Pianolist
Der Pianolist war ein Beruf oder eine Tätigkeit, die zur Aufgabe hatte, auf einem Pianola die Musik einer von Musikeditoren gezeichneten Notenrolle lebendig, dem Spiel eines Pianisten nahekommend, aufzuführen.
Solchen Notenrollen fehlt naturgemäß jede künstlerische Note, denn hier waren einfach Töne den Noten nach aneinandergereiht.
Die Tätigkeit oder den Beruf des Pianolisten gibt es heute nicht mehr. Seit den späten 1930er-Jahren hat die elektro-akustische Wiedergabe von Musik die Tradition der mechanischen Musikinstrumente völlig abgelöst und machte damit auch den Beruf des Pianolisten entbehrlich.
Zum Verständnis dieser Tätigkeit muss man sich mit der technischen Entwicklung der Reproduktion von Musik, speziell der von Klaviermusik, auseinandersetzen. Beim seit etwa 1900 produzierten Pianola oder Kunstspielklavier wurde das Musikstück durch gelochte Papierstreifen, die sogenannte Notenrolle, gelegentlich Klavierrolle genannt, auf das Instrument übertragen. Diese Rollen waren auswechselbar und im Musikalienhandel zu erwerben.
Die Musik wurde nicht von Pianisten aufgenommen, sondern wurde durch Musikeditoren oder Musikzeichner nach der Partitur direkt auf eine Notenrolle übertragen. Die Noten wurden mit einem Bleistift auf eine leere Mutterrolle gezeichnet und von Hilfskräften mit Hämmern und verschiedenen Stanzwerkzeugen in die Notenrolle gestanzt, die naturgemäß keinen künstlerischen Charakter besaß, sie gab nur die Tonreihe ohne Lautstärkeänderung und Akzentuierung wieder. Eine dynamische Wiedergabe konnte diese „gezeichnete Rolle“ nicht bieten, da ihr im Gegensatz zu den Rollen fürs Reproduktionsklavier Spuren für die Dynamik fehlten. Die musikalische Interpretation des Stückes war alleinige Sache des Pianolisten.
Es gab verschiedene Hersteller von automatischen Klavieren, jeder hatte seine eigene Regelung für die Wiedergabe. So wie ein erfahrener Autofahrer mit den von Fabrikat zu Fabrikat unterschiedlichen Schaltern, mit Links- und Rechtssteuerung, automatischem und handgeschaltetem Getriebe, Blinker und Scheibenwischer und sonstigen Schaltern kreuz und quer über das ganze Armaturenbrett zurechtkommen muss, so musste ein Pianolist erlernen, mit den von Hersteller zu Hersteller verschiedenen Regelungen für Tempo, Lautstärke und Pedale zurechtzukommen. Das am meisten verbreitete System waren die Instrumente der Aeolian Company, eben die „Pianolas“ und „Pianola Pianos“ sowie die Phonolas der Ludwig Hupfeld AG aus Leipzig.
Erst beim 1905 von M. Welte & Söhne, später auch von anderen Herstellern produzierten Reproduktionsklavier wurden Musikstücke von mehr oder weniger berühmten Pianisten auf speziellen Aufnahmeapparaten live aufgenommen und weitgehend originalgetreu wiedergegeben.