Sonderrechte (Straßenverkehrsordnung)
Als Sonderrechte wird in Deutschland die Befreiung von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) bezeichnet. Sie sind in § 35 StVO geregelt. Ihre verhältnismäßige Inanspruchnahme schließt als Rechtfertigungsgrund die Ahndung einer Verkehrsordnungswidrigkeit aus.
In der Praxis kommt es beispielsweise zu:
- Langsamem Fahren auf der Autobahn (z. B. Winterdienst)
- Halten oder Parken im Haltverbot (z. B. Müllabfuhr)
- Befahren von Gehwegen (z. B. Straßenreinigung)
- Überschreiten des Tempolimits
- Fahren bei Rotlicht
- Befahren der Gegenfahrbahn
- Befahren einer Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung oder Rückwärtsfahren in einer Einbahnstraße
Sie dürfen „nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausgeübt werden (§ 35 StVO), in der Regel darf es also zumindest nicht zu einer Schädigung kommen. Die juristische Meinung hierzu ist uneinheitlich und schwer überschaubar. Jedoch hat der Fahrzeugführer stets die Verkehrslage und den Auftrag gegeneinander abzuwägen und die Verhältnismäßigkeit zu wahren. So kann beispielsweise das Befahren einer Fahrspur mit einem Baufahrzeug entgegen der Fahrtrichtung auf einer übersichtlichen Strecke im Stadtverkehr bei Arbeiten möglich sein, auf der Autobahn wäre hier jedoch die Sicherheit so stark gefährdet, dass dieses Vorgehen nicht mehr mit der Sorgfaltspflicht vereinbar wäre. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung nennt beispielhaft als Grund, wann auf Sonderrechte in der Regel verzichtet werden muss, die Begegnung mit einem Fahrzeug mit Wegerecht und die Halteweisung eines Polizeibeamten.
Sonderrechte führen jedoch nicht dazu, dass andere Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen müssen. Diese Pflicht entsteht nur, wenn das Wegerecht nach § 38 StVO durch blaues Blinklicht und Einsatzhorn in Anspruch genommen wird.
Sonderrechte sind für die Berechtigten aufgrund hoheitlicher Aufgaben (§ 35 Abs. 1, 1a StVO) sowie für Truppen des Nordatlantikpakts nicht fahrzeuggebunden, sondern personengebunden: Sie dürfen Sonderrechte also auch in anderen Fahrzeugen, besonders Privatfahrzeugen, oder als Fußgänger nutzen. Dies gilt nicht für den Rettungsdienst, für Messfahrzeuge und für Straßenbau- und Reinigungsfahrzeuge, dort sind die Sonderrechte fahrzeuggebunden.
Die Entscheidung, ob und in welchem Maße Sonderrechte in Anspruch genommen werden, liegt ausschließlich beim Fahrzeugführer bzw. beim Fahrer. Die Leitstelle gibt zwar oft eine Einschätzung über die Eilbedürftigkeit eines Einsatzes bekannt, dies ist jedoch keine Anordnung verkehrsrechtlicher Art (jedoch kann die Leitstellenweisung dienstrechtliche Verpflichtungen darstellen).