Wahdat al-wudschūd
Wahdat al-wudschūd (arabisch وحدة الوجود, DMG waḥdat al-wuǧūd ‚Einheit der Existenz, Einheit des Seins‘) ist eine ontologische Lehre im Bereich des Islams, nach der die Existenz (wuǧūd) mit dem monotheistischen Gott identisch ist und es dementsprechend nur eine einzige Existenz gibt. Die in der neueren Forschung als ontologischer Monismus gekennzeichnete Lehre wird auf den andalusischen Sufi und Philosophen Muhyī d-Dīn Ibn ʿArabī (gest. 1240) zurückgeführt, wurde aber im Wesentlichen von den philosophisch orientierten Interpreten seiner Werke entwickelt. In der Frühen Neuzeit erlangte sie große Popularität unter den Sufis. Einige muslimische Gelehrte wie Ibn Taimīya (gest. 1329), ʿAbd al-Qādir Badā'ūnī (gest. 1597/98) und Ahmad Sirhindī (gest. 1624) betrachteten die Wahdat al-wudschūd jedoch als eine pantheistische Irrlehre, die im Widerspruch zum Islam steht, und kritisierten, dass sie ihre Anhänger zu antinomistischem Verhalten verleite. In der Realität betonten aber viele Verfechter der Wahdat al-wudschūd, dass diese Lehre keine Rechtfertigung dafür liefere, die Scharia zu übertreten. Der ägyptische Gelehrte Murtadā az-Zabīdī (gest. 1790) beschrieb die Wahdat al-wudschūd als ein „berühmtes Problem“ (masʾala mašhūra), das zwischen den „Leuten der mystischen Wahrheit“ (ahl al-ḥaqīqa) und den „Gelehrten des Wortsinns“ (ʿulamāʾ aẓ-ẓāhir) heftig umstritten sei. Der Niʿmatullāhī-Meister Javad Nurbakhsh (gest. 2008) war der Meinung, dass der Sufismus insgesamt vom Wesen her eine Schule der „Einheit des Seins“ sei.
Eine andere Bezeichnung für diese Lehre ist Tauhīd wudschūdī („existentieller Monismus, Bekenntnis zur existentiellen Einheit“). Die Anhänger der Wahdat al-wudschūd wurden auch als Wudschūdīya bzw. Wahdatīya oder ahl al-waḥda („Leute der Einheit“) bezeichnet.