Proteste im Iran seit September 2022
Die Proteste im Iran seit 2022 sind landesweite Proteste gegen die autoritäre Regierung des Staates. Hervorgerufen wurden sie von dem durch Polizeigewalt herbeigeführten Tod der kurdischstämmigen Iranerin Jina Mahsa Amini in Teheran am 16. September 2022. Sie war von der islamischen Sittenpolizei festgenommen und misshandelt worden, weil ihr Kopftuch angeblich nicht richtig gesessen hatte.
Die Proteste richten sich sowohl gegen das theokratische Regime des Iran und seine Unterstützer, die Mullahs und Pasdaran, als auch gegen die von ihm diktierten Lebensbedingungen, insbesondere gegen die Auslegung der islamischen Kleiderordnung. Frauen, die im Iran den Hidschab nicht oder falsch tragen, werden auf staatliche Anordnung hin Dienstleistungen (bspw. bei Banken, Fluggesellschaften, Ämtern und Krankenhäusern) verweigert bzw. vorenthalten. Der wiederholte Verstoß gegen die Kleiderordnung kann auch den Entzug des Führerscheins und den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben. Als Zeichen der Solidarität mit Amini und aus Protest gegen die rechtliche Stellung der Frau im Iran verstießen manche Demonstrantinnen absichtlich gegen die Kleiderordnung, indem sie ihre Kopftücher abnahmen, diese verbrannten oder sich öffentlich die Haare schnitten. An den Protesten nehmen laut Augenzeugenberichten auch Frauen teil, die zwar aus religiöser Überzeugung einen Hidschab tragen, aber das Regime ablehnen. Die mit der Wirtschaftskrise der vorigen Jahre einhergegangene Verarmung der Mittelschicht trug dazu bei, dass die Proteste gegen die Staatsführung in weiten Teilen der Bevölkerung Unterstützung fand. Zudem prägten die Proteste von 2017 bis 2019 eine neue Generation von Demonstranten. So zeigten sich Händler, Fernfahrer sowie Arbeitnehmer aus der Automobilwirtschaft und dem für den Iran wichtigen Öl- und Gassektor mit den Demonstrationen in den Städten durch vereinzelte Streiks und Proteste solidarisch.
Im Verlauf der Proteste wurden mehrere Hundert Menschen getötet, darunter auch viele Minderjährige. Zudem wurden mehr als 15.000 Menschen festgenommen. Viele der festgenommenen Demonstranten erleiden Misshandlungen und Folter in Haft, mehrere sind bereits an den Folgen gestorben. Vor allem Frauen werden in den Gefängnissen systematisch vergewaltigt. Auch viele Kinder und Jugendliche werden vergewaltigt und auf andere Weisen gefoltert. Am 6. November forderte das Parlament die Anwendung der Todesstrafe gegen die Demonstranten. Am 13. November wurde erstmals im Zusammenhang mit den Protesten ein Todesurteil gefällt, das im darauffolgenden Monat vollstreckt wurde. Mitte März 2023 wurden 143 Menschen hingerichtet. Hunderte weitere wurden zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt.
Verhältnismäßig viele Proteste fanden in den iranischen Kurdengebieten im Westen und Nordwesten des Landes statt. Eine weitere Hochburg waren die Belutschengebiete im Südosten. Anfangs wurde zudem insbesondere an den Universitäten protestiert. Die iranischen Behörden sagten daraufhin in vielen Städten Vorlesungen ab. Außerdem wurde das Internet im Iran kurz nach dem Beginn der Proteste einer noch strengeren Zensur unterworfen als zuvor. In manchen Städten weiteten sich die Proteste zu Revolten aus. So erschossen Regimekräfte laut der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights und anderen am 30. September beim Massaker von Zahedan mindestens 93 Menschen bei Protesten gegen Jina Mahsa Aminis Tötung und gegen die Vergewaltigung eines 15-jährigen belutschischen Mädchens durch einen Polizeioffizier.
Hatte der iranische Generalstaatsanwalt Anfang Dezember 2022 ohne eine offizielle Bestätigung der Regierung verlautbart, die Sittenpolizei sei aufgelöst worden, so kündigte die iranische Polizei Mitte Juli 2023 an, die Einheiten würden in Kürze wieder die Einhaltung der Kopftuchpflicht überprüfen. Im August 2023 nahm eine Verschärfung der Strafen bei Verletzung der Hidschab-Pflicht Gesetzesform an.
Eine von der UNHRC eingesetzte Expertenkommission kam zu dem Ergebnis, dass das iranische Regime mit der Art und Weise, wie es die Proteste unterdrückte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging.