Alfred Rahlfs, vollständig Otto Gustav Alfred Rahlfs (* 29. Mai 1865 in Linden bei Hannover; † 8. April 1935 in Göttingen) war ein evangelischer Theologe. Er war der wichtigste Vertreter der modernen textkritischen Erforschung der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments.

Leben und Wirken

Alfred Rahlfs wurde als ältester Sohn des Lehrers und Sängers George Rahlfs und seiner Frau Ottilie (geb. Brüel) geboren.

Alfred Rahlfs war Schüler von Paul Anton de Lagarde, bei dem er an der Universität Göttingen Theologie und Orientalistik studierte. 1887 wurde Rahlfs in Göttingen zum Dr. phil. promoviert. Ab 1901 war er dort Professor für Altes Testament, zunächst als Extraordinarius, ab 1919 als ordentlicher Professor. 1918 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.

Rahlfs begann auf Anregung seines Lehrers de Lagarde die erste wissenschaftlich fundierte, kritische Ausgabe der Septuaginta überhaupt zu erstellen. Um die großen wissenschaftliche und logistische Leistung einer solchen Ausgabe bewältigen zu können, gründete er 1907 zusammen mit dem Alttestamentler Rudolf Smend das Göttinger Septuaginta-Unternehmen. Unter der Leitung von Rahlfs (1908–1934) wurden dort die Grundlagen für die kritische Ausgabe gelegt. Zur Ordnung der auf Photographien und Mikrofilmen in Göttingen zusammengetragenen Handschriften führte Rahlfs die Rahlfs-Nummern ein, die sich als internationaler Standard durchgesetzt haben.

Noch zu seinen Lebzeiten konnte das Septuaginta-Unternehmen die ersten drei Bände der kritischen Ausgabe publizieren (Psalmi cum Odis, Ruth, Genesis). Das Projekt wurde bis 2015 im Akademienprogramm der Union der Akademie der Wissenschaften gefördert und wurde bzw. wird von Folgeprojekten fortgesetzt. Bis 2015 sind mit 24 Bänden rund zwei Drittel der geplanten Editionen publiziert worden.

Eine solche Ausgabe entspricht nicht nur der kaum zu überschätzenden geistes- und kulturgeschichtlichen Bedeutung der Septuaginta, sondern ist auch von fundamentaler Bedeutung für die Erforschung des ursprünglichen hebräischen Originaltextes.

Schriften

Schwerpunkt der zahlreichen Veröffentlichungen von Alfred Rahlfs bilden Studien zur Septuaginta. Durch seine intimen Kenntnisse des Handschriftenmaterials haben seine Aufsätze bis heute Einfluss auf die Textkritik und die Erforschung der Textgeschichte der Septuaginta.

Von großer Bedeutung ist die Handausgabe der Septuaginta, die Rahlfs 1935 herausgab und die bis heute immer wieder nachgedruckt wurde. Mit dieser Handausgabe trug Rahlfs der Tatsache Rechnung, dass sich das Erscheinen der großen Göttinger Ausgabe über viele Jahrzehnte hinziehen würde (und bis heute nicht abgeschlossen ist). Die Handausgabe von Rahlfs ist zum Standardwerk geworden und wird erst nach Vorliegen aller Bände der großen Göttinger Ausgabe durch ein Nachfolgewerk ersetzt werden können.

  • Die Berliner Handschrift des sahidischen Psalters. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse Neue Folge - Band 004,4, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, Reprint der Auflage von 1901, ISBN 978-3-525-82012-4.
  • Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments, für das Septuaginta-Unternehmen aufgestellt (Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens Band 2), Göttingen 1914. (online)
  • (Hrsg.): Das Buch Ruth griechisch als Probe einer kritischen Handausgabe der Septuaginta. Privileg. Württ. Bibelanstalt, Stuttgart 1922.
  • Göttinger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Vetus Testamentum Graecum auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1931ff.
  • (Hrsg.): Septuaginta, id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes; Stuttgart 1935, zahlreiche Neuauflagen, zuletzt Editio altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhart. Stuttgart 2006. Septuaginta-Ausgabe
  • Septuaginta-Studien, Band 1-3. Vermehrt um einen Aufsatz aus dem Nachlass. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1965.
  • mit Detlef Fraenkel: Verzeichnis der griechischen Handschriften des Alten Testaments. Band I, 1: Die Überlieferung bis zum VIII. Jahrhundert (= Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Supplementum). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-53447-7

Literatur

  • Klaus-Gunther Wesseling: Rahlfs, Alfred. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 1267–1269. Digitalisat
  • Christian Schäfer: Alfred Rahlfs (1865–1935) und die kritische Edition der Septuaginta. Eine biographisch-wissenschaftsgeschichtliche Studie (= Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. Band 489). Walter De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-045184-9 (google.de). (vollständige Biographie und Werkanalyse)

Einzelnachweise

  1. Christian Schäfer: Alfred Rahlfs (1865-1935) und die kritische Edition der Septuaginta. Eine biographisch-wissenschaftsgeschichtliche Studie (= Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft. Band 489). Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-045479-6.
  2. Karl Arndt, Gerhard Gottschalk, Rudolf Smend, Ruth Slenczka: Göttinger Gelehrte. Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751-2001 (= Göttinger Gelehrte: die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751-2001, Karl Arndt. Band 1). Wallstein Verlag, Göttingen 2001, ISBN 978-3-89244-485-5 (google.de).
  3. Rudolf Vierhaus: Deutsche biographische Enzyklopädie: (DBE) (= Deutsche Biographische Enzyklopädie. Band 8). Walter de Gruyter, Berlin 2005, ISBN 978-3-598-25038-5 (google.de).
  4. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 194.
  5. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen: Septuaginta. Archiviert vom Original am 2. November 2022; abgerufen am 2. November 2022.
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