Pingsdorfer Keramik
Pingsdorfer Keramik ist eine Keramikart, die zwischen dem späten 9. und dem 13. Jahrhundert in verschiedenen Töpferzentren am Ostrand des rheinischen Vorgebirges produziert wurde. Hier liegt auch ihr eponymer Herstellungsort Pingsdorf, der bis heute die größte und variantenreichste Menge an Funden dieser Gattung erbracht hat. Gefäße der Pingsdorfer Ware wurden zumeist auf der schnellrotierenden Töpferscheibe geformt. Charakteristisch ist ein mit feinem Sand gemagerter Ton und eine Bemalung aus eisenhaltigem, auf der Oberfläche dunkel hervortretenden Tonschlicker (Engobe-Bemalung).
In einem weiteren Sinne bezeichnet die Mittelalterarchäologie mit „Pingsdorfer Ware“ einen Horizont qualitätvoller, engobebemalter Feinkeramik, die im Hochmittelalter in einem weiten geographischen Raum gefertigt wurden. Dieser reicht von Zentral- und Nordfrankreich über Belgien, die Niederlande und Luxemburg bis an den Niederrhein, die Kölner Bucht, das Mittelrheingebiet und den unteren Main. Weiter östlich setzt sich die Fertigung verwandter Keramik über Westfalen, Nordhessen und Südniedersachsen fort bis nach Sachsen. Recht unabhängige, späte Ausläufer zeigen sich am mittleren Neckar. Die einzelnen Produktionsstätten zeichnen sich jeweils durch eine individuelle formale und technologische Nähe bzw. Ferne zum namengebenden Fundort Pingsdorf aus. Insgesamt ist ein europaweiter West-Ost-Transfer des Technologie- und Stilkomplexes der Pingsdorfer Ware vom 8. bis zum 14. Jahrhundert nachgewiesen.
Pingsdorfer Ware im eigentlichen Sinne (also vom rheinischen Vorgebirge) ist an unzähligen mittelalterlichen Siedlungsplätzen in Mittel- und Nordwesteuropa archäologisch nachweisbar. Ihre Anteile an den keramischen Inventaren reichen von weit über 50 % in der Nähe der Produktionsstätten bis hin zu Einzelfunden an der Peripherie des Handelsraums. Insgesamt ist diese Keramikgattung, nicht zuletzt durch eine inzwischen erfolgte und vielfach bestätigte chronologische Binnengliederung ihrer Laufzeit von vier Jahrhunderten, ein sehr wichtiger „Zeitmarker“ für die mittel- und nordeuropäische Mittelalterarchäologie.