Kalām-Kritik

Kalām-Kritik stellt die Argumentationsformen und Konzepte des Kalām aus islamisch-religiöser Sicht beziehungsweise philosophischer Sicht radikal in Frage. An Fiqh und Hadith orientierte islamische Gelehrte begegneten dem Kalām schon seit seinen Anfängen im 8. und 9. Jahrhundert mit Ablehnung und verboten die Beschäftigung mit ihm. Von asch-Schāfiʿī (gest. 822), Ahmad ibn Hanbal (gest. 856), dem Kreis um Abū Hanīfa und verschiedenen schiitischen Imam sind zahlreiche missbilligende Aussprüche zum Kalām überliefert. Unter dem Eindruck dieser Aussprüche wurde der Kalām Ende des 9. Jahrhunderts zeitweise im Abbasidenreich verboten. Traditionalistisch ausgerichtete Gelehrte polemisierten weiter gegen den Kalām und verfassten dazu wie Abū ʿAbd ar-Rahmān as-Sulamī (gest. 1021), ʿAbdallāh al-Ansārī (gest. 1089) und Ibn Qudāma al-Maqdisī (gest. 1223) eigene Werke. Deswegen sahen sich die Anhänger des Kalām vor die Notwendigkeit gestellt, den Kalām zu verteidigen. Sie versuchten die Kalām-Gegner zu diskreditieren und die ablehnenden Aussagen der Rechtsschulengründer zum Kalām zu relativieren. Eine vermittelnde Position zwischen Kalām-Gegnern und Kalām-Befürwortern nahm al-Ghazālī ein. Er vertrat die Auffassung, dass im Kalām sowohl Nutzen, als auch Schaden liege und man deshalb in dieser Wissenschaft nicht die Allgemeinheit, sondern nur eine kleine Anzahl von Personen ausbilden solle, damit diese den sunnitischen Glauben argumentativ gegen ketzerische Lehren verteidigen könnten.

Neben der traditionalistischen gab es auch eine philosophische Kritik am Kalām. Philosophen wie al-Fārābī (gest. 950), Averroes (gest. 1198) und Maimonides (gest. 1204) übten Kritik am Vernunftbegriff des Kalām sowie an der mangelnden Beweiskraft der Kalām-Argumente. Eine Gemeinsamkeit von Traditionalisten und Philosophen bei ihrer Kalām-Kritik war, dass sie beide auch an der Geisteshaltung der Mutakallimūn Anstoß nahmen. Kalām-kritische Positionen sind bis heute bei Teilen der muslimischen Gelehrsamkeit verbreitet. Dadurch kam eine Debatte über die Bewertung des Kalām in Gang, die bis ins 20. Jahrhundert andauerte. Einer der schärfsten modernen Kritiker des Kalām war der tatarische Gelehrte Musa Bigiyef (gest. 1949). Er griff in seinen Polemiken gegen den Kalām Elemente sowohl der traditionalistischen als auch der philosophischen Kalām-Kritik auf.

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