Der Hof für die Pachteinnahme

Die aus mehr als 100 lebensgroßen Figuren bestehende Skulpturengruppe Hof für die Pachteinnahme (chinesisch 收租院 Shouzuyuan; engl.: Rent Collection Courtyard) zählt zu den wichtigsten Werken der modernen chinesischen Kunstgeschichte und ist fest im kollektiven Gedächtnis Chinas verankert. 1965 von Lehrern und Absolventen der Hochschule der Künste Sichuan in Chongqing als ortsspezifische Installation auf dem ehemaligen Anwesen des Großgrundbesitzers Liu Wencai (1887–1949) (Dizhu zhuangyuan chenlieguan) in der Großgemeinde Anren (安仁镇) des Kreises Dayi der Stadt Chengdu (Hauptstadt der Provinz Sichuan), etwa 50 Kilometer westlich des Stadtzentrums, geschaffen, wurde die Figurengruppe bald zu einem Musterkunstwerk der Kulturrevolution. In einer dramatischen Szenenfolge, die traditionelle chinesische, sowjetische und westliche Elemente zusammenführt, stellt sie die erbarmungslose Ausbeutung der Landbevölkerung durch einen reichen Grundbesitzer der vorkommunistischen Ära dar.

Neben der Skulpturengruppe aus Trockenlehm in der Gedenkstätte in der Großgemeinde Anren des Kreises Dayi wurden mehrere Kopien und Varianten angefertigt und überall im Land ausgestellt. Eine einzige dieser Varianten – 1974–1978 mit hohem Aufwand als mobile Reisefassung aus verkupfertem Fiberglas realisiert – ist bis heute erhalten geblieben und wird seither im „Kunstmuseum der Hochschule der Künste Sichuan“ in Chongqing gezeigt. 2009 wurde diese Version zunächst im Kunstmuseum Shanghai ausgestellt. Im selben Jahr präsentierte die Schirn Kunsthalle Frankfurt im Rahmen der Ausstellung Kunst für Millionen. 100 Skulpturen der Mao-Zeit die Figurengruppe erstmals im Westen. Schon 1972 versuchte Harald Szeemann die Skulpturengruppe auf der documenta 5 (1972) in Kassel zu zeigen, was jedoch aus politischen und finanziellen Gründen scheiterte. Nachdem es ihm 1999 als Leiter der La Biennale di Venezia erneut nicht gelungen war, die Skulpturen zu zeigen, realisierte der in den USA lebende chinesische Künstler Cai Guo-Qiang eine auf den Hof für die Pachteinnahme rekurrierende Arbeit, mit der er den Goldenen Löwen gewann. In China entzündete sich daraufhin ein Konflikt um die Urheberrechte an dem Werk, der zum Ausgangspunkt einer weitreichenden Debatte um aktuell bedeutende Fragen nach der Position des Künstlers und der Freiheit von Kunst im heutigen China sowie nach dem Verhältnis der chinesischen zur westlichen Kunstwelt wurde. In jüngster Zeit wurde das Werk wiederholt von jungen chinesischen Künstlern aufgegriffen und fand Eingang in die aktuellen Diskussionen zur zeitgenössischen Kunst in China.

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