Evolution der Säugetiere
Die Evolution der Säugetiere ist ein graduell verlaufender Prozess, der mit der Trennung der Sauropsiden- und Synapsiden-Linie irgendwann im Oberkarbon vor mehr als 300 Millionen Jahren begann und bis heute andauert. Bereits in der mittleren Trias existierten Vertreter, die Säugetieren sehr ähnlich sahen. Die ersten „echten“ Säugetiere traten jedoch erst in der Oberen Trias oder im Unteren Jura auf.
Sinodelphys, der früheste bekannte Beutelsäuger, lebte vor 125 Millionen Jahren in der Unterkreide ungefähr zeitgleich mit Eomaia, dem ersten bekannten Höheren Säugetier. Nur zwei Millionen Jahre später erschien dann auch das erste Kloakentier Teinolophos. Nachdem die Nichtvogeldinosaurier dem großen Massenaussterben an der Kreide-Tertiär-Grenze zum Opfer gefallen waren (die Vögel gelten gemeinhin als weiterhin artenreich vorkommende Vertreter der Dinosaurier), konnten sich die Beutelsäuger und die Höheren Säuger im Verlauf des Tertiärs in viele neue Taxa aufspalten und neue ökologische Nischen einnehmen. Bis zum Ende des Tertiärs hatten sich dann sämtliche modernen Ordnungen herausgebildet.
Unter dem Blickwinkel der stammesgeschichtlichen Entwicklung betrachtet sind Säugetiere die einzigen überlebenden Synapsiden. Die entwicklungsgeschichtliche Linie der Synapsiden hatte sich spätestens vor 306 Millionen Jahren im Oberkarbon von den Sauropsida (heutige Reptilien und Vögel) getrennt. Während des Perms waren die Synapsiden die häufigsten und gleichzeitig größten Landwirbeltiere. In der Trias jedoch wurden die Archosaurier, ein zuvor relativ unbedeutendes Untertaxon der Sauropsiden, zur vorherrschenden Wirbeltiergruppe. Eine Archosauriergruppe – die Dinosaurier – sollte dann für den gesamten Rest des Mesozoikums die dominierende Landwirbeltiergruppe stellen. Durch diese faunistischen Veränderungen waren die mesozoischen Säugerartigen gezwungen, in nachtaktive Lebensweisen auszuweichen. Dieser Nischenwechsel dürfte ausschlaggebend bei der Herausbildung typischer Säugetiereigenschaften wie Endothermie, Behaarung und großes Gehirnvolumen gewesen sein. Erst im späteren Mesozoikum gelang es einigen Säugetiergattungen, auch in andere ökologische Nischen vorzudringen. Beispiele hierfür sind Castorocauda, der im Wasser lebte, Volaticotherium, ein Gleitflieger, und Repenomamus, der sogar kleinen Dinosauriern nachstellte.
Der größte Teil unseres Wissens beruht auf Fossilfunden. Lange Zeit waren mesozoische Fossilien von Säugetieren und deren unmittelbaren Vorfahren sehr selten und bruchstückhaft, aber seit Mitte der neunziger Jahre wurden viele wichtige Neufunde gemacht, insbesondere in China. Relativ neue Techniken der Molekularphylogenetik konnten ihrerseits einige Aspekte der Säugetierevolution aufklären, indem sie Schätzalter für bedeutende Divergenzpunkte moderner Arten beisteuerten. Bei vorsichtiger Anwendung stimmen diese Techniken auch meist mit dem Fossilbericht überein.
Obwohl Milchdrüsen das kennzeichnende Merkmal der Säugetiere sind, ist das Wissen über die Evolution der Laktation noch gering. Auch über die Evolution eines anderen Wesensmerkmals, des Neokortex, ist praktisch so gut wie nichts bekannt. Ein großer Teil der Forschungen auf dem Gebiet der Säugetierevolution konzentriert sich auf die Entwicklung des Mittelohrs, welches sich aus dem Kiefergelenk vorhergehender Amnioten gebildet hat. Andere Forschungsrichtungen sind die Plazenta, aufrechte Gliedmaßen, verknöcherter sekundärer Gaumen, Behaarung und gleichwarme Körpertemperatur.