Häftlingsfreikauf
Als Häftlingsfreikauf bezeichnet man den Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik Deutschland.
Für die Freilassung politischer Gefangener verzichtete die DDR bei selektierten Haftfällen auf einen Teil des Haftanspruchs, wofür die Bundesrepublik die DDR durch Devisen, vornehmlich jedoch durch geldwerte Leistungen in Form von Warenlieferungen entlohnte. Im Westen wurden diese von Rechtsanwälten eingefädelten Transaktionen von den beteiligten Akteuren und in der Öffentlichkeit als Menschenhandel bezeichnet. In der DDR durfte über den Menschenhandel mit der Bundesrepublik nicht gesprochen werden. Daran anschließend forderte die SED-Führung von der Bundesrepublik Diskretion, sukzessive Einschränkungen der Pressefreiheit. Die westdeutschen Medien hielten sich mit der Berichterstattung dann auch etwas zurück, um das Zustandekommen der in größerem Umfang geplanten Freikaufsgeschäfte politischer Häftlinge nicht zu gefährden.
Auf die informierte DDR-Bevölkerung übte die Freikaufoption eine große Sogwirkung aus, weil sich an der menschenrechtsverletzenden Situation in der DDR nichts änderte. Viele Akademiker und Facharbeiter gelangten über den Umweg des Häftlingsfreikaufs in den Westen und der kursierende Witzspruch „Erich macht als Letzter das Licht aus“ bekam durch den Fachkräfteschwund immer mehr Realitätsbezug.
Auf eigenen Wunsch wurden die freigekauften Gefangenen in die Bundesrepublik ausgebürgert; oft direkt aus der Haft heraus und ohne sich vorher von ihren Angehörigen oder Mithäftlingen verabschieden zu können.
Der Häftlingsfreikauf begann Ende 1962 und endete im Herbst 1989 mit der Freilassung der politischen Gefangenen in der Zeit der Wende und friedlichen Revolution in der DDR.
Zwischen 1964 und 1989 wurden insgesamt 33.755 politische Häftlinge für 3.436.900.755,12 D-Mark freigekauft. Außerdem musste die Bundesregierung „Gebühren“ für die Ausreise von etwa 250.000 Ausreisewilligen entrichten.
Dieser Geldfluss von West nach Ost trug zur Stabilisierung der DDR bei, die ab den 1970er Jahren in ständigen Finanznöten steckte.
Das Diakonische Werk der EKD in Stuttgart spielte bei der Vermittlung eine gewisse Rolle. Der DDR-Begriff der daran Beteiligten für den Häftlingsfreikauf war Kirchengeschäft B oder B-Geschäft. Die Kontakte zwischen Kirchen und Kirchengemeinden in Deutschland waren eng und wurden von der SED geduldet.