Poliklinik (aus griechisch πόλι-ς /póli-s/ ‚Stadt‘ und Klinik) bedeutet wörtlich übersetzt Stadtkrankenhaus (Stadtklinik). Der Begriff hat mindestens drei unterschiedliche Bedeutungen und bezeichnet:
- ein Krankenhaus für die ambulante Untersuchung und Behandlung von Patienten.
- eine einzelne Krankenhausabteilung, die nur ambulante Untersuchung und Behandlung anbietet („Spitalsambulatorium“)
- eine Zusammenfassung verschiedener niedergelassener Ärzte in einer Großpraxis, einem Ärztezentrum (Ambulatorium, Ärztehaus)
Etymologie
Das Wort Poliklinik bedeutet Stadtklinik (zu griechisch pólis ‚Stadt‘). Schon 1884 wurde definiert: „Poliklinik (altgriechisch ἠ πὀλις = die Stadt) die zum klinischen Unterricht dienende Stadtklinik.“ Auch Ludwig August Kraus schrieb 1844 deutlich: „Policlinice, die Poliklinik, nicht Polyklinik! die Stadtklinik.“
Gelegentlich findet sich auch im Deutschen das Wort Polyklinik mit der absichtlichen Bedeutung Krankenhaus für viele Krankheiten. Hier geht die Etymologie auf poly, πολύς polys: viel, mehrere zurück. Generell wird im Deutschen das Wort Polyklinik jedoch als Falschschreibung angesehen.
In anderen Kultursprachen wird dagegen streng zwischen Poliklinik und Polyklinik unterschieden. Zum Beispiel englisch policlinic und polyclinic, italienisch policlinico und polyclinico oder französisch policlinique und polyclinique. Im Neugriechischen schreibt sich die Polyklinik mit einem „y“ als „πολυκλινική“.
Geschichte
Ursprünglich war eine Klinik ein Krankenhaus, das hauptsächlich der Unterrichtung von Medizinstudenten diente. Aufgenommen wurden deshalb vor allem Patienten, deren Krankheit interessant für diese Ausbildung war.
Anfangs gab es „die städtische oder Poliklinik, welche darin besteht, daß die Kranken in ihren Wohnungen von den jüngern Aerzten besucht und behandelt werden, während der Lehrer, dem die Schüler über die Kranken Bericht erstatten, die Beobachtung für sich controlirt und die eigentliche Behandlung leitet.“
Erst später war dann die Poliklinik der Teil der Klinik, in den die Bürger der Universitätsstadt (polis) eingewiesen wurden, egal wie interessant ihr „Fall“ war. Die Poliklinik war eine abgetrennte „Anstalt zur Behandlung von unbemittelten Kranken in der Sprechstunde zu Unterrichtszwecken.“
Die Poliklinik entwickelte sich also aus der ambulanten Klinik, wie sie zum Beispiel von Philipp J. Horsch in Würzburg am 15. April 1807 am Juliusspital verwirklicht wurde, nachdem dies seinem Lehrer Franz Heinrich Meinolf Wilhelm noch untersagt worden war.
Unter einer Poliklinik verstand man später auch die Zusammenfassung verschiedener Fachärzte in einer „Großpraxis“ (Ärztezentrum) mit Anschluss an ein Krankenhaus oder eine Klinik. Solche Polikliniken werden in Österreich, Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden (und manchmal auch in Deutschland) Ambulatorium genannt.
In der DDR waren Polikliniken selbstständige staatliche ambulante Kliniken mit mindestens vier verschiedenen medizinischen Fachbereichen. Sie waren, mit Ausnahme einiger Universitätspolikliniken, nicht mit Krankenhäusern verbunden und waren die überwiegende Organisationsform ambulanter ärztlicher Behandlung in der DDR. Die Polikliniken hatten in baulicher Hinsicht häufig klinikähnliche Strukturen, waren aber meist nicht an ein Krankenhaus angeschlossen. Kleinere oder spezialisierte Einrichtungen (teilweise auch in Betrieben) wurden Ambulatorium, Landambulatorium oder Landambulanz genannt.
Nach der Wiedervereinigung wurde zunächst ihre Stilllegung zugunsten von Einzelpraxen niedergelassener Ärzte gesetzlich verordnet, teilweise blieben aber die Fachärzte auch in den alten Gebäuden, so dass es jetzt mancherorts mehrere organisatorisch getrennte Arztpraxen unter einem Dach gibt. Diese Einrichtungen werden meist „Ärztehaus“ genannt.
Nicht an Krankenhäuser gebundene staatliche Polikliniken existieren gegenwärtig vor allem in Russland, in der Ukraine und in den meisten anderen ehemals sozialistischen Staaten.
In der Bundeswehr nehmen Facharztzentren zur ambulanten Untersuchung von Soldaten die Funktionen von Polikliniken wahr.
Polikliniken in der aktuellen Gesundheitsdiskussion
Die aktuelle Gesundheitsdiskussion verwendet den Begriff „Poliklinik“ in Erinnerung an die Einrichtungen der DDR für das Konzept von fachübergreifenden Praxen, in denen größtenteils angestellte Ärzte verschiedener Fachrichtung für die ambulante Versorgung der Patienten zuständig sind.
Polikliniken im engeren Sinn gab und gibt es in der Bundesrepublik aber als Einrichtungen von Universitätskliniken zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Ausbildung. Daneben sind Praxiskliniken, Medizinische Versorgungszentren sowie verschiedene Formen von Ambulanzen in Krankenhäusern möglich.
Medizinische Versorgungszentren
Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) von 2004 sieht vor, dass sich zur kassenärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte und andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen zu sogenannten Medizinischen Versorgungszentren zusammenschließen können. Ein Medizinisches Versorgungszentrum ist eine fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtung (wie eine Poliklinik der DDR), in der gesetzlich und privat versicherte Patienten behandelt werden können.
Im Unterschied zu den Polikliniken der DDR sind Medizinische Versorgungszentren oftmals Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit persönlicher Haftung der leitenden Ärzte und werden auf Initiative der beteiligten Leistungserbringer freiwillig gegründet. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) wurde 2012 geregelt, dass MVZ nur noch von Personengesellschaften, eingetragenen Genossenschaften (e.G.) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet werden dürfen. Aktiengesellschaften (AG) sind nicht erlaubt. Sie ähneln fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen alten Stils mit der Neuerung, dass auch nicht-ärztliche Leistungserbringer (z. B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden) Gesellschafter sein können und die Erbringung von Leistungen durch Angestellte gegenüber Gemeinschaftspraxen erleichtert ist. Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es bereits seit längerem eine Entwicklung zu klinikähnlichen Gemeinschaftspraxen, sogenannten Praxiskliniken gab und zum anderen seit längerem eine Tendenz zur Einrichtung von Praxen in Krankenhäusern gab, insbesondere wenn die Inhaber ohnehin als Belegarzt im Krankenhaus tätig waren.
Mobile Poliklinik
Eine besondere Form der Poliklinik in Südafrika ist der Phelophepa-Gesundheitszug, der in medizinisch unterversorgten Gebieten kostengünstige oder kostenlose Versorgung bietet.
Siehe auch
Literatur
- Karl Kremer, Erich Müller (Hrsg.): Die chirurgische Poliklinik. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/ New York 1984, ISBN 3-13-640601-X.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Duden: Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe. Dudenverlag, 10. Auflage, Berlin 2021, ISBN 978-3-411-04837-3, S. 647.
- ↑ Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch. 4. Auflage, Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1895, S. 235.
- ↑ Duden.de: Stichwort Poliklinik
- ↑ Sabine Schleiermacher: Ambulatorium. In: pschyrembel.de. Pschyrembel Online – Walter de Gruyter GmbH, April 2016, abgerufen am 22. Juni 2023.
- ↑ Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. Hrsg. von Walther Mitzka. De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 558.
- ↑ Otto Roth: Klinische Terminologie. 2. Auflage, Verlag von Eduard Besold, Erlangen 1884, S. 76.
- ↑ Ludwig August Kraus: Kritisch-etymologisches medicinisches Lexikon. 3. Auflage. Verlag der Deuerlich- und Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1844, S. 827. Digitalisat der Ausgabe von 1844, Internet Archive.
- ↑ In der Bibel der griechischen Sprache, dem Νέο Ελληνικό Λεξικό της σύγχρονης δημοτικής γλώσσας von Εμμανουήλ ΚΡΙΑΡΑ (Εκδοτική Αθηνών, ΑΘΗΝΑ, Athen 1995, 1. Auflage, 1587 Seiten, ISBN 960-213-326-0) wird der Begriff auf Seite 1132 wie folgt beschrieben: πολυκλινική η, ουσ., θεραπευτικό ίδρυμα όπου παρέχεται ιατρική φροντίδα και νοσηλεία σε ασθενείς με διάφορες παθήσεις. Hier weist der Begriff „διάφορες“ auf die Vielfältigkeit hin. Von einer Stadt ist hier keine Rede.
- ↑ Brockhaus-Enzyklopädie: Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände – Conversations-Lexikon, 11. Auflage, 8. Band, F. A. Brockhaus-Verlag, Leipzig 1866, S. 866.
- ↑ Wilhelm Kühn: Neues medizinisches Fremdwörterbuch. 3. Auflage, Verlag von Krüger & Co., Leipzig 1913, S. 92.
- ↑ Hans Franke: Joachim Schröder und Edith Schröder. Die Würzburger Medizinische Universitäts-Poliklinik 1807-1957. Stuttgart 1957, S. 11.
- ↑ Robert Schwab: Über die Bedeutung des Juliusspitals für die Entwicklung der Inneren Medizin. In: Das Juliusspital Würzburg in Vergangenheit und Gegenwart: Festschrift aus Anlaß der Einweihung der wiederaufgebauten Pfarrkirche des Juliusspitals am 16. Juli 1953. Hrsg. vom Oberpflegeamt des Juliusspitals. Würzburg 1953, S. 14–24, hier: S. 18.
- ↑ Truppenärzte der Bundeswehr. In: bundeswehr.de. Abgerufen am 19. Januar 2021.
- ↑ Gocher Krankenhaus aufgeben? - Die aktuelle Gesundheitsdiskussion im Kreis Kleve
- ↑ Gerd Glaeske: Lehrbuch Versorgungsforschung. Hrsg.: Pfaff, Neugebauer, Glaeske, Schrappe. 2. Auflage. Schattauer, Stuttgart, ISBN 978-3-7945-3236-0, S. 284.