Wie entsteht Religion?

Das Buch Wie entsteht Religion? (WeR) ist ein zuerst 1926 unter dem Originaltitel Religion in the Making erschienenes Werk des britischen Philosophen und Mathematikers Alfred North Whitehead (1861–1947). Der Essay entstand aus einer Vorlesungsreihe, die Whitehead in der King’s Chapel in Boston vorgetragen hatte. Er ist der Spätphilosophie Whiteheads zuzurechnen, die ihre volle Ausformulierung in den Schriften Prozess und Realität sowie Abenteuer der Ideen gefunden hat. Thematisch ist Wie entsteht Religion? eine knappe religionsphilosophische Auseinandersetzung mit dem allgemeinen Phänomen der Religion. Whitehead, der als 65-Jähriger in Harvard ausgehend von seinen früheren naturphilosophischen Arbeiten eine vollständige Kosmologie entwarf, versucht hier den Zusammenhang religiöser Fragestellungen mit seiner allgemeinen Prozessphilosophie darzulegen. Dies erfolgt eher holzschnittartig, so dass das kleine Buch weder als Auseinandersetzung mit Arbeiten zur Religionsgeschichte noch als systematische Ausarbeitung einer bestimmten theologischen Position angesehen werden kann.

Für Whitehead war religiöse Erfahrung eine besondere Art der Erfahrung, deren Wirklichkeit man nicht leugnen kann (WeR 62). Sie ist eine besondere Art des Weltzugangs, „eine fraglose Gegebenheit überall in der langen Spanne der menschlichen Geschichte“. (WeR 13) Eine spekulative Philosophie, die die Aufgabe hat, ein kohärentes und adäquates Weltbild zu erzeugen, muss deshalb in der Lage sein, auch das Phänomen der Religion zu erklären. Whitehead bestimmte Religion als „Kunst und Theorie des inneren Lebens“, die zur Bildung des Charakters beiträgt. Religion ist ein notwendiger Bestandteil menschlichen Denkens. „Die Wissenschaft regt eine Kosmologie an; und alles, was auf eine Kosmologie zielt, bringt auch eine Religion mit sich.“ (WeR 106) Die jeweilige Ausprägung der Religion betrachtete Whitehead als einen evolutionären, historischen Prozess in der Entwicklung der Menschheit, der zum einen der Förderung der sozialen Beziehungen dient, zum anderen aber hilft, das innere Erleben zu bewältigen, das der Mensch angesichts der Einsicht in seine Unvollkommenheit hat. Moderne Religionen sind rationalisiert und dadurch mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild möglicherweise vereinbar. Ihre Dogmen erheben den Anspruch universeller Gültigkeit für das einzelne Individuum in seiner existenziellen Einsamkeit. Die Rationalität der Religionsphilosophie dient dazu, die Vereinbarkeit der Lehren mit den Erfahrungen zu prüfen und einzufordern. Mit diesem Verständnis entwickelte Whitehead einen eigenen, panentheistischen Begriff Gottes, der für ihn im Streben der Prozesse in der Welt nach Harmonie zum Ausdruck kommt. Gott ermöglicht eine ästhetische Ordnung, zu der eine moralische Ordnung gehört. Gott ist der Begleiter, der die Gewissheit gibt, dass das Gute das Böse immer wieder überwindet.

Die Arbeit gilt als Ausgangspunkt der Prozesstheologie. Das international übliche Sigel des Werks ist RM.

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