Die Barmakiden (arabisch البرامكة al-Barāmika; persisch برمكيان Barmakiyān) waren eine Familie aus Balch in Tocharistan, die unter den ersten fünf abbasidischen Kalifen (750–803) als Wesire und Sekretäre höchste Staatsämter bekleideten und auch als Prinzenerzieher wirkten. Während des frühen Kalifats von Hārūn ar-Raschīd erreichte die Macht der Barmakiden mit Yahyā ibn Chālid ihren Höhepunkt. Er ließ Werke aus dem Sanskrit und anderen Sprachen ins Arabische übersetzen. Im Jahre 803 wurden die Barmakiden jedoch überraschend aus unklaren Gründen vom Kalifen entmachtet.
Nach Kevin van Bladel waren die Barmakiden keine Perser, sondern buddhistische Baktrier. „Barmak“ (abgeleitet von Sanskrit pramukha [Vorsteher, Verwalter]) war kein Personenname, sondern der erbliche Titel des Vorstehers des buddhistischen Klosters (Vihara) von Naubahār, das die gesamte Oase von Balch unter seiner Kontrolle hatte. Seine Ruinen sind heute noch unter dem Namen Tacht-e Rostam (Balch) in Balch zu sehen. Die dem Kloster zugehörigen Ländereien mit einer Fläche von etwa 1568 m² befanden sich im Besitz der Barmakiden. Dieser Grundbesitz oder zumindest ein Teil davon blieb der Familie auch später erhalten. Nach der arabischen Eroberung Ostirans nahmen die Barmakiden sie offenbar den Islam an. Seit der Machtergreifung der Abbasiden im Kalifat übernahmen Barmakiden dann wichtige Funktionen in deren Steuer- und Heeresverwaltung.
Yahyā ibn Chālid konnte unter Hārūn ar-Raschīd zum Wesir aufsteigen (786–803). Er versuchte einen Ausgleich zwischen den arabischen und persischen Gruppen des Kalifats zu erreichen. Unter Yahya begann die kulturelle Blütezeit des Abbasidenkalifats. Griechische philosophische und naturwissenschaftliche Werke wurden übersetzt, ebenso kamen Zoroastrier und Christen an den Hof.
Die Gründe für den plötzlichen Sturz der Familie und die Hinrichtung des jüngeren Sohnes Dschaʿfar (803) sind unbekannt. Nach einer Volkssage lag die Ursache in einer angeblichen Liebesbeziehung von Yahyas Sohn Dschafar mit Haruns Schwester Abbasa. Wahrscheinlicher ist, dass Harun ar-Raschid die Dynastie zu einflussreich geworden war. Ihr sagenhafter Reichtum, der den des Kalifen übertroffen haben soll, und ihre Intrigen am Hof spielten ebenfalls eine Rolle. Die Familie wurde enteignet, Yahya und der ältere Sohn al-Fadl wurden inhaftiert. Diese Begebenheiten haben auch Eingang in die Erzählungen von Tausend und einer Nacht gefunden.
Der Aufstieg der Barmakiden in der Zeits Harun ar-Raschids war gleichzeitig der Beginn der Wiedergeburt des persischen Nationalbewusstseins nach dem Fall des mächtigen Sassanidenreichs. Nur kurze Zeit nach dem Fall der Barmakiden stiegen ihre Nachfolger, die persischen Samaniden, zur ersten unabhängigen persischen Dynastie nach der arabischen Eroberung Persiens auf.
Später wurden verschiedene Bücher mit Geschichten über die Barmakiden verfasst. Eines davon ist das persischsprachige Werk Aḫbār-i Barmakiyān von Ḍiyāʾ ad-Dīn Baranī (gest. 1356), das auf einem verlorengegangenen arabischen Werk von einem gewissen Abū Muhammad ʿUbaidallāh al-Ithrī fußt, das 92 Anekdoten über die Barmakiden enthält. Baranī verfasste es für Firuz Schah Tughluq, um ihm die Freigebigkeit der Barmakiden vor Augen zu führen. Unter Akbar wurde eine mit Miniaturen illustrierte Handschrift dieses Werks erstellt.
Der jähe Sturz der Barmakiden hat auch im deutschen Sprachraum literarische Behandlung erfahren, so durch Friedrich Maximilian Klingers "Geschichte Giafars des Barmeciden. Ein Seitenstück zu Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt" (1792/94), Aloys Weißenbachs Schauspiel „Die Barmeciden“ (1801) und Joseph von Hammer-Purgstalls Trauerspiel „Dschafer, oder der Sturz der Barmegiden“ (1813). Goethe war die große kulturelle Bedeutung der Barmakiden ebenfalls sehr bewusst. In seinen Noten und Abhandlungen zum West-Östlichen Divan beschrieb er die Zeit der Barmakiden „als eine Zeit lokalen, lebendigen Wesens und Wirkens, von der man, wenn sie vorüber ist, nur hoffen kann, daß sie erst nach geraumen Jahren an fremden Orten unter ähnlichen Umständen vielleicht wieder aufquellen werde.“ Das Werk selbst eröffnete er mit den Versen: „Zwanzig Jahre ließ ich gehn / Und genoß was mir beschieden; Eine Reihe völlig schön / Wie die Zeit der Barmekiden.“ Katharina Mommsen vermutet, dass es sich dabei um eine versteckte Dankadresse an seinen Fürsten und Gönner Carl August handelt.
Literatur
- Ihsan Abbas: Barmakids. In: Encyclopædia Iranica Bd. III, S. 806–809 Online-Version
- Wassili Wladimirowitsch Bartold: Barmakiden in Enzyklopaedie des Islam Bd. I, S. 691–693. Digitalisat
- Kevin van Bladel: The Bactrian background of the Barmakids. In: Anna Akasoy, Charles Burnett, Ronit Yoeli-Tlalim (Hrsg.): Islam and Tibet. Interactions along the musk routes. Farnham/Burlington 2011. S. 74–86.
- Kevin van Bladel: “Barmakids”, in: Encyclopaedia of Islam, THREE, veröffentlicht 2012. Online
- Lucien Bouvat: Les Barmécides d'après les historiens arabes et persans. Ernest Leroux, Paris, 1912. Digitalisat
- Katharina Mommsen: Die Barmekiden im West-Östlichen Divan in Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft Band 14/15, 1952/53, S. 279–301. Digitalisat
Belege
- ↑ Kevin van Bladel: “Barmakids”, in: Encyclopaedia of Islam, THREE, veröffentlicht 2012. Online
- ↑ Bartold: Barmakiden in Enzyklopaedie des Islam Bd. I, S. 691.
- ↑ Bouvat: Les Barmécides d'après les historiens arabes et persans. 1912, S. 9f.
- 1 2 Mommsen: Die Barmekiden im West-Östlichen Divan 1952/53, S. 301.
- ↑ Mommsen: Die Barmekiden im West-Östlichen Divan 1952/53, S. 295.