des Machthabers Ost-Libyens, Chalifa Haftar. Die Vereinten Nationen gaben an, dass es bis August 2015 435.000 Binnenflüchtlinge gab und dass rund eine Million Menschen nach Tunesien geflüchtet sind.
Rund 2,4 Mio. Menschen in Libyen brauchen humanitäre Unterstützung, während rund 1,2 Mio. an Mangelernährung leiden oder hungern (die meisten davon im seit 2014 umkämpften Bengasi). Rund 250.000 Flüchtlinge aus anderen Ländern halten sich in Libyen auf, die oftmals Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgeliefert sind oder zur Zwangsarbeit herangezogen werden.
Eine zusätzliche Eskalation erfuhr der Konflikt durch das Eingreifen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in die Kämpfe. Der IS rief im Herbst 2014 in Libyen ein Emirat aus, bekämpfte beide Seiten, verübte Anschläge in deren Gebieten und brachte einige Gebiete zeitweise unter seine Kontrolle. In der IS-Hochburg Sirte errichteten IS-Kämpfer ein Terrorregime, geprägt von Gräueln und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 2016 verlor der IS weitgehend seine Gebiete in Libyen und ging in den Untergrund.
Die nationale Minderheit der Tuareg nutzte die Situation und errichtete im Südwesten Libyens einen praktisch unabhängigen eigenen Staat in einer Region um Ghat herum.
Die Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, äußerte im April 2015, es gebe in Libyen „keinen Staat als solchen“ mehr; dies sei wegen des Gegensatzes zwischen dem westlichen und dem östlichen Landesteil schon früher befürchtet worden.
Am 17. Dezember 2015 wurde zwischen den rivalisierenden Lagern aus Tobruk und Tripolis ein Friedensvertrag vereinbart, welcher bis 2018 den Neuaufbau des libyschen Staates und seiner Institutionen sowie eine Einheitsregierung unter Fayiz as-Sarradsch vorsieht. Allerdings erkannte nach der Bildung der neuen Regierung das Parlament die neue Regierung nicht an, was die eigentlich als „Einheitsregierung“ gedachte Regierung zu einer weiteren Bürgerkriegspartei degradierte. Diese konnte sich allerdings in Tripolitanien behaupten und dort im Mai 2017 ihre Konkurrenten des Neuen Allgemeinen Nationalkongress, sowie im November 2017 die Verbündeten des Tobruk-Lagers militärisch besiegen, was zu einem dauerhaften militärischen Patt führte. Seit Oktober 2017 wurde in Ägypten über ein Abkommen zur Bildung einer gemeinsamen Armee der beiden Streitkräfte aus West-Libyen und Ost-Libyen beraten.
Gestützt auf seine Miliz und ein Netzwerk aus Bündnissen, die er innerhalb von fünf Jahren mit lokalen Führen geschlossen hatte, ließ Chalifa Haftar seine Truppen im Frühjahr 2019 auf die Hauptstadt Tripolis marschieren. Unterstützt durch Ägypten, Saudi-Arabien, die VAE und offenbar verstärkt durch Söldner der russischen Gruppe Wagner verlangt er, zum „Nationalen Militärführer“ ernannt zu werden, der keiner politischen Kontrolle unterstehen solle.
Fünf Jahre nach dem Beginn der Flüchtlingskrise in Europa ab 2015, in der Libyen als Transitland für Flüchtlinge nach Europa gilt, und neun Jahre nach dem Beginn des Bürgerkriegs in Libyen im Februar 2011 entschlossen sich die Konfliktparteien mit ihren unterstützenden Staaten in einer internationalen Konferenz im Januar 2020 in Berlin zu einer Waffenruhe, einem Waffenembargo und einem Abzug aller ausländischen Kampfverbände, ehe die Parteien alle Absprachen brachen und der Krieg weitergeführt wurde.