The American Colony Hotel ist ein kleines Luxushotel in Ostjerusalemer Stadtteil Scheich Dscharrah. Es gehört zu den Leading Hotels of the World.

Geschichte

Erster Besitzer des palastartigen Gebäudekomplexes nördlich des Damaskustors war Rabbah Daoud Amin Efendi al-Husseini, der es mit seinen vier Ehefrauen als Familienresidenz nutzte. Nach seinem Tod wurde das Gebäude an eine religiöse Kommune messianischer Christen aus der Jerusalemer Altstadt verkauft, die der Rechtsanwalt Horatio Spafford und seine Frau Anna gegründet hatten. Das Paar war, familiäre Tragödien und schwere finanzielle Verlusste hinter sich lassend, 1881 aus Chicago nach Jerusalem gekommen, um in Frieden in der Heiligen Stadt zu leben und Menschen in Not zu helfen.

1894 folgten der Familie 70 Schweden, die ebenfalls in den Vereinigten Staaten gelebt hatten. 1896 stießen weitere 55 Glaubensbrüder dazu. Die christlich-utopischen Overcomers wurde als American Colony bekannt. Die Spaffords verstanden sich nicht als Missionare, wie auch ihr aus einer Chabad-Familie stammender Englischschüler Schmuel Meir Mashaiof berichtete, wohl wollten sie aber nach dem Vorbild der frühen Christen leben. Bald hatten sie mit ihrer Wohltätigkeit gegenüber Juden, Christen und Muslimen allgemeines Vertrauen gewonnen. Von den Anwohnern wurden sie nur kurz „die Amerikaner“ genannt. Die Gemeinschaft lebte als Selbstversorger, betrieb eine Schreinerwerkstatt und das heute bei Historikern beliebte American Colony Photo Department.

Bertha Vester, die Tochter des Gründerpaars und eine sehr resolut auftretende Frau, entschied sich, vom Religiösen vermehrt zum Praktischen und Geschäftlichen überzugehen. Sie eröffnete zwar ein Waisenhaus in der Altstadt, doch wurde 1902 die Colony in Kooperation mit dem Hotelier Baron Plato Grigorjewitsch Ustinow aus Jaffa (einem Großvater von Peter Ustinov), der seinerseits eine Unterbringungsmöglichkeit für seine Gäste in Jerusalem suchte, in ein Hotel umgewandelt, das mit einem hohen Standard an Qualität und Komfort anspruchsvollen Erwartungen von westlichen Reisenden, Pilgern oder Kriegern genügen konnte, zumal auch Edmund Allenby, der 1. Viscount Allenby, britischer Feldmarschall an der Palästinafront im Ersten Weltkrieg, das Haus unter weißer Flagge gerne für Gespräche nutzte. T. E. Lawrence, der legendäre Lawrence von Arabien, soll hier Lowell Thomas von der New York Times seine Geschichten diktiert haben.

1948–1967 befand sich die stets um Neutralität bemühte Institution im jordanischen Ostjerusalem, seit dem Sechstagekrieg 1967 befindet sie sich im vereinten Jerusalem, wie es von israelischer Seite offiziell heißt. Immer noch befindet sich das Hotel im Familienbesitz der Nachkommen der Spaffords. Die durch die Familiengenerationen durchgängig neutrale Haltung ließ das Hotel immer wieder zum geheimen Treffpunkt für Palästinenser und Israelis werden, für Gespräche und Verhandlungen. So wurden im Hotel die Friedensgespräche begonnen, die zum Oslo-Vertrag von 1993 geführt hatten. Bis heute versteht sich das American Colony Hotel als neutrale Zone im israelisch-palästinensischen Konflikt. Tony Blair, der bis Juni 2015 das Nahost-Quartett vertrat, hatte im Hotel ein Büro. Auch die Mitarbeiter sind Angehörige von Judentum, Christentum und Islam und haben nicht nur untereinander keine Probleme, sondern sind zum Teil miteinander befreundet.

Gäste des Hotels waren unter anderem Winston Churchill, Leon Uris, Joan Baez, Bob Dylan, Philip Roth, Peter O’Toole, Marc Chagall, Alec Guinness, Graham Greene, John le Carré und Richard Gere. Um Letzteren vor den vielen weiblichen Fans zu schützen, musste, so die Hotelmanagerin im Reportage- und Reisemagazin Weltreisen im November 2010, die Polizei zu Hilfe geholt werden.

Film

  • Hotel-Legenden – Das American Colony Hotel in Jerusalem. ARD-Dokumentationsreihe, Sendung 17. August 2020 (45 Min.)
Commons: American Colony Hotel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Isabelle Albaret: Sheikh Jarrah. (Lexikonartikel). In: Tilla Rudel (Hrsg.): Jérusalem: Histoire, promenades, anthologie et dictionnaire (= Jean-Luc Barré [Hrsg.]: Collection Bouquins). Éditions Robert Laffont/Centre national du livre, Paris 2018, ISBN 978-2-221-11597-8, S. 1150 f.
  2. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Isabelle Albaret: American Colony (hôtel). (Lexikonartikel). In: Tilla Rudel (Hrsg.): Jérusalem: Histoire, promenades, anthologie et dictionnaire (= Jean-Luc Barré [Hrsg.]: Collection Bouquins). Éditions Robert Laffont/Centre national du livre, Paris 2018, ISBN 978-2-221-11597-8, S. 933 ff.
  3. Helga Dudman: Street People. Jerusalem, 1982, S. 83–104.
  4. 1 2 3 Menachem Klein: Jerusalem: geteilt, vereint – Araber und Juden in einer Stadt. Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-633-54289-5, S. 44 f. (gekürzte deutschsprachige Ausgabe von Lives in Common. Arabs and Jews in Jerusalem, Jaffa, and Hebron, C. Hurst & Co. Publishers, 2014; übersetzt von Eva-Maria Thimme).

Koordinaten: 31° 47′ 23,3″ N, 35° 13′ 45,9″ O

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