Revolutionen 1848/1849
Unter Revolutionen von 1848/1849 werden revolutionäre Erhebungen in verschiedenen europäischen Territorien zusammengefasst, die ein Ausdruck der verzögerten Modernisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Herrschaftssystem waren. Diese Revolutionsbewegung war Teil eines gesamteuropäischen Wandlungsprozesses gegen das System Metternich. Durch sie wurden die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen, die mit der Industriellen Revolution in England und der Französischen Revolution von 1789 begonnen hatten, weiterentwickelt. Die Revolutionsbewegung von 1848/1849 war ein bedeutender Wendepunkt der europäischen Geschichte.
In vielen Regionen Europas hatten sich soziale, wirtschaftliche und politische Spannungen aufgebaut, die sich ab Anfang 1848 gewaltsam entluden. Von der revolutionären Bewegung wurden einerseits Regionen erfasst, die sich wie Frankreich, die Staaten des Deutschen Bundes und Oberitalien bereits im Übergang zur Industrialisierung befanden, doch andererseits auch solche, wie etwa Süditalien und weite Teile der Habsburgermonarchie, die noch rein agrarisch strukturiert waren. Das Streben nach nationaler Selbstbestimmung kann als ein gemeinsames überwölbendes Element dieser Revolutionen betrachtet werden.
Als bedeutende Zentren der „Europäischen Revolution“ von 1848/1849 gelten neben Frankreich insbesondere die Staaten des Deutschen Bundes und der Italienischen Halbinsel, das dreigeteilte Polen und das nach Unabhängigkeit strebende Ungarn. Im Osten Europas strahlten die Aufstände bis nach Siebenbürgen und in die Donaufürstentümer Walachei und Moldau aus. In einzelnen Regionen eskalierte das Geschehen zu zwischenstaatlichen Kriegen oder nahm bürgerkriegsähnliche Ausmaße an.
Die Zeitgenossen sahen im Herbst 1849 die Revolutionen in Europa als gescheitert an. Über mehr als ein Jahrhundert betrachteten es viele Historiker ebenfalls so. Heute beurteilt man die langfristigen Wirkungen und die unmittelbaren Erfolge sehr viel positiver. In vielen europäischen Ländern wurden die Bauernbefreiung und Agrarreformen abgeschlossen, das Verfassungsprinzip durchgesetzt, die individuellen Grundrechte weitgehend gesichert und eine Parlamentarisierung der politischen Ordnung eingeleitet, obwohl gerade in diesem Bereich viele Widerstände und Gegengewichte noch lange bestehen blieben. Die 1849 in den italienischen und deutschen Fürstentümern gewaltsam niedergeschlagene Nationalstaatsbildung führte dort mittelfristig zu einer Art Umkehrung der Revolution. Verschiedene deutsche Historiker interpretieren die der Revolution nachfolgende Entwicklung als „Revolution von oben“. Sie führte auf der Italienischen Halbinsel 1861 zur Gründung des Königreichs Italien und zwischen 1866 und 1871 zur Gründung eines deutschen Nationalstaats, des Deutschen Kaiserreiches unter der Vorherrschaft Preußens.