Hávamál
Die Hávamál (Háv), des Hohen Lied oder die Sprüche des Hohen, heißt eine Sammlung von insgesamt 164 eddischen Strophen, die zu der Lieder-Edda gerechnet werden. Hoch in „Des Hohen Lied“ oder „Die Sprüche des Hohen“ bezieht sich auf den nordischen Gott Odin, der in dem Gedicht den sterblichen Menschen Rat gibt, wie sie ein erfolgreiches und ehrenwertes Leben führen können. Hávamál als Teil der Edda gehört zur Weisheitsliteratur und wird mit den indischen Veden oder den homerischen Gedichten Griechenlands verglichen. Das Gedicht ist ausschließlich im Codex regius aus dem 13. Jahrhundert überliefert, welcher seit 1971 in der Arnamagnäanischen Sammlung in Reykjavík aufbewahrt wird. Im Codex regius ist Hávamál als zweiter Text direkt hinter der Völuspá unter dem Titel hava mal aufgenommen, was auf die hohe Bedeutung hinweist, die der Verfasser des Codex regius dem Gedicht beimaß.
Die Tatsache, dass Snorri Sturluson den ersten Vers der Hávamál an den Anfang seines mythologischen Lehrbuches Gylfaginning stellt und Eyvindr Skáldaspillir Verse der Hávamál am Ende seines Gedichtes Hákonarmál zitiert, wird zum Beleg dafür genommen, dass Hávamál bereits im 10. Jahrhundert bekannt war. Klaus von See sieht eine Reihe von Abhängigkeiten von lateinischer Dichtung, insbesondere der Disticha Catonis, sei es unmittelbar, sei es über die Vermittlung anderer altnordischer Dichtungen wie der Hugvinnsmál, und zitiert auch andere Arbeiten, die auf Seneca und andere im Mittelalter bekannte Literatur hinweisen. Theodoricus Monachus, der im 12. Jahrhundert die Historia de antiquitate regum Norwagiensium schrieb, kannte Platon, Chrysipp, Plinius, Lucanus, Horaz, Ovid, Vergil, die Kirchenväter, wie Origines, Euseb, Hieronymus und Augustinus, und die spätantiken resp. mittelalterlichen Autoren Boëthius, Paulus Diaconus, Isidor von Sevilla, Beda, Remigius von Auxerre, Hugo von St. Victor und Sigbert von Gembloux. Das bedeutet, dass die Bibliothek des Erzbischofs in Nidaros bereits im 12. Jahrhundert gut bestückt war.