Großer Terror (Sowjetunion)
Der Große Terror (russisch Большой террор, wissenschaftliche Transliteration Bol'šoj terror) – auch als Große Säuberung (russisch Большая чистка, Bolschaja tschistka) oder Jeschowschtschina (russisch ежовщина), Jeschow-Herrschaft bezeichnet – war eine von Herbst 1936 bis Ende 1938 dauernde umfangreiche Verfolgungskampagne in der Sowjetunion. Die Durchführung dieser von Josef Stalin veranlassten und vom Politbüro gebilligten Terrorkampagne lag bei den Organen des Innenministeriums der UdSSR (NKWD) unter Leitung von Nikolai Jeschow. Der Terror richtete sich vor allem gegen mutmaßliche Gegner der stalinistischen Herrschaft und als unzuverlässig angesehene „Elemente“ oder Gruppen.
Als Zeit des Großen Terrors im engeren Sinn werden die Monate von Juli 1937 bis Mitte November 1938 verstanden. Allein in diesem Zeitraum kam es zur Verhaftung von etwa 1,5 Millionen Menschen, von denen etwa die Hälfte erschossen, die anderen, bis auf wenige Ausnahmen, in die Lager des Gulag gebracht oder in Gefängnissen inhaftiert wurden. Die Massenrepressionen gelten als Höhepunkt einer Kette von Säuberungswellen der Stalin-Ära.
Die für den Terror Verantwortlichen inszenierten anfangs eine Serie von Schauprozessen, zu deren bekanntesten die Moskauer Prozesse gehören; vorrangig gegen Angehörige der Eliten in Politik, Militär, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Kultur. Die geheimen „Massenoperationen“ ab Mitte 1937, von denen sogenannte Kulaken, „sozial schädliche“ und „sozial gefährliche Elemente“ sowie ethnische Minderheiten betroffen waren, forderten allerdings eine weit größere Opferzahl.
1956, drei Jahre nach dem Tod Stalins, berichtete der damalige Erste Sekretär des Zentralkomitees, Nikita Chruschtschow, während einer Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU über frühere „politische Säuberungen“ gegen Parteimitglieder. Die Massenoperationen blieben weiterhin ein Staatsgeheimnis. Durch die Veröffentlichung des historisch-literarischen Werkes Archipel Gulag des russischen Schriftstellers Solschenizyn im Jahre 1973 erhielt die Weltöffentlichkeit tiefe Einblicke in das sowjetische Terrorsystem. Erst seit dem Ende der Sowjetunion machten umfangreiche Archivfunde und -studien Art und Ausmaß des Terrors deutlich.
In der Forschung zum Großen Terror gab es lange Zeit Kontroversen, hauptsächlich über die Zahl seiner Opfer und seine Ursachen. Deutungen im Rahmen der Totalitarismustheorie standen Deutungen gegenüber, die die Hauptursachen in den Widersprüchen der sowjetischen Gesellschaft sowie in politischen Konflikten zwischen Zentrum und Peripherie sehen.