Fürstenenteignung
Im Streit um die Fürstenenteignung in der Weimarer Republik ging es um die Frage, was mit dem bisher nur beschlagnahmten Vermögen der deutschen Fürstenhäuser geschehen solle, die im Zuge der Novemberrevolution von 1918 politisch entmachtet worden waren. Diese Auseinandersetzungen begannen bereits in den Revolutionsmonaten. Sie dauerten in den Folgejahren an und gewannen durch Gerichtsverfahren zwischen einzelnen Fürstenhäusern und den jeweiligen Ländern des Deutschen Reiches an Intensität, da die Gerichte die Schadensersatzforderungen der Fürsten bestätigten. Höhepunkte des Konflikts waren das erfolgreiche Volksbegehren im März 1926 und der gescheiterte Volksentscheid zur entschädigungslosen Enteignung am 20. Juni 1926.
Das Volksbegehren war von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) initiiert worden. Zögerlich schloss sich die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) an. Nicht nur Wähler der KPD und der SPD befürworteten die entschädigungslose Enteignung. Auch viele Anhänger der Deutschen Zentrumspartei (Zentrum) und der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bejahten sie. In bestimmten Regionen Deutschlands unterstützten auch Wähler konservativ-nationaler Parteien diese Gesetzesinitiative. Man versprach sich von ihr die Verteilung von Grund und Boden an Bauern, Wohnraum, Unterstützung für Kriegsversehrte und andere soziale Maßnahmen.
Adelsverbände, die Kirchen der zwei großen Konfessionen, großagrarische und industrielle Interessenverbände sowie die Parteien und Verbände des politisch rechten Lagers traten für die Fürsten ein. Sie trugen durch Boykottaufrufe schließlich zum Misserfolg des Volksentscheids bei.
An die Stelle der entschädigungslosen Enteignung traten individuelle Abfindungsverträge. Sie regelten die Verteilung der Vermögensmassen zwischen den jeweiligen Ländern und den ehemals herrschenden Fürstenhäusern.
In Politik- und Geschichtswissenschaft werden die Ereignisse unterschiedlich gedeutet. Während zum Beispiel die parteioffizielle Geschichtswissenschaft der DDR vor allem das Handeln der damaligen KPD positiv bewertete, machen bundesdeutsche Historiker auf die erheblichen Belastungen aufmerksam, die sich aus den plebiszitären Initiativen für die Zusammenarbeit der SPD mit den republikanischen Parteien des Bürgertums ergaben. Daneben wird auch auf die Generationenkonflikte hingewiesen, die sich in dieser politischen Auseinandersetzung zeigten. Gelegentlich gilt die Kampagne für die kompensationslose Enteignung als positives Beispiel direkter Demokratie.