Gießkannenmuseum
Das Gießkannenmuseum ist ein Museum für Gießkannen.
Das mag trivial klingen, gibt aber schlicht und ergreifend die nackte Tatsache wieder. Dennoch entwickelt dieser aus einer kleinen, kaum bekannten Spaßenzyklopädie entlehnte Einleitungssatz schon alleine durch seine plumpe Überflüssigkeit eine gewisse unfreiwillige Komik, die in diesem Fall aus stilistischen Gründen sogar erwünscht ist. Jener sonst eher als trocken bekannten Quelle zufolge sollen zwar im Gießkannenmuseum auch andere Bewässerungsinstrumente ausgestellt werden, aber Gartenschläuche oder Aquädukte sucht man dort vergebens, sodass man davon ausgehen kann, dass diese Erwähnung einzig dem künstlichen Aufplustern des betreffenden Artikels dienen sollte. Ergänzt wird die Ausstellung lediglich durch ein paar beliebige Postkarten, unter denen wohl auch welche mit Kannenmotiven sind, sowie durch einige lyrische Ergüsse über Gartenthemen von Gießener Autoren.
Standort
Die Banalität nimmt mit der Nennung des Standortes weiter an Fahrt auf. Denn keineswegs überraschend dürfte die Tatsache aufgenommen werden, dass ausgerechnet die Bewohner Gießens der Meinung sind, dass sie sich besonders gut mit dem Gießen als Tätigkeit auskennen. Der Umstand, dass allerdings das Gießereimuseum nicht in Gießen sondern in Kiel beheimatet ist offenbart schonungslos, dass die Gießener offenbar nicht die geringste Ahnung von Metallgussverfahren haben, sondern gerademal raffiniert genug sind, halbwegs weit gestreut den einen oder anderen Eimer Wasser auszuschütten. Jedenfalls könnte man das annehmen, wenn der Standort des Museums - wie bei anderen Museen üblich - auf geschichtlichen Hintergründen basieren würde. Es ist jedoch vielmehr so, dass allein die Ähnlichkeit zwischen dem Städtenamen und der Bezeichnung der Bewässerungstätigkeit zu der Idee gereicht hat, hier eine Ausstellung behenkelter Brausetülleneimer aufzubauen. Und jämmerlicherweise beinhaltet diese Idee nicht einmal einen halbgaren Wortwitz.
Zur Zeit wird die Sammlung von der „Galerie Neustädter Tor“ beherbergt. In der gigantischen Architektursünde, in der von einem US-amerikanischen Immobilienspekulanten ein größtenteils leerstehendes Einkaufszentrum betrieben wird wurde den Kannensammlern eine der schlecht zugeschnittenen Ladenflächen zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich hat man dort gedacht: „Wenn wir es Galerie nennen, dann müssen wir auch was ausstellen - irgendwas. Und wenn es Gießkannen sind.“
Träger, Gießer und Betreiber
Die angeblich zahlreich ausgestellten Gießkannen wurden von den unterschiedlichsten Leuten zusammengetragen - teilweise sogar aus fremden Kontinenten. Ihren Zweck erfüllen sie selbstverständlich nicht mehr. Immerhin haben sie nun weitaus besseres zu tun. Sie repräsentieren jetzt. Und zwar repräsentieren sie ihre Art, ihre Familie innerhalb ihrer Kategorie. Sie stehen da wie Tiere im Zoo um sich von gelangweilten Menschen, die sich eine kurze Pause von ihrer Gartenarbeit nehmen, begaffen zu lassen - stellvertretend für all ihre Verwandten, die sich in den Gärten, Gewächshäusern, Wintergärten und Wohnzimmern der Welt nass machen, sich ausgießen und wieder auffüllen lassen müssen.
Die Idee zu diesem Sinnlosmuseum hatten die Aktiveren des ebenfalls im hessischen Gießen ansässigen Justus-B.-Liebig-Museums - und zwar in einer Phase reinster Langeweile und aus einer Bierlaune heraus. Sie kamen auf den Gedanken, etwas vollkommen beliebiges zu tun, das einem Chemieforscher, wie Liebig einer war, gefallen hätte. Sie erwürfelten eine beliebige chemische Verbindung: H2O. Dann ließen sie ihre Gehirne auf Wortebene aufeinander zustürmen um herauszufinden, inwiefern man die Stadt mit dem Wasser in Verbindung bringen könnte. Da gerade die Planung für eine Gartenschau in Gießen anlief, riefen sie alle Besucher dazu auf, ihre alten Gießkannen zusammenzutragen, ausgefallene Exemplare aus dem Urlaub mitzubringen oder zur Not selbst welche herzustellen.
Öffnungszeiten und Perspektive
Die Öffnungszeiten sind einer der vielen wunden Punkte, wenn nicht der wundeste Punkt des Gießkannenmuseums. Denn im Grunde ist der Laden fast ausschließlich geschlossen. Es gibt lediglich zwei winzige Ausnahmen: Freitag und Samstag zwischen 15 und 18 Uhr - aber nicht an Feiertagen; und auch nicht zwischen Weihnachten und Neujahr. Das und die schwer zu findende Location im Parkhaus eines nachweislich überaus schlecht sortierten Einkaufszentrums, das noch dazu als städtebaulicher Totalschaden charakterisiert wird, wäre eigentlich schon ausreichend als Argument für eine schnelle Pleite. Aber wie es scheint, lässt sich nun schon seit 2011 irgend jemand bei der Stadt dieses Hobby ein kleines Vermögen kosten. Oder es wird die Frau eines Stadtbeamten für die Betreuung solcher Projekte gut bezahlt und die wälzt dann alles, was mit Arbeit zu tun hat, auf enthusiastische Idealisten ab, die gelegentlich nach dem Gießkannenprinzip mit ein paar Almosen motiviert werden. Aus Angst vor dem gefürchteten Gießkannenschwamm und seinem Verursacher, dem Gießkannenschimmel muss eigentlich alle fünf Jahre ein neues Quartier für das Museum gefunden werden. Aber das ist natürlich angesichts der zu erwartenden Bauschäden in Verbindung mit der Nullmiete ein schwieriges Unterfangen.
Alles in allem wird man sich in Gießen diese kleine Extravaganz wohl auch weiterhin leisten. Hinter vorgehaltener Hand ist sogar schon etwas über ein geplantes Wetzsteinmuseum durchgesickert, das man zusammen mit der Wetzlarer Museumsverwaltung in Wetzlar plant.
Kooperationen
Es gibt bereits lose Partnerschaften und einen gewissen (wenn man es denn so nennen will) geistigen Austausch zu verschiedenen ähnlich gelagerten - also völlig beliebigen - Museumsprojekten. Darunter ist das Kasslermuseum in Kassel und das Wiener Wienermuseum. Auch die beiden konkurierenden Fastfoodmuseen Deutschlands sollten in diesem Zusammenhang genannt werden. Das Burgermuseum Burg sowie das Hamburger Hamburgermuseum sind mit den Gießkannenfreunden in Kontakt. Das Hallenser Hallenmuseum und das Münstermuseum im Münster zu Münster haben eine Anfrage zur Zusammenarbeit aus unbekanntem aber eigentlich verständlichem Grund abgelehnt.